Der IWF sieht weiter Finanzlöcher von 1,5 Billionen Dollar

Obwohl der Internationale Währungsfonds eine Verbesserung ausmacht, warnt er weiter vor großen Gefahren.

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Zu den Risiken gehört die sich verschärfende Kreditklemme, die auch durch die steigende Staatsverschuldung erzeugt wird. Dass Deutschland allein im ersten Halbjahr 57 Milliarden Euro neue Schulden gemacht hat, macht das deutlich. Dass wichtige Branchen in Deutschland weitere deutliche Auftragsrückgänge verzeichnen, weist darauf hin, dass die erhoffte Erholung ausbleiben könnte. Dafür spricht auch, dass die deutschen Exporte stark geschrumpft sind

Der IWF hält an seinen positiveren Aussichten für die Weltwirtschaft fest, die er seit Juli ausmacht. Er geht davon aus, dass sich die internationale Finanzstabilität zuletzt weiter verbessert habe. Doch noch immer bestünden hohe Risiken, gehe aus einem Bericht hervor, der gerade hausintern veröffentlicht wurde, aus dem die Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Darin heißt es: "Die globale Finanzstabilität hat sich verbessert, doch bleiben die Risiken hoch", will der IWF eben nicht zur Entwarnung blasen.

Die Währungshüter rechnen damit, dass sich die im Zuge der Finanzkrise entstandenen Verluste bis Ende 2010 auf 3,4 Billionen US-Dollar summieren werden. Bisher ging er allerdings von einem weiteren Abschreibungsbedarf in einer Höhe von 4,1 Billionen Dollar aus, davon wurden 2,7 Billionen bei US-Banken verortet. Seit Ausbruch der Finanzkrise Mitte 2007 hätten bis Mitte 2009 etwa 1,3 Billionen Dollar an Krediten und Wertpapieren abgeschrieben werden müssen. Doch der IWF meint, in den Bilanzen schlummere noch ein verschleierter Abschreibungsbedarf an Unwertpapieren und faulen Krediten, deren Höhe er bis Ende 2010 auf 1,5 Billionen Dollar beziffert.

Dabei sei die Lage der europäischen Banken schlechter als die der US-Institute. Geschätzt wird, dass sich die Verluste aus Kreditausfällen und Abschreibungen für Banken im EU-Währungsraum bis 2010 auf insgesamt 814 Milliarden Dollar summieren. Unterm Strich hätten die Banken inzwischen zwar genügend Kapital um zu überleben, allerdings stünden sie gleichzeitig unter dem Druck, Fremdfinanzierungen zurückzuführen. Es bedürfe großer Anstrengungen, die Kapitalkraft und die Gewinnpotenziale der Banken zu erhöhen, um genügend Kreditvergaben zu ermöglichen.

Die Verfügbarkeit von Krediten für die private Wirtschaft werde weiter ein Problem bleiben, meint der IWF. So seien die Kreditkanäle weiter verstopft, während der sich anbahnende Aufschwung schwach bleiben dürfte. In der Konsequenz sei es absehbar, dass die Zentralbanken weiter ihre Geldpolitik aufrechterhalten, um zu versuchen die Lage zu entspannen.

Anlass zur Sorge, dass die langfristigen Zinsen unter Aufwärtsdruck geraten (und damit die Erholung belasten) sieht der IWF wegen des Transfers von Risiken aus der Privatwirtschaft in die Staatshaushalte im Zuge der Krisenbekämpfung. Zwar dürfte die staatliche Kreditaufnahme bis 2012 wieder zurückgehen, sie werde aber weiter deutlich über den Durchschnittszahlen vor der Krise liegen.

Deutlich zeigt sich das auch an Zahlen aus Deutschland. Das Staatsdefizit ist in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf 57 Milliarden Euro gestiegen. Das seien 50 Milliarden Euro mehr als vor einem Jahr, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden heute mit. Diese Entwicklung sei vor allem auf die enormen Kosten zur Eindämmung der Wirtschafts- und Finanzkrise zurückzuführen. Demnach beläuft sich die exorbitante Staatsverschuldung derzeit schon auf rund 1.600 Milliarden Euro.

Der IWF meint, dass die Analyse historischer empirischer Daten zeige, dass eine anhaltende Erhöhung des Defizits um einen Prozentpunkt zu einer Erhöhung der Langfrist-Zinsen von 10 bis 60 Basispunkten führe, weshalb eine mögliche Erholung der Wirtschaften erschwert werde. Die starke Geldnachfrage der Staaten verstärkt eben auch die Kreditklemme für die Firmen. Die großen Industriekonzerne in Deutschland kommen einer Umfrage zufolge immer schlechter an Kredite. Im September beklagten sich 54,5 Prozent der großen Firmen aus dem verarbeitenden Gewerbe über eine zurückhaltende Kreditvergabe, ermittelte das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. "Das ist der höchste Wert seit Beginn der Befragungen im Sommer 2003", sagte Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Immer mehr Firmen geraten wegen der enormen Staatsverschuldung also in die erwartete Kreditklemme, obwohl wie in Großbritannien auch in Europa die Geldmärkte von den Notenbanken geflutet wurden.

Die Herausforderungen für die Politik seien noch immer erheblich, meint der IWF. So gelte es zum einen, eine ausreichende Kreditversorgung aufrechtzuerhalten, um so einen Aufschwung zu ermöglichen. Auf der anderen Seite müssten aber auch Exit-Strategien entworfen und die finanzpolitischen Risiken angegangen werden, die sich als Folge der Krise bei den Staaten angesammelt hätten. Wie das geschehen soll, bleibt offen, denn das widerspricht sich. Deshalb hatte die US-Notenbank angekündigt, die Geldpolitik aufrecht zu erhalten. So darf nicht nur eine starke Inflation in der Zukunft befürchtet werden, möglich ist sogar eine Hyperinflation, wenn die Geldmenge nicht bald zurückgefahren wird. Auch ein Dollarcrash ist möglich.

Die recht positiven Annahmen des IWF gelten ohnehin nur dann, wenn sich aus der herbeigedopten Erholung eine tatsächliche Erholung ergibt. Das aber ist fraglich. Der Ex-Notenbankchef Alan Greenspan warnte ohnehin schon vor der nächsten Krise, einige gehen davon aus, dass es im Herbst wieder deutlich bergab geht. Dass der deutsche Maschinen- und Anlagenbau weiter große Auftragsrückgänge verbucht, weist deutlich in diese Richtung. Im August sind die Bestellungen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 43 % gesunken, teilte der Branchenverband VDMA in Frankfurt am Main mit. Das Inlandsgeschäft habe sich um 45 und das Auslandsgeschäft um 41 Prozent verringert.

Dass die deutschen Exporte im ersten Halbjahr um 23,5 % gesunken sind, darf ebenfalls als Desaster bezeichnet werden. Vor allem nach Russland, aber auch in EU-Länder wurde weniger geliefert, hatte das Statistische Bundesamt vergangene Woche gemeldet. Insgesamt seien Waren im Wert von 391,2 Milliarden Euro exportiert worden. Die Lieferungen in die EU-Mitgliedsländer haben sich nominal um 24,3 % auf 249,8 Milliarden Euro verringert. Die Ausfuhren in Länder außerhalb der EU schrumpften um 21,9 % auf 141,5 Milliarden Euro.

Der IWF kehrt, so muss man konstatieren, zu der positivistischen Berichterstattung zurück, die er vor und zu Beginn der Krise durchgehalten hat, zurück. Doch damit hatte er voll daneben gelangt und musste seine Prognosen zum Teil monatsweise nach unten korrigieren und hechelte damit den Einschätzungen der Weltbank hinterher. Die Schwesterorganisation lag in der Analyse und Einschätzung deutlich realistischer. Deshalb sollte man die Prognosen des IWF mit Vorsicht genießen. Sollten die Börsenkurse wegen der real aufbrechenden wirtschaftlichen Probleme wieder unter Druck geraten, dann klaffen ohnehin sofort wieder noch größere Löcher in den Bankbilanzen.