"1789 kommt"

Mit Streiks und landesweiten Demonstrationen stemmt sich Frankreich gegen die geplante Rentenreform

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Schon im Mai hatten die Gewerkschaften gegen die sich abzeichnende Rentenreform mobilisiert. Der Erfolg war damals eher gering. Doch die Reaktion der Franzosen auf die Ankündigung der Regierung unter Nicolas Sarkozy, das Renteneintrittsalter von 60 auf 62 Jahre anzuheben, war erstaunlich groß. Insgesamt sollen zwei Millionen Menschen gegen das Vorhaben auf die Straßen gegangen sein. Der Versuch, den Franzosen die Reform mit einer Reichensteuer schmackhaft zu machen, geht offensichtlich nicht auf.

Die Demonstrationen waren auch von massiven Streiks begleitet, die vor allem den öffentlichen Dienst stark beeinträchtigt haben. Besonders betroffen waren der Bahn-, Flug- und der öffentliche Nahverkehr. Bestreikt wurden aber auch Schulen, Behörden und einige großen Unternehmen. In einigen Bereichen war die Beteiligung so groß, wie seit den Protesten gegen die Rentenreform von 2003 nicht mehr.

Für die Gewerkschaften war es ein gelungener Test. Sechs der acht französischen Gewerkschaftsverbände hatten zu den Protesten aufgerufen. Geprüft werden sollte die Mobilisierungsfähigkeit für den Herbst, wenn die Reform im Parlament behandelt werden soll. Sarkozy will die 1983 von den Sozialisten eingeführte Regelung abschaffen, weil sie in Zeiten von hoher Verschuldung nicht mehr finanzierbar sei. Angeblich würde ohne die Reform die Finanzierungslücke in den Rentenkassen immer größer. Doch dem halten die Gewerkschaften entgegen, dass die Gewinne der großen Unternehmen stärker besteuert werden sollen. Von den so eingefahrenen 250 Milliarden Euro könnten leicht 20 Milliarden in die Rentenkasse umgeleitet werden.

In Frankreich hat sich großer Unmut angestaut, obwohl dort von harten Sparplänen bisher nichts zu hören ist. Vielmehr steht Sarkozy im Streit darum, wie die richtige Antwort auf die Schuldenkrise aussehen soll, eher auf der Seite von Barack Obama. Auch Frankreichs Staatschef hat die deutschen Sparpläne kritisiert. "Mit einem Sparpaket nach dem anderen gerät man in die Rezession", zitierte der Figaro ihn. Ob das schnelle und blamable Ausscheiden bei der WM in Südafrika eine Auswirkung hat, ist unklar, jedenfalls kann nun mit den Spielen nicht mehr von Konflikten abgelenkt werden. Sarkozy steht ein heißer Herbst bevor. "1789 kommt!", war in Anspielung auf den Beginn der Französischen Revolution auf Plakaten in Paris zu lesen.