Teurer Kaffeeklatsch

Ausnahmezustand in Mecklenburg-Vorpommern beim Bush-Besuch Mitte Juli

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Kaum werden wir uns von der WM und den damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen erholt haben, steht das nächste Großevent ins Haus: der Besuch des US-Präsidenten George W. Bush am 13./14. Juli 2006 in Mecklenburg-Vorpommern - und damit „Alarmstufe Rot“ in weiten Teilen des nördlichen Bundeslandes. Der Ausnahmezustand bedeutet zeitweilige Ausgangssperre für Einheimische und Sommerurlauber, Straßensperren über Hunderte von Kilometern und ein gigantisches Polizeiaufgebot.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident George W. Bush hatten im Mai bei einem Treffen im Weißen Haus den Besuch in Stralsund verabredet. Foto: Regierungonline/Kühler

Sie möchte ihm ihre Heimatregion zeigen, lud Angela Merkel ihren amerikanischen Amtskollegen Bush ein (Begehrte Vermittlerin). Eigentlich ein feiner Zug der Bundeskanzlerin, denn die Deutschen sind in der Welt nicht gerade für ihre Gastfreundschaft bekannt. Doch Merkel und Bush sind nicht irgendwer, sie treffen sich nicht zufällig, nicht nur zum Klönen und schon gar nicht irgendwo: Bushs Stippvisite ist der sicherheitspolitische Probelauf für den G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007.

Das George W. die Einladung von Angie angenommen hat, empfindet die Friedensbewegung als „Provokation“ und ruft bundesweit zu Protestaktionen auf. Unter dem Motto „Kriege beenden - Kriegsplanungen stoppen" soll am 14. Juli 2006 eine zentrale Demonstration gegen den Bush-Besuch in Stralsund sowie am 13. und 15. Juli 2006 landesweit Aktionen durchgeführt werden. Derzeit sind die zuständigen Behörden bemüht, die Demo in Stralsund zu untersagen, die Friedensbewegung rechnet aber damit, dass ein Verbot einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten würde. Bush soll dabei vor allem den Unmut der bundesdeutschen Bevölkerung gegen den drohenden Iran-Krieg demonstriert werden. Laut Bundesausschuss Friedensratschlag sollen 77% der Deutschen ein militärisches Vorgehen gegen Iran "rundweg" ablehnen.

Die Friedensbewegung stehe dem Mullah-Regime und dem iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad kritisch gegenüber, heißt es in einer Stellungnahme des Friedensratschlags. Trotzdem fühlten deren Repräsentanten sich offensichtlich nicht veranlasst, sich zu dem geplanten WM-Besuch des bekennenden Antisemiten aus Teheran und der tatsächlichen Anwesenheit des iranischen Vizepräsidenten Mohammed Aliabadi beim Iran-Spiel in Nürnberg zu äußern. Ahmadinedschads Auschwitz-Leugnungen sind mehr als eine Provokation: sie sind eine Verhöhnung der Opfer und Überlebenden sowie deren Angehörigen, außerdem in der BRD ein Straftatbestand.

Kaffee trinken mit Angela Merkel ist nicht verboten, sondern eine diplomatische Gepflogenheit. Trotzdem ist es verständlich, dass die Friedensbewegung angesichts des Bush-Besuches nicht in Jubel ausbricht. Dennoch wäre es wünschenswert, dass nicht nur die Politik des US-Präsidenten, sondern auch die des Regimes in Teheran öffentlich kritisiert würde, statt Ahmdinedschad als armes Opfer der internationalen Atommafia zu beklagen und das Terrain der Regimekritik dem bayrischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) zu überlassen.

Tausende von Polizisten im Einsatz für den Kurzbesuch

Die Aktionen der Friedensbewegung empfinden die zuständigen Politiker ihrerseits als Provokation und rüsten auf - und zwar richtig. Der Kurztrip des US-Präsidenten an die Ostsee geht einher mit einem riesigen Polizeiaufgebot und bisher in Mecklenburg-Vorpommern nie da gewesenen Sicherheitsmaßnahmen: Mindestens 7.000 Bereitschaftspolizisten, zudem Sondereinsatzkommandos, Scharfschützen, Hubschrauber- und Spürhundstaffeln und Taucher - insgesamt etwa 15.000 Polizisten - sollen im Einsatz sein. Das berichtete das Hamburger Abendblatt und bezieht sich dabei auf ein internes Schreiben des Innenministeriums in Schwerin, das der Hamburger Redaktion vorläge. Demzufolge wird außerdem ein 800-1.200-köpfiges US-Sicherheitsteam, darunter ebenfalls Scharfschützen, den Präsidenten begleiten.

Im Vorfeld werden etwa ein Dutzend Spezialbeamte aus den USA einreisen und die Sicherheitsvorkehrungen der bundesdeutschen Kollegen checken, u. a., ob alle Gullideckel zugeschweißt und die Briefkästen abgebaut sind. Laut Abendblatt soll Bush per Hubschrauber von Ort zu Ort gebracht werden. Im Programm enthalten seien Besuche in Stralsund und Heiligendamm, geplant außerdem ein Bad in der Menge sowie eine Begegnung mit den Einwohnern des Dorfes Trinwillershagen, so das Springer-Blatt. Damit Bush sich frei bewegen könne, solle ein Straßennetz von ca. 400 km gesperrt werden. Für die einheimische Bevölkerung und die Sommerurlauber bedeutet das drastische Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit.

Doch nicht nur der Friedenbewegung bereitet der Bush-Besuch Kopfzerbrechen, auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, runzelt skeptisch die Stirn. "Tausende Polizeibeamtinnen und -beamte sind nach der Fußballweltmeisterschaft in Großeinsätzen verplant. Der Bürger muss sich langsam fragen, ob die Polizei überhaupt noch für ihn da ist oder die Sicherung von Mega-Events", kritisierte Freiberg in einer Pressemitteilung der GdP. Die Liste der von Freiberg angesprochenen Events scheint endlos: Neben dem Bush-Besuch in Mecklenburg-Vorpommern steht die Love-Parade in Berlin an, im September besucht der Papst Bayern, im Herbst fordert die fünfte Jahreszeit im Wendland - die Proteste anlässlich der Castor-Transporte - ihren Tribut und neben all dem laufen die Sicherheitsplanungen für den G8-Gipfel in Heiligendamm im nächsten Jahr. Dabei hätten die Beamtinnen und Beamten bereits durch die WM Millionen von Überstunden angehäuft, so Freiberg.

Unterdessen streiten sich die politisch Verantwortlichen über die Finanzierung des Bush-Besuches. In seltener Eintracht fordern die Schweriner Koalitionspartner SPD und Linkspartei die Übernahme der Kosten von der Bundesergierung. Schließlich habe Merkel Bush eingeladen und ein so kleines und noch dazu armes Bundesland könne nicht für Bundesbelange aufkommen, betonten sowohl Innenminister Gottfried Timm (SPD) als auch die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Schweriner Landtag, Angelika Gramkow, gegenüber der Presse