Pflugscharen zu Steakmessern

Feld nach Aussaat in Großbritannien. Foto: M J Richardson; Lizenz: CC BY-SA 2.0

Der Verzicht auf das Pflügen nach der Ernte könnte die Temperaturen an heißen Sommertagen in Europa um zwei Grad senken

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Schon seit über 5000 Jahren setzt der Mensch bei der Bewirtschaftung des Landes auf den Pflug. Nach der Ernte wird die Erde mechanisch umgegraben - das soll der Auflockerung und Durchlüftung des Bodens dienen, bei der Bekämpfung von Schädlingen und Unkraut helfen und Ernterückstände und Dünger im Erdreich verteilen. Doch das Pflügen hat auch negative Auswirkungen: Es trägt verstärkt zur Bodenerosion bei und nützliche Erdbewohner wie Bakterien, Pilze und Würmer werden getötet.

Die Alternative zum Pflügen heißt Direktsaat: Der Landwirt verzichtet auf die Bodenbearbeitung vor der Saat. Die Erntereste des Vorjahres verbleiben als Mulchschicht auf der Fläche. Bei der Saat selbst wird der Boden nur in den Saatreihen mechanisch geöffnet. Das spart dem Bauern natürlich eine Menge Arbeit. Es verringert aber auch die Verdunstung und Austrocknung des Bodens und damit die Erosion. Zudem verbessert sich durch die organischen Rückstände mit der Zeit die Qualität des Erdbodens. Aus ökologischer Sicht wäre als positive Folge die Einlagerung von CO2 im Boden zu nennen.

Trotzdem hat sich die Direktsaat bisher nicht durchgesetzt. Das liegt daran, dass sie auch Nachteile mit sich bringt. So wird die Schädlingsbekämpfung deutlich erschwert. Meist kann der Landwirt auf den Einsatz von Herbiziden nicht verzichten - was nicht zum populären ökologischen Landbau passt. Die Verbesserung der Bodenqualität setzt auch erst nach ein paar Jahren ein: Zunächst verringern sich die Erntemengen.

Tatsächlich könnte die Direktsaat aber einen weiteren positiven Effekt mitbringen, der bisher nur für die Tropen diskutiert wurde. In einer Studie in den Veröffentlichungen der US-Akademie der Wissenschaften erörtert ein europäisches Forscherteam, wie sich die Bodenbedeckung durch die Erntereste auf das lokale Mikroklima auswirkt. Dunkle, frisch gepflügte Erde nimmt die Wärmestrahlung der Sonne weit besser auf, als wenn sie von Getreidehalmen bedeckt wäre. Die Erntereste sorgen damit für eine deutliche Erhöhung der Reflexion (Albedo) - mit der Folge, dass die Temperaturen an der Erdoberfläche sinken.

Der Effekt tritt allerdings nicht bei jedem Wetter gleichmäßig auf. Wie stark er ist, hängt vor allem vom Wetter ab. Bei Regen nimmt er zum Beispiel ab, und im Winter ist er gar nicht messbar. Je heißer es ist und je klarer der Himmel, desto stärker wird er jedoch. Das könnte für die Zukunft wichtig werden - wenn in Kontinentaleuropa sowieso schon mit heißeren Sommern zu rechnen ist. Die Forscher haben den Effekt in der Praxis getestet.

Auf ganz Europa hochgerechnet, meinen sie, ließe sich durch Direktsaat die Temperatur an den heißesten Sommertagen um ganze zwei Grad senken; die mittleren Sommertemperaturen lägen um ein Grad niedriger als bei herkömmlicher Bewirtschaftung. Doch selbst wenn nicht die komplette europäische Landwirtschaft umstellt (was einigermaßen unwahrscheinlich wäre) könnte man mit dieser speziellen Anbauform zumindest den Schweregrad örtlicher Hitzewellen abmildern.