Religionsstreit an Unis über Gebetsräume

Seite 2: Die Domplatte unter den Gebetsräumen

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Der Grund dafür, dass Honecker dies Journalisten versichern muss, liegt rund 99 Kilometer entfernt. Mitte Januar hatte die Leitung der Uni Dortmund über Nacht die Schlösser ihres "Raumes der Stille" ausgetauscht. Lediglich ein Papierzettel gab den Studenten einen Anhaltspunkt für die Ursache der Schließung: "Sicherheitsgründe".

Von dem tatsächlichen Grund - einige muslimische Studenten hatten versucht, mittels Raumteilern und Teppichen das Zimmer in eine Mini-Moschee inklusive Geschlechtertrennung zu verwandeln - erfuhren Studenten und Studentenvertretung AStA zeitgleich mit den Medien aus einem offenen Brief der Uni-Leitung.

Bundesweit berichteten Medien über den "Kulturkampf um den Gebetsraum", machten den Raum P111a zur Domplatte unter den universitären Rückzugsorten. Hunderte (nicht nur muslimische) Studenten protestierten gegen die Schließung ihres Raumes, die wesentlich mehr Studenten betraf als nur die Übeltäter. Auch der AStA forderte einen Weiterbetrieb und kritisierte fehlende Kommunikation der Uni-Leitung. Da hatte die Diskussion die Grenzen der Uni alledings längst in Richtung bundesweiter Post-Köln-Debatte verlassen. Und die wurde nicht bestimmt von Fragen der Nutzerordnung oder studentischer Mitbestimmung, sondern von Begriffen wie "Grundgesetz", "Islamismus", "Religionsfreiheit" und "staatliche Neutralität"

Verstößt eine Uni gegen das Neutralitätsgebot, wenn sie Menschen beten lässt?

Darf eine staatliche Bildungsinstitution Menschen Platz zum Beten geben? Nein, antwortete kürzlich auch die Leitung der TU Berlin. Nach Jahrzehnten des problemlosen Betriebs kündigte sie an, ihren Gebetsraum Mitte März zu schließen. "Wir haben hier weder schlimme Vorfälle noch Hinweise auf Salafisten oder andere fundamentalistische Eiferer", versicherte Präsident Christian Thomson gegenüber dem Tagesspiegel. Ihm gehe es, "einzig und allein um das Neutralitätsgebot."

"Wir bewegen uns im Spannungsfeld zwischen weltanschaulicher Neutralität und Religionsfreiheit", räumt auch der Pressesprecher der Uni Köln, Patrick Honecker, ein. Doch sei man in Köln zu dem Schluss gekommen, dass "natürlich jemand auch in der Hochschule seine Religion ausüben" kann. Die Universität lasse dies lediglich zu, ohne sich selbst religiösen Regeln zu unterwerfen, sagt Honecker und verweist darauf, dass es an den allermeisten Unis nicht zu Konflikten komme.

Es gab eine Zeit, in der es um die Räume der Stille tatsächlich still war

Tatsächlich rückt die Debatte der letzten Woche den Umstand in den Hintergrund, dass an vielen Unis und teils seit Jahrzehnten "Räume des Stille" funktionierende Orte des überkonfessionellen Rückzugs statt Symbole des interkulturellen Schlagabtausch sind.

Auch heute überwiegt die Anzahl jener Gebetsräume, die es nicht in die Schlagzeilen schaffen: Im Hauptgebäude der Uni Hannover wird ebenso gebetet wie an den Unis von Hamburg und Paderborn. In der Bochumer Uni-Mensa macht ein weißer Vorhang eine Empore zum "Gebetsbalkon". An der Frankfurter Goethe-Uni gibt es gleich einen ganzes "Haus der Stille". Und bundesweit gibt es wahrscheinlich kaum eine Uni-Klinik, in der Trauernde nicht in einem "Raum der Stille" Trost finden - mit oder ohne Zutun eines Gottes eigener Wahl.

"Wenn wir ein komplett laizistisches System an den Hochschulen hätten, dürften wir auch keine Theologie lehren", sagt Honecker und fordert "eine gewisse Toleranz bei dem Thema". Sollte diese im Umgang miteinander einmal zu gering ausfallen, gibt es im Kölner "Raum der Stille" neben Nutzerordnung und Deeskalationsplan noch das Hausrecht. Dass es zu Konflikten kommen wird, glaubt Honecker aber nicht: "Es ist nichts anderes als ein Raum."