"Die Leute wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben"

Jérôme Boateng. Bild: Harald Bischoff/CC BY-SA 3.0

Von Alexander Gauland wird ein rassistisches Zitat übermittelt, der stellvertretende AfD-Vorsitzende streitet ab

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In knapp zwei Wochen startet das große Unterhaltungsprogramm Fußball-Europameisterschaft. Die deutschen Nationalspieler sind "einfach happy" in ihre noble Absteige "Hotel Giardino" am Lago Maggiore angereist, hieß es neulich an dieser Stelle, wo Arno Kleinebeckel darauf hinwies, dass die Prominenz der Fußballstars zu Showeinlagen verführt, die mit dem Fußball nichts, aber viel mit Bekenntnissen zu Fragen der Zeit zu tun hat.

Marketing macht vor eben nichts Halt. Mesut Özil postierte sich vor der Kaaba und schickte das Foto in soziale Netzwerke, mit millionfacher Resonanz. Die Frage, ob das fromme Anwandlung oder gekonnte Show ist, bleibt offen (Link auf 48332).

Heute betrat das Duo Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) und der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland das hybride Feld. Wie sich zeigte, ging die Rechnung mit der Aufmerksamkeit auf. Unklar ist, wem nun die Show gehört und welchen Effekt sie hat. Aber der Reihe nach.

"Gauland beleidigt Boateng", lautet der Aufmacher der Sonntagszeitung und im ersten Absatz gibt es - in direkter Rede - das Zitat zur Beleidigung:

Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.

Fußballfreunde wissen, dass es zwei Boatengs gibt; einer, Kevin-Prince Boateng, ist wegen seiner harten Gangart berühmt, 2010 verhinderte er die WM-Teilnahme von Michael Ballack durch ein Foul. Hass schlug ihm damals entgegen, so Kevin-Prince in seinen Memoiren. In einer günstigen, sportlichen Betrachtung des Gauland-Satzes vom "einen Boateng", den man nicht zum Nachbarn haben will, könnte man also den damaligen Hass anführen und vielleicht die Furcht, dass Kevin-Prince beim nachbarschaftlichen Hobbyfußball im Garten genauso vorgeht wie in Ligaspielen.

Aber das ist unrealistisch. Fußballstars spielen nicht mit Nachbarn und Gauland hat schon den schüchternen Bruder (Wikipedia) gemeint, Jérôme Boateng, und das Zitat hat einen grob unsportlichen, rassistischen Tritt. Das wurde dann auch Gauland klar. Nach der Erscheinung des Artikels setzte es empörte Reaktionen, von der DFB-Spitze bis zur Polit-Prominenz, etwa vom Bundesinnenminister Maas: "Wer so redet, entlarvt sich selbst - und das nicht nur als schlechter Nachbar". Auch Julia Klöckner von der CDU nahm die Vorgabe auf und staubte ab: "Lieber Boateng als Gauland als Nachbarn."

Gauland machte sich ans Reparieren und schickte ein Statement.

Ich habe nie, wie die FAS insinuiert, Herrn Boateng beleidigt. Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten. Ich habe in dem vertraulichen Hintergrundgespräch die Einstellung mancher Menschen beschrieben, aber mich an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt sind.

In rechten Foren ist wieder einmal von der Lügenpresse die Rede. Im FAS-Artikel kommen die Nachbarn von Jérôme Boateng in der sorgenlosen Münchner Schlafstadt Grünwald, wo man auf großem Raum freundschaftlich nebeneinander, lebt zu Wort und sagen Nettes über den freundlichen Mann, den man als Passanten kennt. Das Interview mit Gauland fand also schon ein paar Tage zuvor statt, so dass Zeit für die Gespräche mit den Nachbarn blieb, die Augenscheinliches bestätigten. (Hätte man die Nachbarschaftsbefragung auch gemacht, wenn Gauland, wie er behauptet, sich "an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert" hat?)

Für den Biss sorgte dann die Schlagzeile. Ob die nun lügnerisch weit weg von Gaulands Hintergrundlinie liegt, ist die Frage. Im Gespräch ging es laut FAS um Fragen zum "Fremden", um die "Abwehr des kulturell Fremden", und das "eigentliche Problem der großen Zahl der Fremden". Die Zeitung legt nahe, dass Gauland in diesem Zusammenhang Jérôme Boateng als Anschauungsbeispiel für eine Haltung erwähnt hat, die er selbst "den Leuten" nahelegt.

Klar ist nur, harmlos sind solche Sätze nicht.