Symbolpolitik in München

Auf der heute in München beginnenden Sicherheitskonferenz will man eine neue atlantische Partnerschaft kreieren, für die Protestveranstaltungen wurde das Mitführen von "Venezianische Masken" zur Karikatur des Vermummungsverbots verboten

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Unter dem Motto "Europa und die Vereinigten Staaten: Die Erneuerung der transatlantischen Partnerschaft" beginnt am heute Abend in München die alljährliche Nato-Sicherheitskonferenz.

Die Tagung beginnt mit einem Essen zu Ehren des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili. Er hatte sich immer wieder mit besonders starker Polemik gegen Russland hervor getan. Auch die abtrünnigen Regionen Georgiens will Saakaschwili wieder in den Staatsverband eingliedern. Dabei hat er auch militärische Mittel nie ausgeschlossen. Schon mehrmals konnte eine militärische Eskalation nur in letzter Minute abgewendet werden. Denn die abtrünnigen Regionen haben Protektion von Russland. Dass ausgerechnet dem georgischen Präsidenten auf der Sicherheitskonferenz eine solche Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird, ist so auch ein Affront gegen Moskau. Außerdem rückt dadurch eine mögliche Nato-Mitgliedschaft Georgiens in den Bereich des Möglichen. Diese Symbolpolitik ist typisch für die Sicherheitskonferenz.

Sicherheitskonferenz 2005. Bild: Kai Mörk

In den vergangenen Jahren stand die Konferenz ganz im Zeichen des Streits zwischen Bundeskanzler Schröder und der US-Regierung über den Irakkrieg und die Folgen (Ein abwesender Bundeskanzler Schröder irritiert die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz). Jetzt steht mit Merkel erstmals wieder eine erklärte Atlantikerin an der Spitze der deutschen Regierung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die transatlantische Partnerschaft zu erneuern. Dass dabei Kritik an einzelnen Aspekten der US-Politik nicht ausgeschlossen ist, hatte Merkel erst vor einigen Wochen bei ihrer US-Visite demonstriert (Besuch bei Freunden).

Auf der Konferenz in München wird dem konservativen US-Senator John McCain ein Preis verliehen. Cain hat sich für ein striktes Folterverbot eingesetzt (Legalisierung von Guantanamo), aber ansonsten die Irak-Politik der US-Regierung unterstützt. Soviel Selbstbewusstsein können sich auch europäische Atlantiker erlauben, weil sie doch wissen, dass ihnen das von der US-Regierung nicht übel genommen wird, wie der Merkel-Besuch in den USA zeigte. Denn auch bei Differenzen im Detail übt man in den Hauptfragen auf den Schulterschluss.

Vereint gegen den Iran

So soll vor allem vermieden werden, dass sich bei einer Zuspitzung der Krise um den Iran erneut die Kluft zwischen einigen europäischen Ländern und den USA auftut. Diese Bemühungen werden auch von der deutschen Regierung geteilt. Der Schulterschluss gegen den Iran wird sowohl bei der politischen Klasse der USA wie Deutschlands immer wieder hervorgehoben. Die Sicherheitskonferenz wird eine weitere Gelegenheit dafür bieten, dies zu demonstrieren.

Bild: Polizeipräsidium München

Der französische Präsident Chirac hat mit seiner verklausulierten Drohung mit Atomwaffen als letztes Mittel deutlich gemacht, dass er in diesem Fall keine Allianz gegen Bush schmieden würde. Schließlich würde ihm in Berlin auch ein Ansprechpartner fehlen. Merkel hat schon deutlich gemacht, dass sie Chiracs neue Rolle vollständig unterstützt. Sie könne in den Äußerungen von Chirac keine Änderung der französischen Sicherheitspolitik sehen, betonte sie nach einer Paris-Visite.

Auch diese Haltung ist keine Überraschung. Denn schon bei der Sicherheitskonferenz im Jahr 2004, als der Streit über den Irakkrieg noch nicht verebbt war, hatte Merkel erklärt: „Um Politik und Handeln anderer Nationen zu beeinflussen und den Interessen und Werten der eigenen Nation zu diesen müssen wir alle Mitteln in Betracht ziehen .... von freundlichen Worten bis zu Marschflugkörpern“. Damit hat sie sich an die frühere US-Außenministerin Albright bezogen, die durchaus zu den Kritikern der Bush-Regierung, aber gleichzeitig zu einer Vertreterin einer selbstbewussten Außenpolitik gehört. Mittlerweile hat der ehemalige Bundesverteidigungsminister Ruprecht Scholz für Deutschland gar eine Teilhabe an Atomwaffen gefordert. Es wird sicher nicht der letzte Vorstoß in diese Richtung gewesen sein.

Die Zentrierung auf die Person des gegenwärtigen US-Präsidenten, wie sie teilweise in der Mobilisierung gegen den Irakkrieg eine große Rolle spielte, hat oft den Blick auf kriegerische Konflikte verhindert, in denen die USA nicht mitmischt. Das fördert auch schnell einfache Gut-Böse-Polaritäten. Wenn sich die Krise um den Iran zuspitzt, dürften manche Kriegsgegner von ehedem die Fronten wechseln. Schon hat etwa Michael Brumlik, ein erklärter Gegner des Irakkrieges, Verständnis einen Militärschlag gegen den Iran nicht ausgeschlossen So ist neuer Streit unter den Antimilitaristen vorprognostiziert.

Der Ablauf der für das Wochenende geplanten Proteste gegen die Sicherheitskonferenz wird zeigen, wie mobilisierungsfähig die Kriegsgegner heute noch sind.

Verboten wurde, so eine Pressemitteilung des Polizeipräsidiums München, "das Mitführen und Tragen von Gesichtsmasken, mit denen das Vermummungsverbot karikiert werden soll."

Das Münchner Kreisverwaltungsreferat schrieb im "Auflagenbescheid" an die Veranstalter der Proteste:

"Dem PP München liegen Erkenntnisse vor, dass bei dem Aufzug am 4.2.06 eine Vielzahl von Versammlungsteilnehmern mittels Benutzung von Gesichtsmasken das Vermummungsverbot 'karikieren' will. Auch wenn die Benutzung dieser Masken grundsätzlich nicht darauf abzielt, eine Identifizierung zu verhindern und somit vom Vermummungsverbot nach § 17a VersammlG nicht erfasst ist, besteht durch das massenhafte Verwenden dieser Gesichtsverdeckungen die Gefahr, dass aus der der Anonymität dieser 'Masse' heraus Straftaten oder Ordnungswidrigeiten, insbesondere bei der zu erwartenden Atmosphäre innerhalb des Aufzuges, begangen werden... Das Mitführen und Verwenden von Gesichtsmasken wird den Teilnehmern/-innen untersagt. Hierunter fallen auch die Masken, die an einer Stabhalterung befestigt sind und nur zeitweise vor das Gesicht gehalten werden (sog. 'Venezianische Masken')."

Verbotene Gesichtsmasken zur Karikierung des Vermummungsverbots. Bild: muenchner-friedensbuendnis.de

Das Aktionsbündnis sieht in diesem Verbot der Venezianischen Masken, die nicht unter das Vermummungsverbot fallen, eine Verletzung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit:

"Tatsächlich handelt es sich bei den vom KVR als "Venezianische Masken" bezeichneten Demonstrationsmitteln um eine sehr originelle Form des Protests gegen die Polizeipraxis des Abfilmens und Abfotografierens der DemonstrationsteilnehmerInnen. Dass dadurch irgendwelche Straftaten ermöglicht werden sollen, ist ein absurdes Hirngespinst. Wir beanspruchen das im Grundgesetz verankerte Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit – ohne von der Polizei registriert zu werden.