Winter 2006/2007 bricht Wärmerekord

Umweltminister der G-8-Staaten haben in Potsdam mit Kollegen aus Schwellenländern über internationalen Klimaschutz gesprochen und erzielten einen vagen Kompromiss - ohne USA

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In Potsdam haben sich von Donnerstag bis Samstag die Umweltminister der G-8-Staaten gemeinsam mit Kollegen aus den wichtigsten Schwellenländer getroffen, um über internationalen Klimaschutz zu beraten. Konkrete Ergebnisse gab es nicht. US-Meteorologen bestätigen unterdessen, dass der zurückliegende Winter auf der ganzen Nordhalbkugel der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen war.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hatte schon im Vornherein die Erwartungen niedrig gehängt. Konkrete Ergebnisse, ließ er am Mittwoch verlauten, seien vom Treffen der G-8-Umweltminister nicht zu erwarten. Diese hatte Gabriel zu einem informellen Treffen nach Potsdam eingeladen. Mit von der Partie waren die Umweltminister Mexikos, Chinas, Brasiliens, Südafrikas, Indiens sowie die Chefs der UN-Umweltorganisation UNEP, Achim Steiner, und des Sekretariats der UN-Klimarahmenkonvention, Yvo de Boer. Dass man das Treffen als informell klassifizierte, hatte den Vorteil, dass es keinen Zwang zu einem gemeinsamen Abschlusskommuniqué gab. Das könnte uns manche Leerformel erspart haben.

Es sollte über die Erhaltung der biologischen Vielfalt und vor allem über Klimaschutz gesprochen werden. Die meisten Staaten haben inzwischen die Klimarahmenkonvention unterschrieben und ratifiziert, selbst die USA. Damit haben sie sich verpflichtet, gefährliche Klimaveränderungen abzuwenden. So weit die Theorie. Das etwas später ausgehandelte Kyoto-Protokoll enthält die ersten, aber unzureichenden Ausführungsbestimmungen. Die Industriestaaten sollen bis zur Periode 2008-2012 ihre Emissionen um durchschnittlich 5,2 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 reduziert haben. Da ist angesichts des Problems weniger als wenig, und es ist vor allem befristet. Das Kyoto-Protokoll läuft in knapp sechs Jahren aus, und es ist noch kein Nachfolgeabkommen in Sicht.

Darüber wollte Gabriel mit seinen Kollegen sprechen. Allgemein wird gehofft, dass der G-8-Gipfel, der im Sommer im Ostseebad Heiligendamm in der Nähe Rostocks stattfinden wird, den Klima-Verhandlungen einen neuen Schub gibt. Die Umweltminister sollten das ein wenig vorbereiten. Gabriel gab sich nach dem Treffen in Potsdam optimistisch:

Bei dem Treffen wurde deutlich, dass für einen echten Durchbruch die Bandbreite internationaler Umweltverhandlungen vergrößert werden muss. Wirtschaftliche und soziale Entwicklung, Armutsbekämpfung oder der Zugang zu bezahlbarer Energie und Rohstoffen gehören mit in ein Gesamtpaket. Bundesumweltminister Gabriel: "Wir können die Blockaden bei den internationalen Verhandlungen aufbrechen, wenn wir nicht mehr übereinander, sondern miteinander reden. Gegenseitige Schuldzuweisungen wurden in Potsdam außen vor gelassen."

Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums

Außenseiter US-Regierung

Das ist immerhin ein deutlich anderer Ton, als jener, der von der US-Delegation in Potsdam zu hören war. Die Vertreter der US-Regierung zeigten sich nicht bereit, die Verantwortung der Industrieländer für den Klimwandel zu akzeptieren. Vor allem mochte man nicht anerkennen, dass auch in vielen Entwicklungsländern schon manches für den Klimaschutz unternommen wird, auch wenn es dort keine Verpflichtung zur Reduktion der – vergleichsweise niedrigen – Treibhausgasemissionen gibt. In Washington hat man offensichtlich immer noch Schwierigkeiten, ein wesentliches Prinzip der Rahmenkonvention zu akzeptieren. Demnach haben die Länder eine „gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung“. Das konnten die Entwicklungsländer seinerzeit zum einen durchsetzen, weil ihre Emissionen gemessen an der Bevölkerungszahl wesentlich niedriger als die des Nordens sind und weil sie Spielraum brauchen, um sich wirtschaftlich entwickeln zu können.

Aber wie es aussieht, standen die USA mit ihrer Position in Potsdam allein auf weiter Flur. Die israelische Zeitung Ha'aretz fasste die widersprüchlichen Ergebnisse in ihrer Schlagzeile folgendermaßen zusammen: „G8 climate consensus emerging, U.S. odd man out“. Ob man allerdings von einem Konsens sprechen kann, wenn der weltgrößte Produzent von Treibhausgasen, dessen Emissionen zudem noch immer kräftig wachsen, außen vor steht, ist fraglich. Allerdings besteht mit der neuen öffentlichen Debatte in den USA über die drohende Klimakatastrophe und dem Wahlsieg der Demokraten eine gewisse Chance, dass in Washington demnächst eine Regierung antritt, die nicht mehr an die kurze Leine des Big Oil gelegt sein wird.

Sündenbock China

Eines wird sich die US-Politik aber wahrscheinlich nicht so bald abgewöhnen können: das Vorführen Chinas als Sündenbock. Die Volksrepublik muss nicht nur herhalten, wenn mal wieder irgendwo zwischen Atlantik und Pazifik Jobs verloren gehen. Sehr beliebt ist bei der US-Regierung auch, immer wieder darauf zu verweisen, dass China die USA irgendwann demnächst als größter Verursacher von Treibhausgasen überholen wird. Wenn nur die USA die Treibhausgase verringern müssten, aber China nicht, sei das unfair. Dass in China 1,32 Milliarden Menschen leben, in den USA aber bloß knapp 300 Millionen, wird dabei natürlich geflissentlich übersehen.

Derweil hat nach einem Bericht Chinas Umweltminister Xie Zhenhua in Potsdam angekündigt, seine Regierung werde demnächst einen nationalen Plan zur Bekämpfung des Klimawandels vorlegen. Zu allererst solle die Energieeffizienz der chinesischen Wirtschaft bis 2010 um 20 Prozent erhöht werden. Der Anteil der erneuerbaren Energieträger werde bis dahin auf zehn Prozent steigen. Außerdem soll das Methan aus den Kohlegruben besser genutzt werden, das bisher meist in die Atmosphäre entweicht, wo es als wesentlich effektiveres Treibhausgas wirkt als das Kohlendioxid (CO2).

Ein Teil dieser Ziele ist bereits im derzeit gültigen Fünf-Jahresplan enthalten. Hochrangige Regierungsmitglieder haben allerdings in letzter Zeit wiederholt eingestanden, dass man bei der Erfüllung der Ziele nicht im Zeitplan liegt. Besonders beim sparsameren Einsatz der Energie scheint es zu hapern. Man darf also gespannt sein, ob der nationale Aktionsplan Anhaltspunkte bieten wird, wie diese Blockaden überwunden werden können. Am politischen Willen scheint es dafür in Peking jedenfalls nicht zu mangeln. Dass auch China durch den Klimawandel sehr viel zur verlieren hat, ist der Regierung der Volksrepublik durchaus bewusst.

Eine Antwort auf die Frage, ob China für die Nach-Kyoto-Zeit Reduktionsziele für Treibhausgase akzeptieren würde, vermied Xie allerdings, berichtet Reuters. Mit gutem Grund. Während in Deutschland die jährlichen Pro-Kopf-Emissionen immer noch bei rund zehn Tonnen CO2-Äquivalenten (die anderen Treibhausgase wie Methan werden in CO2 umgerechnet) liegen und in den USA gar bei etwas über 20, so beträgt in China dieser Wert nur über drei oder auch über vier Tonnen Pro Kopf und Jahr. Die Angaben über die chinesischen Emissionen schwanken etwas. Die höchsten sind die der Internationalen Energie Agentur, die für 2004 Pro-Kopf-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger von 3,65 Tonnen angibt. Dazu würden dann noch die Emissionen aus der Zementproduktion hinzu kommen, die den Wert auf über vier Tonnen pro Kopf und Jahr drücken dürften. Das ist aber immer noch wesentlich weniger als in den meisten Industrienationen. Vor allem hat China bis vor kurzem noch deutlich niedrigere Emissionen gehabt und hat somit im Gegensatz zu den reichen Ländern nichts zur bisherigen Akkumulation der Treibhausgase in der Atmosphäre beigetragen.

Weltweit waren die letzten drei Monate viel zu warm

Temperaturanomalien im Winter 2006/2007. Gezeigt werden die Abweichungen vom Mittel der Jahre 1961 bis 1990. Nur ganz vereinzelt war es in einigen Regionen kälter als normal, während es überall sonst, nicht zuletzt in Europa und im hohen Norden, deutlich zu warm war. In den USA heben sich übers ganze Land gemittelt die Abweichungen in etwa auf. Das verstellt allerdings den Blick auf die Extreme: Im Nordosten der USA war es zunächst viel zu warm, im Februar sackte dann allerdings die Quecksilbersäule drastisch ab, so dass im Nordosten und im Gebiet um die Großen Seen die Temperaturen weit unter den Durchschnitt fielen. Grafik: NOOA

Unterdessen meldet die US-Behörde für Meteorologie und Ozeanographie NOAA, dass der Winter 2006/2007 im globalen Maßstab der mildeste war, der jemals beobachtet wurde. Astronomisch endet der Winter zwar erst in ein paar Tagen mit der Tag-und-Nacht-Gleiche am 21. März, der meteorologische Winter umfasst jedoch die Monate Dezember, Januar und Februar.

In diesen drei Monaten war es im globalen Mittel um 0,72 Grad Celsius zu warm, wenn man das Mittel der Jahre 1961 bis 1990 zum Maßstab macht. Besonders der Januar fiel aus dem Rahmen. Beigetragen hat dazu auch El Niño, ein Wetterphänomen im tropischen Pazifik, das alle paar Jahre auftritt. Während eines El-Niño-Ereignisses erwärmt sich die Wasseroberfläche des Pazifiks entlang des Äquators. In normalerweise extrem trockenen Küsten Perus und Nordchiles kommt es zu katastrophalen stark Niederschlägen, während am anderen Ende des Pazifiks der Regen in sonst niederschlagsreichen Gebieten ausbleibt. El-Niño-Jahre sind gewöhnlich im globalen Maßstab überdurchschnittlich warm. Allerdings hat sich El Niño laut NOAA bereits im Februar schon abgeschwächt – was ungewöhnlich früh wäre –, so dass sich die Bedingungen im Pazifik bereits wieder normalisiert haben.

Ausgewählte Unwetter im Februar. Die schweren tropischen Wirbelstürme im indischen Ozean – vergleichbar mit den Hurrikanen im südlichen Nordatlantik – schafften es hierzulande kaum in die Schlagzeilen, obwohl sie insbesondere in Mosambik erhebliche Verwüstungen und Überschwemmungen verursachten. Grafik: NOAA

Doch auch ohne El Niño war der vergangene Winter global gesehen ganz ungewöhnlich warm. Was hierzulande manchen den Kopf über das Wetter schütteln ließ, war kein regionales Phänomen, sondern erstreckte sich über fast alle gemäßigten und arktischen Regionen der Nordhalbkugel. Nur im Mittleren Westen der USA, auf der arabischen Halbinsel und im Irak war es etwas zu kühl. Selbst auf der sommerlichen südlichen Halbkugel war es in einigen Regionen zu warm, wie zum Beispiel im südlichen Brasilien, wo die Thermometer bis auf 40 Grad Celsius kletterten.

Mit den ungewöhnlichen Temperaturen haben sich auch die Niederschläge verschoben. Nordwesteuropa bekam deutlich mehr als sonst ab, in der Mittelmeerregion blieb es hingegen zu trocken. Mancherorts werden sich wahrscheinlich die Wasserspeicher nicht ausreichend aufgefüllt haben. Die Trockenheit in Südeuropa, Nordafrika und dem Nahen Osten ist insofern bemerkenswert, als sie den Vorhersagen der meisten Klimamodelle entspricht, die den Mittelmeeranrainern erhebliche Wasserprobleme in einem wärmeren globalen Klima prognostizieren.

Verteilung der Niederschläge. Gezeigt werden die Abweichungen vom Mittelwert der Jahre 1961 bis 1990. Über den britischen Inseln regnete es zu viel, was aber besonders England gebrauchen konnte, denn dort hat es in den letzten Jahren viel zu wenig Niederschläge gegeben. In Verbindung mit gebietsweise vollkommen maroden Wasserrohren hat das mancherorts bereits zu Versorgungsengpässen geführt. Auffallend ist der Niederschlagsmangel in der Mittelmeerregion, insbesondere in der Levante (östliches Mittelmeer). Grafik: NOOA