Ab wann ist ein externer Link auf strafrechtlich relevante Inhalte selbst strafbar?

Wieder gibt es einen Präzedenzfall, nur ist diesmal nicht die linke Angela Marquardt, sondern eine rechte Homepage betroffen.

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Noch ist das Web ein unüberschaubares Geflecht von Links, über die man mitunter auch über kurz oder lang zu Sites kommt, die anstößige und strafrechtlich relevante Inhalte anbieten. Die Sites bleiben in ihren Inhalten nicht gleich, sondern verändern sich, weswegen man ohne permanente Überprüfung nie genau weiß, was sich auf einer Homepage befindet, zu der man einmal einen Link gelegt hat. Die Rechtsprechung freilich ist national, was die Sache natürlich kompliziert werden läßt. Was im einen Staat erlaubt ist, mag in einem anderen verboten sein.

Auch bei einer UNO-Konferenz ging es jüngst um die sogenannten "Haß-Seiten" im Internet, die zu Gewalt und Diskriminierung aufrufen und gegen das internationale Abkommen gegen Rassendiskriminierung verstoßen. Besonders in den USA gibt es viele derartigen Web-Sites von Gruppen wie dem Ku Klux Klan oder den Aryan Nations, aber hier geht man davon aus, daß Internet Provider nicht als Zensoren handeln sollten und das Recht auf Meinungsfreiheit eines der höchsten Güter sei. Die Möglichkeiten einer umfassenden Kontrolle werden allerdings überhaupt als sehr schwierig, wenn nicht unmöglich betrachtet. Auch wenn in manchen Staaten Internet Provider für den Inhalt in ihrem Angebot verantwortlich gemacht werden, lassen sich vor allem die im Prinzip unendlich miteinander verketteten Hyperlinks nicht kontrollieren, wenn man das Web nicht zerstören will.

Das Problem hat sich unlängst beim Verfahren gegen Angela Marquardt von PDS gezeigt, die auf ihrer Web-Site einen Link nach Holland zur in Deutschland verbotenen Zeitschrift Radikal gelegt hatte, in der sich ein Artikel zur Sabotage von Zugstrecken befand. Der Vorwurf lautete auf Beihilfe zur Anleitung zu einem gemeingefährlichen Vergehen. Angela Marquardt wurde freigesprochen (siehe den Bericht von Sabine Helmers), aber über die mögliche Strafbarkeit von Hyperlinks wurde nicht entschieden. Die Rechtslage ist weiterhin ungeklärt. Es ging vor allem darum, inwieweit Angela Marquardt Kenntnis von den verbotenen Texten hatte. Wenn diese nicht nachgewiesen werden kann, läßt sich auch nicht von einer willentlichen Verbreitung oder gar Beihilfe ausgehen. Und es ging darum, wann der Link auf Radikal gelegt wurde. Wäre ein Link auf jeden Fall strafbar, so würde auch jede Suchmaschine unter dieses Verdikt fallen. Entscheidend ist natürlich aber auch, mit wievielen Schritten man über einen Link auf einen inkriminierten Inhalt kommt. was bei einem direkten Link noch einleuchten mag, wird bei jedem weiteren Link schon schwieriger.

Einen ganz ähnlich gelagerten Fall gibt es auch jetzt wieder, nur daß der Beschuldigte diesmal nicht aus dem linken, sondern aus dem rechten Lager stammt. Das Bayerische Landsamt für Verfassungsschutz sprach nach dem ersten Web-Auftritt im März 1996, so die Augsburger Allgemeine, von einem Angebot mit einer "in Deutschland bislang einmaligen intensiven Qualität und Unverfrorenheit". Man will hier Kontakte zu Gleichgesinnten herstellen, gibt Rat zum Gang ins Internet, bietet PGP oder Steganographie an und gibt Links nicht nur zu Gesinnungsfreunden, sondern auch zu den linken Feinden und "Zecken" im Netz. Am 27.11.1997 fand bei Ernst Ellert, einem der Herausgeber der mit der NPD verbundenen Web-Site Der Aufbruch eine Hausdurchsuchung statt. Im Durchsuchungsbeschluß wurde folgender Tatverdacht vorgebracht:

"Der Beschuldigte unterhält im Namen des Kreisverbandes Augsburg-Stadt der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) eine Mailbox, über die im Internet rechtsextremistisches Gedankengut abgerufen werden kann. ... Außerdem ermöglicht der Beschuldigte über eine Homepage, daß dritte Personen sich über das Internet Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen besorgen können. Auf Seite 2 seiner Homepage wirbt der Beschuldigte unter dem Stichwort 'Arbeitskreis' u.a. für 'Neue Medien und Techniken'. In dieser Textdatei wird u.a. der Nationalismus im Internet näher dargestellt, insbesondere befindet sich [dort] ein Hinweis auf die Homepage 'Stormfront', die von der amerikanischen CompuServe GmbH weltweit verbreitet wird. Über den Hinweis 'Graphics Library' gelangt man zu einer Graphikdatei, die eine Reihe von unter § 86 a StGB fallende Kennzeichen 'Hakenkreuze, SS-Runen u.a.' enthalten und jederzeit abgerufen und ausgedruckt werden können. Die Auswahl und Anzahl der Querverweise 'Links', die vom Beschuldigten in seiner Homepage verwendet werden, beweisen, daß er den Erfolg der Haupttat - nämlich das öffentliche Verwenden derartiger strafrechtlich relevanter Abbildungen - selbst will."

Ernst Ellert macht sich in seiner Stellungnahme erst einmal über einige Fehler lustig. Der "Aufbruch" sei keine Mailbox, sondern eine Web-Site, er sei auch kein Angebot der NPD, sondern eine unabhängige, wenn auch mit der Partei verbundene Publikation, was auch auf der Homepage explizit gesagt wird.

Tatsächlich finden sich hier Links zu allen möglichen rechten Gruppierungen und Dokumenten in Deutschland und anderswo. Solange diese nicht verboten sind, läßt sich dagegen nichts machen, es sei denn, daß die "Auswahl und Anzahl der Querverweise" tatsächlich beweisen würden, daß der Beschuldigte "das öffentliche Verwenden strafrechtlich relevanter Abbildungen selbst will". Der Link freilich ging nicht auf dieses Material, sondern lediglich auf die Homepage von "Stormfront". Setzt ein solcher Link bereits eine Billigung aller Inhalte einer Web-Site oder gar einen öffentlichen Aufruf zur Verwendung angebotener Inhalte voraus?

Ellert verweist darauf, daß der Link zu Stormpage bereits seit März 1996 vorhanden gewesen sei und daß, laut Augsburger Allgemeine, "Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben bislang keine Möglichkeit (haben) einzuschreiten." Daher seien damals möglicherweise die beanstandeten Symbole noch nicht über Stormfront erreichbar gewesen, oder Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft hätten sie ebenfalls übersehen. Jetzt habe er den Vorwurf nachgeprüft, die beanstandeten Inhalte über zwei Zwischenschritte entdeckt und den Link gelöscht. Ellert behauptet, nichts davon gewußt zu haben, und moniert, daß externe Links zu anderen Web-Sites prinzipiell in der Gefahr schweben, irgendwann zu möglichen inkriminierten Inhalten führen zu können, da man "über deren Inhalte und Änderungen keine Kontrolle" habe. Die permanente Überprüfung aller Links mit den darin angebotenen weiterführenden Links würde "technisch, zeitlich und finanziell" alle überfordern. Man stelle sich nur einmal vor, welche Aufgabe allein Telepolis bevorstünde, wenn regelmäßig oder gar täglich alle einmal gelegten externen Links mit weiteren Zwischenschritten überprüft werden müßten.

Würde man einmal davon ausgehen, daß Ellert von den beanstandeten Inhalten tatsächlich nichts gewußt hat, oder könnte man ihm dies nicht nachweisen, dann handelt es sich bei dieser Beschuldigung um eine Neuauflage des Vorwurfs an Angela Marquardt und wieder um einen Präzedenzfall, der, unabhängig von der Beurteilung der politischen Gesinnung, einer endgültigen Entscheidung harrt: Wann und bis zu wievielen Zwischenschritten ist ein Link auf strafrechtlich relevante Inhalte selbst strafbar? Wie oft müssen Links überprüft werden? Diese und ähnliche Fragen müssen grundsätzlich entschieden werden. Geht man nur gegen linke und rechte Anbieter vor, so entsteht der Eindruck, als würde man nur politisch Mißliebige verfolgen wollen. Ellert nutzt die Beschuldigung auch bereits aus, um davon zu sprechen, daß hier "bewußt und auf höhere Anweisung der erste Schritt zu einem gefilterten 'BRD-Intranet' getan werden" könnte.