Krieg im Osten der Ukraine: Wende mit russischen Panzern

Separatisten räumen entscheidende Hilfe aus Russland ein

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wie viele russische Soldaten, Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und Waffen derzeit an den Kämpfen im Osten der Ukraine beteiligt sind, darüber gibt es wie immer die unterschiedlichsten Angaben und Spekulationen. Die militärische Unterstützung aus Russland wird auch von der politischen Nummer 1 der Kiew-Gegner im Donbass, Alexander Sachartschenko, als große Hilfe eingeräumt. Die militärische Lage im Osten der Ukraine hat sich dadurch verändert; mehreren Angaben zufolge sind nun die Verbände der Separatisten im Vormarsch.

Ein amtliches Siegel für die Militärhilfe aus Russland liefert der russische Präsident Putin freilich nicht. (Einfügung zur Klarstellung: Beweise für eine offizielle, organisierte Einmischung seitens russischer Stellen liegen nicht vor. Im Folgenden werden Positionen, Vorwürfe und Einschätzungen verschiedener Parteien dazu wiedergegeben).

Für die Regierung in Kiew ist die Verantwortung für die militärische Einmischung aus Russland klar im Kreml zu suchen; der noch amtierende ukrainische Premierminister Arsenij Jazenjuk bat heute die USA, die EU und die G7-Länder, um neue Sanktionen gegen Moskau: das Einfrieren von russischen Vermögenswerten, "bis Russland seine Streitkräfte, sein militärisches Gerät und seine Agenten zurückzieht". Außerdem forderte Jazeniuk ein Zusammentreten des UN-Sicherheitsrats in der Angelegenheit.

Die dazu gehörige Schlüsselfrage, wie stark die russische Regierung die Kiew-Gegner in der Ostukraine kontrollieren kann, bleibt Einschätzungen überlassen. Was sich abzeichnet, ist, dass die Diplomatie wie schon in den Wochen zuvor kaum Erfolgsaussichten auf eine Einigung der beiden Gegenpole in Kiew und im Donbass präsentiert.

Beim Treffen zwischen Putin und Poroschenko offenbarten sich einmal mehr Parallelwelten. Poroschenko verwies die internationalen Medien auf seinen "Friedensplan"; für Putin ging es dagegen "vor allem und hauptsächlich im wirtschaftliche Zusammenarbeit. Was den Konflikt zwischen Kiew und den Vertretern der östlichen Regionen der Ukraine angehe, so sei dies Sache eben dieser Konfliktparteien:

Ganz offen gesagt, wir können doch keine Bedingungen für einen Waffenstillstand oder mögliche Vereinbarungen zwischen Kiew, Donezk und Luhansk besprechen. Das ist nicht unsere Angelegenheit, das ist eine innenpolitische Angelegenheit der Ukraine selbst.

Angesichts der nun offenbar gewordenen militärischen Verstärkung aus Russland ist das gewitzt. Ebenso wie die ihm zugeschriebene Bemerkung, wonach die auf ukrainischem Gebiet festgenommenen russischen Soldaten "zufällig" auf die andere Seite der Grenze gelangten, weil sie auf der Flucht vor "Rebellen" waren. Putin finassierte damit, dass dies auch ukrainischen Soldaten bereits passiert sei und Russland damit "keine Probleme" hatte.

Die militärische Unterstützung aus Russland für die Regierungsgegner im Osten ist nicht mehr zu leugnen und wird auch vom "Premier der selbsterklärten Donezker Volksrepublik (DVR)", Alexander Sachartschenko, bestätigt - mit dem Hinweis darauf, dass es dabei keinen Marschbefehl aus dem Kreml gegeben hat: russische Freiwillige sind es, die zur Hilfe kommen, so Sachartschenko. Die Volkswehr habe auch "nie einen Hehl daraus gemacht, dass es unter uns viele Russen gibt, ohne deren Hilfe wir es heute sehr schwer hätten":

In unseren Reihen hat es etwa 3.000 bis 4.000 von ihnen gegeben. Viele sind bereits heimgefahren. Viel mehr von ihnen sind aber hier geblieben. Leider gab es auch Tote.

Es ist kein Geheimnis, dass es unter den Freiwilligen aus Russland viele Ex-Militärs gibt. Sie kämpfen zusammen mit uns, weil sie dies als ihre Pflicht verstehen. Mehr noch: Zu uns kommen viele Militärs aus Russland, die es vorziehen, ihren Urlaub nicht auf dem Meeresstrand, sondern Schulter an Schulter mit ihren Brüdern zu verbringen, die um die Freiheit vom Donbass kämpfen.RIA Nowosti

Laut der Presseabteilung der Kiewer Anti-Terroroperation (ATO) geht die Unterstützung darüber hinaus: So habe man Informationen erhalten, welche die "Bewegung militärischen Equipments von bis zu 100 Einheiten (Panzer, gepanzerte Truppentransporter, Grad-Raketen-Abschussgeräte, Kampffahrzeuge für die Infanterie) auf der Straße zwischen Starobesheve und Telmanove" anzeigen.

Der Sprecher der ukrainischen Armee, Lyssenko, sprach von einer "Invasion im großen Stil" im Südosten der Ukraine. "Fünf gepanzerte Truppentransporter und einen Kamaz-Lastwagen habe man in Amvrosievka entdeckt. (Einfügung: Die Fallhöhe zwischen der Behauptung "Invasion im großen Stil" und fünf gepanzerten Truppentransportern ist unverkennbar. Anscheinend ruderte Lyssemko später weiter zurück. Danke für den Hinweis).

Im "großen Stil" listet auch die Webseite Censor.net zahlreiche russische Einheiten auf, die sich angeblich auf Teile von Dokumenten des Kiewer Verteidigungsministeriums und auf Angaben von Journalisten stützen, Übertreibungen und Spin sind also mit im Spiel.

Der amerikanische Botschafter in der Ukraine, dem solches - wie allen verstrickten Parteien - auch nicht fremd ist, spricht ohne genauere Zahlenangaben von "Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Artillerie, Raketenabschusssystemen" und dem "neuesten SA-22-Luftabwehrssystem", die von Russland in die Ukraine geliefert worden seien. Man darf auf die Reaktionen gespannt sein und darauf, wie sich das Kriegsgeschehen bei Mariupol entwickelt.

Zuletzt gaben Nachrichten, die von RIA Nowosti übermittelt werden (hier und hier), Zeichen, dass die "Panzer der Volkswehr" das Kriegsglück wenden. Auch ukrainische Militärs räumen den Verlust strategisch wichtiger Orte ein.