Diener des Marktes

"Der Herr der Ringe" ist auch ein Milliardengeschäft für die Firma "New Line Cinema"

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Hätte man nur ein paar Monate länger durchgehalten, wäre die Kinowelt AG heute vielleicht ein Branchenriese. Noch im Herbst 2001 wurde auf der Website des Münchner Filmverleihs verkündet, der Start des ersten Teils der Tolkien-Verfilmung "Der Herr der Ringe" kurz vor Weihnachten sei sicher. Da die Firma ein Jahr zuvor zugleich auch - als erste Lizenzagentur außerhalb der USA - die Merchandising-Rechte der Trilogie, des mit über 50 Millionen Lesern weltweit und mehr als fünf Millionen verkauften Büchern allein in Deutschland nach der Bibel bekanntestem Buch der Gegenwart, für den gesamten deutschsprachigen Raum erworben hatte, wäre den Münchnern ein Umsatz in dreistelliger Millionenhöhe sicher gewesen: die Einnahmen aus dem Kinokartenverkauf, die sich für den ersten Teil, der allein in Deutschland knapp 11 Millionen Zuschauer in die Kinos lockte (und diese Marke in den nächsten Wochen noch klar überschreiten wird) und damit 78 Millionen Euro Umsatz erzielte, sowie dem Video- und DVD-Verleih des Films. Aber bereits wenige Tage nach der optimistischen Mitteilung nahm der Lizenzinhaber, das US-amerikanische Major-Studio AOL-Time-Warner die Rechte wieder an sich - als Ausgleich für nicht erfolgte Zahlungen der Kinowelt. Und macht jetzt selbst die Millionengeschäfte.

Der Ring für 299.95 US-Dollar

Der zumindest in seiner Dimension unverhoffte Erfolg von Peter Jacksons Verfilmung - bereits der erste Teil spielte weltweit rund 870 Millionen Dollar ein und gilt damit als der fünfterfolgreichste Film der Kinogeschichte - wirft auch ein Schlaglicht auf die bis dato über Branchenkreise hinaus weitgehend unbekannte Firma New Line Cinema. Der zweite Teil dürfte den Erfolg des ersten Teils noch übertrumpfen.

Gegründet wurde die Firma als Independent-Studio bereits 1967 vom Medienjuristen Robert Shaye. Fast drei Jahrzehnte produzierte man subversive Horrorfilme, darunter einige Klassiker wie das "Texas Chainsaw Massacre". Aber erst die Verwandlung der Firma in ein kleines Startup-Unternehmen im Jahr 1991 und der Einstieg von CNN-Boss Ted Turner brachte die Kehrtwende. Mit anspruchsvollen Filmen wie Robert Altmans "The Player" und "Shortcuts" kam auch der wirtschaftliche Erfolg, 1997 wurde die Firma Teil von Time Warner.

Der Riesen-Boom, den "New Line Cinema" jetzt ausgerechnet in den Krisenjahren der New Economy, die nicht zuletzt auch gerade die Medienkonzerne Hollywoods in Mitleidenschaft zieht, mit dem "Herrn der Ringe" erlebt, war allerdings auch dringend nötig. Denn zuvor hatte man nur mit Selbstläufern wie den Fortsetzungsfilmen "Blade 2" und "Austin Powers 2" einigermaßen Erfolg, erlebte aber mit einigen anderen Filmen bittere Flops. Nur an fehlendem Käuferinteresse scheiterten die Verkaufabsichten der Muttergesellschaft.

Dann setzte Robert Shaye mit dem Projekt der Tolkien-Verfilmung alles auf eine Karte. Die Rechte hatte seine Firma schon länger inne. Für die unglaubliche Summe von 310 Millionen Dollar verfilmte man die ganze Trilogie auf einen Schlag - ein besonders riskantes Unterfangen, weil ein Misserfolg des ersten Teils auch die weiteren Folgen in Mitleidenschaft gezogen hätte. Dabei wurde nicht gespart, allein drei Jahre dauerte die Arbeit am Drehbuch, drei weitere benötigte man für die Suche nach adäquaten Schauplätzen und Darstellern sowie für die Vorbereitung der insgesamt 274 Drehtage mit 22.000 Beteiligten. Ein durchschnittlicher Hollywood-Blockbuster benötigt kaum mehr als 50 Drehtage. Auch hier erweist sich "Der Herr der Ringe" als ein monumentales Projekt.

Nach Fertigstellung wird der Film nun über die zu AOL Time Warner gehörenden TV-Sender (CNN, TNT, WB), Printmedien (u.a. das "Time"-Magazin) und die Internetdienste von AOL der Film derart breit vermarktet, dass kaum ein potentieller Zuschauer/Kunde von den Werbe- und Marketingmaschine unberührt bleibt. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Merchandising zu, dessen Erfolg für Hollywood längst wichtiger ist als das Ergebnis an den Kinokassen: Das Kaufhaus Barnes & Noble, die Burger King-Kette, und JVC sind als Partner eingebunden, PC-Kommunikations- und Videospiele, Soundtrack, Plastikfiguren und Sammelbilder sind nur die wichtigsten von über 40 verschiedenen Produkten in der Verwertungskette. Allein die geleisteten Vorauszahlungen für den ersten Teil beliefen sich auf rund 160 Millionen Dollar. Den Ideen, die J.R.R. Tolkien in seinem Buch entwickelt, entspricht solche universale Vermarktung wohl nicht. Aber die Macht des Rings ist eben stärker, als man glaubt...