Sommervergnügen Ausstellungsweitwandern

Kunstrundschau Wien, Zürich, Berlin, London

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Wenn Hitze, Luftfeuchtigkeit, Abgase und Ozon die Stadtbevölkerung plagen und die Ausweichmöglichkeit STRAND unerreichbar weit weg erscheint, dann sind die kühlen weiten Hallen von Museen und anderen Kunstausstellungsorten eine verlockende Alternative. Doch damit vor lauter Lustwandeln nicht etwa Computerentzugssyndrome aufkommen, empfielt es sich, analoge und digitale Kunstwerke wie in einem Sommercocktail luftig durcheinanderzumischen.

Junge Szene

Die Secession in Wien mischt wie immer um diese Jahreszeit die JUNGE SZENE auf. Da man "Vernetzung und Internationalisierung aktueller künstlerischer Projekte Rechnung tragen will", kommen erstmals bei diesem seit 1983 wiederkehrendem Ereignis nicht nur Österreicher sondern auch ausländische Künstler zum Zug. Das hat aber ziemlich lange gedauert, kommt man nicht umhin zu bemerken. Unter der beeindruckenden Zahl der KünstlerInnen befinden sich einige besonders Netzwerkschlaue, wie z.B. "avco" aus London, oder aber mit "farmersmanual", "monochrom" und Franz Pomassl aus der Sound/Digital/Experimental Crossover-Szene Wiens eine ganze Riege junger Audiogenies. So ist es wohl eher das Verdienst dieser JUNGEN SZENE der hervorragenden Qualität vieler Arbeiten aus dem Audio- und Digitalsektor unproblematisch - d.h. nicht ab/oder ausgrenzend - Rechnung getragen zu haben. Das Spartenproblem der "bildenden Kunst" wurde somit ausgehebelt - zur Nachahmung empfohlen.

Secession
Junge Szene 1998, 10.7. bis 30.8.

Schnittstelle/Produktion

Ähnlich jung und cool wie in der Secession "aber mit Thema" geht es in der Shedhalle in Zürich zu. Der Ausstellungsort, der seit einigen Jahren durch kontingente Programmierung und den Versuch, die Bedingungen der eigenen Produktion mit zum Thema zu erheben, zu einem der Stützpunkte einer "anderen Kunstauffassung" wurde, steht dieses Jahr unter dem Hauptthema - Überraschung - "Ökonomie". Das Paradox, dass selbst eine Kunst, die das nicht will, doch wieder fetischisierte Produkte hervorbringt, war einer der Ausgangspunkte; mit als Inseraten gestalteten Künstlerbeschreibungen in der begleitenden Zeitschrift "Fabrik" wird dem Thema auch methodisch Rechnung getragen. Das ist alles wunderbar, doch bei der Aufstellung der TeilnehmerInnen werde ich das komische Gefühl nicht los, es handele sich um eine neue Durchmischung bereits vorhergegangener Konstellationen - z.B. wie bei "Techno turns to sound of Poetry". Haben sich die Kuratorinnen Yvonne Volkart und Ulrike Kremeier dabei noch etwas gedacht, was mir entgangen ist, oder wiederholen sie, was viele der beteiligten Gruppen und Individuen schon in selbstkuratierten, aus Gruppenprozessen hervorgegangen Projekten vorgemacht hatten?

Mit: convex TV, Astrid Küver, Pia Lanzinger, Dorit Margreiter, Neid, Erik Göngrich, L/B, Andrea Knobloch, Helene von Oldenburg, Ines Schaber, Candy TV und Anna Key, Erik Steinbrecher, Costa Vece. 15. August - 4. Oktober
Rote Fabrik, Seestraße 195 Zürich,
Kontakt

Volles Feedback

Der Klangturm St.Pölten, eine der kulturellen Errungenschaften, welche die Bevölkerung Ostösterreichs dem Umstand zu verdanken hat, daß diese eher häßlich bis unaffällige Stadt plötzlich zur Hauptstadt eines Bundeslandes werden mußte, hat sich unter der künstlerischen Leitung von Mia Zabelka zu einem recht verläßlichen Ort für schräge Audio-Interaktiv-Installationen und Performances gemausert. Die selbst als Audio-Künstlerin bekannte Zabelka - erinnerlich sind ihre Performances als wild fuchtelnde Teufelsgeigerin im Duett mit einer telerobotischen Geige - holt laufend Cutting Edge Material in die Provinzhauptstadt. Andres Bosshardt, Libraries of the Mind, Brian Eno und "Anonymes Gemurmel" von Knowbotic Research sind einige der Höhepunkte im Programm zwischen Sommer und Herbst.

Klangturm in St. Pölten, Niederösterreich

transArchitectures

Dem "Cyberspace and Emergent Theories" widmet sich die Galerie Aedes in Berlin vom 3.8. bis zum 22.8. Mehr als 30 Büros verteilen sich auf die Ausstellungsräume in Charlottenburg und Mitte. Inklusive Namensgeber Markus Novak - der den Begriff "Transarchitectures" eingeführt hat - sind eine Reihe bekannter Namen aus der kleinen Szene, die sich aus architektonischer Sicht mit dem Cyberspace befaßt, mit dabei. Mitorganisieren durften die Deutschen Heinz Scheid und Bernhard Franken von ABB Architekten Scheid Schmidt und Partner, Kurator war Michel Vienne von Architecture et Prospective, Brüssel. Was mich dabei interessieren würde, aus meinem ganz persönlichen begrenzten Horizont gesprochen, ist, was die Herren Cyberarchitekten zur begrifflichen Klärung beizutragen haben, ob ihre Arbeiten auch in die tatsächliche Architektur des Cyberspace hineinreichen, oder sich nur damit begnügen, ihn mit virtuellen Gebäuden zu füllen. Mit anderen Worten: Die wahre Architektur des Cyberspace wird von Cisco, AT&T und Netscape und wie sie alle heißen, verhandelt. Die Vorschläge der Architekturexperten sind wohl eher theoretischer Natur...

3.8. - 22.8. 1998, Galerie Aedes, Berlin
transarchitectures

Young Americans 2.Teil

Nein, mit dem Frühsiebzigeralbum von David Bowie gleichen Titels hat diese Ausstellung nichts zu tun. Die KünstlerInnen stammen alle aus den USA, überwiegend aus New York und sind durchschnittlich zwischen 1955 und 1970 geboren, was die Bezeichnung "jung" rechtfertigt (oder relativiert, je nach Geschmack). Maurice Saatchi, so heißt es, kümmert sich nun schon seit einiger Zeit hauptberuflich um seine Galerie. Damit hat sich auch deren Ausrichtung verändert. Es ist nicht mehr die in sich ruhende Sammlung eines Werbeagentur-Magnaten, sondern sie wird mit professionellem Kalkül betrieben. Mit anderen Worten, die Galerie kauft und verkauft fleissigst, überwiegend Werke der Malerei von "Young British Artists", zwischendurch gab es im Vorjahr kurz mal "Young Germans" und jetzt eben, schon als Fortsetzung, die jungen Amerikaner. Sehr einfallsreich ist das nicht, aber, und das sei ganz ohne Ironie gesprochen, die Ausstellungen der Galerie Saatchi decken eben bestimmte Bereiche der Gegenwartskunst, vor allem der Malerei, und wiederum vor allem der größten Westmächte ab, und das unleugbar auf höchstem Niveau. Wenn man also verdauen kann, was man alles verdrängen muss (z.B. an kulturpolitischem Ärger), um so eine Malereiausstellung bei Saatchi zu sehen, dann stehen die Chancen gut, ausgezeichnete Malerei zu sehen. Und damit die Mischung aus Ölgeruch und Schickeria bei den Eröffnungen nicht allzuschlimm die Nase kitzelt, läßt sich alles mit bestem Champagner hinunterspülen.

10.September - 22. November, Saatchi Gallery, 98ABoundary Road, London, Tel.:+44 171 624 8299