SPD und Union wollen BGH- und EuGH-Urteile aushebeln

Verlage sollen sich weiterhin aus dem Urheberrechtsabgabentopf bedienen dürfen

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Am 21. April entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass die bisherige Praxis der VG Wort, Urheberrechtsabgaben nicht nur an Autoren, sondern zur Hälfte an Verlage auszuschütten, rechtswidrig ist. Vorher hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Fall aus Belgien genau so geurteilt (vgl. BGH bescheinigt: Verwertungsgesellschaften übervorteilen die Autoren).

Bereits seit diesem EuGH-Urteil (das ein entsprechendes BGH-Urteil erwarten ließ) drängt die Verlagslobby die Parteien, die Gerichtsentscheidungen auf politischer Ebene umzukehren. Was Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in Aussicht stellte, hat nun seinen Weg in die Bundestagsausschüsse für recht und Verbraucherschutz und für Kultur und Medien gefunden: In einem Entschließungspapier der Fraktionen CDU/CSU und SPD, das Telepolis vorliegt, wird gefordert, in einem geplanten Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/26/EU "über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten [….]" die "Beteiligung von Verlegern an gesetzlichen Vergütungen [zu] erhalten".

Die Bundestagsfraktionen von Union und SPD verlangen in dem Papier (dessen Formulierungen vorherigen Presseaussendungen der Verlegerlobby bemerkenswert ähneln), der Bundestag solle "feststellen", dass sich das "Zusammenwirken von Autoren und Verlegern in gemeinsamen Verwertungsgesellschaften […] über Jahrzehnte bewährt" habe und "Ausdruck des engen Zusammenwirkens zwischen Autoren und Verlegern bei der Entstehung urheberrechtlich geschützter Werke" sei.

Die Verleger, so der Entschließungsantrag, hätten "einen maßgeblichen Anteil an ihrer Schaffung [sic]", weil sie Autoren "in vielfältiger Weise" unterstützen würden - "von der Vorfinanzierung des Werks über das Lektorat bis hin zur Vermarktung". Außerdem würden gemeinsame Verwertungsgesellschaften für Autoren und Verleger die Arbeit von Bibliotheken "erleichtern" und eine "besondere soziale und gesellschaftliche Funktion [...] ausüben".

Deshalb hätten das EuGH- und das BGH-Urteil "sowohl bei Verlegern als auch bei den Verbänden der Autorinnen und Autoren große Besorgnis ausgelöst". Dabei bezieht sich der Antrag offenbar auf die zur Gewerkschaft Verdi gehörigen Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU) und den Deutschen Journalisten-Verband (DJV). Ein offener Brief des Kurd-Laßwitz-Preisträger Tom Hillenbrand, in dem mittlerweile über 1.000 Autoren ihre ganz gegenteilige Besorgnis zum Ausdruck bringen, bleibt dagegen ebenso unerwähnt wie die Position des Freischreiber-Verbandes, der es begrüßt, dass die Autoren ihre Einkünfte aus diesem Topf nicht mehr mit den Verlegern teilen müssen (vgl. Unfreiwillige Subvention).

Mit dieser selektiven Auswahl der Besorgten "begrüßt" der Entschließungsantrag (der auch an die EU-Kommission weitergeleitet werden soll) die "Initiative der Bundesregierung, die sich auf EU-Ebene bereits für die erforderlichen Änderungen des europäischen Rechtsrahmens ausgesprochen hat" und fordert, dass "auch auf nationaler Ebene […] alle verfügbaren Möglichkeiten genutzt werden". Als konkreten Punkt dafür nennt das Papier die "in Kürze anstehenden Beratungen über die Reform des Urhebervertragsrechts".

Hinsichtlich der noch nicht verjährten Rückforderungen aus den letzten drei Jahren verlangen Christ- und Sozialdemokraten Rücksichtnahme auf die Interessen von Verlagen. Die VG Wort und andere Verwertungsgesellschaften dürften sich dadurch ermutigt fühlen, sich mit den Auszahlungen an die Autoren nicht zu sehr zu beeilen. Eventuell müssen diese auch selbst tätig werden und sich Anwälte nehmen, wenn sie an das ihnen zustehende Geld kommen wollen.

Nimmt man die Argumentation der Verlage und der Fraktionen der ehemaligen Volksparteien ernst, dann müsste man anerkennen, dass nicht nur die wirtschaftlichen Interessen von Verleger von den Privatkopien (für die Abgaben eingesammelt werden) berührt sind, sondern auch die von Buchhandlungen, der Papierindustrie und dem finnischen Staat, der unter anderem deshalb mit einer Wirtschaftskrise kämpft (vgl. Finnisches Parlament debattiert Euro-Ausstieg). All diese Akteure dürfen sich jedoch nicht aus dem Topf bedienen, der den Gerichtsentscheidungen nach eigentlich nur für jene Gruppe bestimmt ist, die sich am wenigsten wehren kann: Die Autoren.

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