Religionsstreit an Unis über Gebetsräume

Zwischen Religionsfreiheit, staatlicher Neutralität und Islam-Debatte werden an immer mehr Unis Gebetsräume zum Politikum. Die Uni-Köln will es jetzt besser machen

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Im Mikrokosmos deutscher Hochschulen kommt die Raumbelegung immer einem Politikum gleich: Die Raumverwaltung der Uni Köln erklärte schon vor drei Semestern den Überbelegungsnotstand. Die Studentengruppe protestiert, weil der Filmabend im hinterletzten Hörsaal doch der Ringvorlesung weichen muss. Daran, dass die Erstsemester oft im Gang vor anstatt im Seminarraum sitzen, haben sich ohnehin schon alle gewöhnt.

Ein besonderer Typus universitärer Raumverwendung erregt zurzeit jedoch ein Maß an Aufmerksamkeit, dass selbst in der Geschichte chronisch überbelegter deutscher Hochschulen einmalig sein dürfte: Der Gebetsraum - im säkularen Duktus ihrer Unis meist "Raum der Stille" genannt - hat die Grenzen seiner jeweiligen Hochschule verlassen und die Debatte um Islam, Migration und deutsche Werte geentert. Und weil das so ist, stehen Nachrichten wie folgende nun in überregionalen Zeitungen und Online-Medien statt nur auf dem schwarzen Brett im Uni-Hauptgebäude: Die Uni Köln plant die Eröffnung eines "Raumes der Stille". Dort können Studenten - sofern sie denn wollen - auch beten.

Wer dieser Tage die Diskussion um universitäre Gebetsräume verfolgt, den erinnert nicht viel daran, dass es dort laut Nutzerordnung vor allem ruhig zugehen soll. Berlin, Bochum, Dortmund, Essen und jetzt Köln: Immer länger wird die Liste jener Universitäten, die mit ihrem stillen Räumen bundesweit für ziemlich viel Lärm sorgen. In Essen habe sich im Umfeld des Gebetsraumes ein "fundamentalistischen Regime" ausgebreitet, weiß die Lokalzeitung (nicht aber die Uni-Leitung).

In Bochum warnt ein SPD-Politiker vor dem Ansturm von Salafisten. In Berlin erinnerte sich die Uni-Leitung nach Jahrzehnten an das staatliche Neutralitätsgebot. Und in Dortmund sollen muslimische Studenten den "Raum der Stille" zum Ort der Geschlechtertrennung gemacht haben. Das Ergebnis ist überall dasselbe: Die Räume wurden geschlossen.

"Hier können sich Muslime zurückziehen, genauso wie Buddhisten und Katholiken"

Ausgerechnet im zum Synonym für migrantische Frauendiskriminierung gewordenen Köln soll nun ein neuer universitärer Gebetsraum eröffnen. "Rassismus, Sexismus und Diskriminierungen jeglicher Art, das tolerieren wir auch in Köln nicht", ist ein Satz, den man noch vor einigen Wochen selten im Kontext von universitären Raumbelegungsplänen gehört hätte. Er stammt von Dr. Patrick Honecker. Der Pressesprecher der Uni-Köln muss dieser Tage häufig Journalisten erklären, worüber an seiner Uni seit rund sechs Jahren debattiert wird und wofür sich außerhalb der Uni geschätzte fünf Jahre und elf Monate niemand interessiert hat.

Bis zum Herbst soll der rund 50 Quadratmeter große "Raum der Stille" fertig sein und unter anderem den Missstand beenden, dass jene, denen man keinen Ort zum Beten gab, ihn zwangsweise auf einem Gebetsteppich unter einer dunklen Kellertreppe der Uni-Bibliothek finden mussten. Wie an den meisten anderen Unis ist auch der Kölner "Raum der Stille" aber nicht ausschließlich für Muslime gedacht. "Es ist ein überkonfessioneller Raum, in dem Studierende und MitarbeiterInnen einen Moment der Zurückgezogenheit erleben können", sagt Honecker. Das gelte für Muslime genauso wie für Buddhisten oder Katholiken.