Bedrohen die iranischen Raketen Europa?

Das Pentagon und die iranische Regierung ziehen plötzlich am selben Strang, natürlich aus entgegen gesetzten Propagandastrategien

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Letzte Woche hat Iran mehrere Raketentests durchgeführt. Dabei soll, wie die Revolutionären Garden behaupteten, auch eine neue Shahab-3-Rakete mit einer Reichweite von 2000 km abgefeuert worden sein. Allerdings haben dies Experten, auch aus dem Pentagon, bezweifelt, während ein von iranischen Medien manipuliertes Foto von einem Raketentest die Glaubwürdigkeit der iranischen Behauptungen weiter in Frage stellte (Gefälschte Bilder und Raketen?).

Vermutlich das Originalbild

Während Iran drohte, im Falle eines Angriffs Ziele in Israel und US-Militärschiffe ins Visier zu nehmen, argumentiert die russische Regierung, dass iranische Raketen auch jetzt noch keine Bedrohung Europas darstellen würde. Deswegen mache auch die Raketenabwehr, die das Pentagon in der Tschechischen Republik und in Polen stationieren will, keinen Sinn, wenn damit, wie die US-Regierung behauptet, Raketen aus Iran abgewehrt werden.

Das wollte man im Pentagon und vor allem in der für das Raketenabwehrsystem zuständige Missile Defense Agency lieber doch nicht so stehen lassen, könnte es doch tatsächlich die Argumentation der Bush-Regierung, dass demnächst iranische Langstreckenraketen mit nuklearen Sprengköpfen Europa bedrohen würden, aushebeln. Nachdem die US-Regierung mit der Absicht, zwei Stützpunkte des Raketenabwehrsystems an der Grenze Russlands einzurichten – nachdem Polen nicht mitzieht, möglicherweise noch weiter nördlich in Litauen –, wieder in ein Wettrüsten mit Russland und in den möglichen Beginn eines neues Kalten Krieges eingetreten ist, muss die fragwürdige Bedrohung mit den iranischen Raketen auch dann aufrechterhalten werden, wenn sie auf absehbare Zeit noch existiert – sowohl was die Raketenreichweite, als auch was die Herstelung von Atomwaffen betrifft.

Luftwaffengeneral Henry A. “Trey” Obering, Chef der MDA, der sein auch in den USA umstrittenes und teures Raketenabwehrsystem nicht schon dem Amtsantritt des neuen Präsidenten gefährden will, hat also am Dienstag bekräftigt, dass Iran tatsächlich eine Mittelstreckenrakete mit einer Reichweite von 2000 km abgeschossen hat – zumindest in der Version des Pentagon-Artikels über seine Präsentation vor der Presse. So ergänzen sich die Propagandastrategien der Gegner. Die Rakete sei ein "Beispiel für die konkrete Bedrohung" durch die Entwicklung von Langstreckenraketen besonders in Iran und Nordkorea. Dagegen habe man die USA und ihre Alliierten durch die Entwicklung des Raketenabwehrsystems schützen müssen, rechtfertigt Oberon das Milliardenprojekt. Was die Reichweite der iranischen Rakete und die Raketentests betrifft, war Oberon allerdings im Wortlautvorsichtiger, als man dies dem Pentagon-Artikel entnehmen kann:

What I can say is that the Iranians themselves are describing their launches as a -- the one as a 2,000- kilometer range missile launch. They also made that claim last year, in November, a 2,000-kilometer missile launch.

I believe, based on what I have seen, that they have the ability to do that and to continue to advance in the future, based on what I have seen so far from that -- those reports and from the intelligence reports.

I won't go into detail as to what was fired when. That's something I think the intel community should answer, because we don't do that. We don't -- we're not involved in that. But the implications for us is what we're concerned about.

Henry Oberon

Die iranische Luftwaffe plant demnächst ein großes Manöver. Die iranische Regierung erklärt aber gleichzeitig, dass es ihr nur um Selbstverteidigung gehe und kein Land vom Iran bedroht werde. General Jafari von den Revolutionären Garden beharrt, dass man eine neue Version der Shahab-3 mit einer Reichweite von 2000 km letzte Woche getestet habe. Der Vizeverteidigungsminister behauptet sogar, die Reichweite sei größer

Auch die Vorwürfe der Bildmanipulation werden von der iranischen Regierung zurückgewiesen. Man habe keine Fotos veröffentlicht, sondern Live-Bilder von den Raketentests, heißt es. Allerdings zeigt die Nachrichtenagentur Fars zu dieser Meldung nicht mehr das vermutlich manipulierte Foto mit den vier Raketen, sondern nur noch das vermutliche Original mit drei Raketen.