Trickreiches Atomabkommen mit Indien

Mit der Unterzeichnung des umstrittenen Atomabkommens setzte US-Präsident Bush in gewohnter Manier viele der vom Kongress geforderten Einschränkungen und Verpflichtungen stillschweigend wieder außer Kraft

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US-Präsident Bush hat bereits Hunderte von Gesetzen mit Vorbehalten unterzeichnet, dass die Regierung an wesentliche Bestandteile nicht gebunden ist. Diese von Bush ausgebaute Praxis hebelt im Grunde den Kongress, also die Legislative, aus und wurde vom Weißen Haus oft mit der Machtbefugnis des Präsidenten begründet, die ihm als obersten Kriegherrn zukommt. Überdies wird die Macht mit der höchst umstrittenen "Unitary Executive Theory" begründet, nach der der Präsident aufgrund seiner Kontrolle über die gesamte Exekutive die Gesetze an diese anpassen kann und damit die Macht des Kongresses einschränkt. Kritiker sehen in dieser Praxis eine Aushebelung der Gewaltenteilung und der Demokratie (Das Gesetz bin ich).

US-Präsident Bush unterzeichnet das Atomhandelsabkommen mit Indien. Bild: Weißes Haus/e. Draper

Bei der Unterzeichnung des umstrittenen Atomenergie-Abkommens hat Bush erneut Einschränkungen der Geltung des vom Kongress beschlossenen Gesetzes in wichtigen Punkten vorgenommen. Das "strategische" Abkommen, das vom Weißen Haus als "historisch" gefeiert wird, ist eine Anerkennung von Indien als Atomstaat und legitimiert so nachträglich eine heimliche nukleare Aufrüstung (Nuklearpakt zu Lasten der Sicherheit). Überdies hat die US-Regierung nicht einmal darauf gedrungen, dass Indien den wichtigen internationalen Abkommen wie den Atomwaffensperrvertrag tatsächlich beitritt. Ebenso wird nur gesagt, dass Indien und Pakistan die Herstellung von atomwaffenfähigem Material möglichst bald einstellen sollen. Nur die zivile Atomenergie soll für internationale Prüfungen geöffnet werden.

Mit dem Abkommen soll Indien mehr Energie aus der "sicheren zivilen Kernkraft" gewinnen. Das Weiße Haus gibt auch damit auch als Klimaschützer. Mehr Atomenergie würde den jetzt Verbrauch von Kohle zur Energieerzeugung senken und den globalen Energiemarkt entlasten, weil Indien nicht so viele fossile Brennstoffe importieren müsste. Das Abkommen soll beiden Ländern wirtschaftlich zugute kommen und überdies die Sicherheit erhöhen. Besonders der letzte Punkt wird von vielen bezweifelt.

Die Bush-Regierung setzt mit dem Abkommen ein Zeichen, dass heimliche nukleare Waffenprogramme schließlich anerkannt werden, wenn dafür wirtschaftliche und militärische Interessen sprechen, während Länder, die vom Weißen Haus als Gegner betrachtet werden, ebenso willkürlich unter Druck oder mit militärischen Interventionen bedroht werden. Überdies unterstützt die USA mit der Lieferung angeblich ziviler Nukleartechnologie direkt oder indirekt die weitere Aufrüstung Indiens, wodurch sich auch das Kräfteverhältnis in der Region zwischen den Atommächten Pakistan, China, Russland und Nordkorea (?) keineswegs notwendig in Richtung höherer Sicherheit für den Weltfrieden verschieben könnte. Die europäischen Regierungen und die EU haben dem weitgehend ohne Kritik zugeschaut.

Die Bush-Regierung begründete das strategische Abkommen damit, dass Indien und die USA durch viele gemeinsame Werte verbunden seien, nicht zuletzt durch den gemeinsamen "Krieg gegen den Terrorismus". Indien ist eine Demokratie, ein Rechtsstaat und eine "offene Gesellschaft", wird betont, man sei Partner im Welthandel und sorge auch gemeinsam für den Umweltschutz.

Mit der Unterzeichnung hat Bush die Passagen, die lediglich formulieren, dass Indien internationalen Abkommen zur Nichtverbreitung von Atomwaffen anerkennen und beitreten soll, in einem der üblichen Statements wieder aufgehoben. Das könne die Regierung, die für die Außenpolitik zuständig ist, nur als Ratschläge anerkennen. Aufgehoben werden auch alle möglichen künftigen Einschränkungen für die Lieferung von Atommaterial, die von der Nuclear Supplier Group (NSG) ausgesprochen werden können. Das hat insofern Bedeutung als NSG für Lieferungen von Atommaterial verlangt, dass das importierende Land alle Atomanlagen der IAEA öffnet. Indien will aber nur die rein zivilen Anlagen den Inspektoren zugänglich machen. Begründet werden diese Einschränkungen für die Bindung der USA an internationale Abkommen, weil dadurch nicht verfassungsgemäß legislative Macht an internationalen Organisationen delegiert werden könnte.

Darüberhinaus behält sich der Präsident vor, dem Kongress Informationen nicht übergeben zu müssen, wenn dadurch nach der von ihm beanspruchten verfassungsmäßigen Macht die auswärtigen Beziehungen, die nationale Sicherheit, das Funktionieren sowie der Verfassungsauftrag der Exekutive beeinträchtigt würden. Das betrifft beispielsweise die im Gesetz beschlossene jährliche Unterrichtung über den Fortschritt Indien zur Einhaltung internationaler Abkommen. Im Grunde entzieht damit Bush dem Kongress jede Möglichkeit der Kontrolle über die aufgrund des Abkommens vollzogenen Geschäfte mit Indien.