May unter Druck der DUP, DUP unter Druck nordirischer Unternehmer

Grafik: TP

Madrid droht wegen Gibraltar mit Ablehnung des Brexit-Kompromisses

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der zwischen der EU-Kommission und der britischen Regierung erzielte Brexit-Kompromiss könnte noch an mehreren Hürden scheitern. Einer davon ist die Unzufriedenheit mit ihm in Mays Tory-Partei, in der man sich vor allem am so genannten Backstop stört, der Grenzkontrollen zwischen dem zum UK gehörigen Nordirland und der in der EU verbleibenden Republik Irland verhindern soll, indem sich nicht nur Nordirland, sondern auch England, Schottland und Wales vorerst weiter an EU-Standards halten.

Mit diesem Kompromiss ist auch die nordirische Protestantenpartei DUP unzufrieden, die Theresa Mays Tory-Regierung bislang eine Mehrheit im Westminster-Parlament sichert. Bei einer Abstimmung über ein Finanzgesetz, dem sie in zwei Wahlgängen die Zustimmung verweigerte, machte sie am Montag deutlich, dass das nicht so bleiben muss, wenn May am aktuellen Brexit-Verhandlungsergebnis festhält.

Nordirische Landwirte und Unternehmerverbände für Deal

Allerdings übt die DUP nicht nur Druck aus, sondern muss selbst mit Druck kämpfen: Der kommt von Verbänden wie der protestantisch geprägten und eigentlich DUP-nahen Ulster Farmers' Union (UFU) und der Northern Ireland Food and Drink (NIFDA), die die Partei dazu drängen, die Quasi-Koalition mit den Tories nicht platzen zu lassen und in Westminster für den Kompromiss zu stimmen.

Der ist einer gemeinsamen Stellungnahme der Confederation of British Industry Northern Ireland, der Federation of Small Businesses Northern Ireland, des Institute of Directors Northern Ireland und der Northern Ireland Chamber of Commerce nach nicht perfekt, bringt aber wenigstens etwas mehr Klarheit für wirtschaftliche Entscheidungen und verhindert die ihrer Ansicht nach schlechteste Option: Einen "No-Deal-Brexit". Ein DUP-Abgeordneter bemerkte dazu, die Verbandsvertreter hätten das fast 600 Seiten umfassende Entwurfswerk vielleicht noch nicht ganz gelesen, wenn sie das meinten.

Abwahl-Abstimmungs-Karte lässt sich nur alle zwölf Monate ziehen

Stimmen die DUP-Abgeordneten und die Brexit-Gegner bei den Tories gegen Mays Deal, könnten ihm die Labour Party und die anderen nordirischen, schottischen und walisischen Regionalparteien zu einer Mehrheit verhelfen, wenn sie das wollen. Der Labour-Parteichef Jeremy Corbyn hat jedoch am Sonntag verlautbart, dass er das nicht möchte.

Deal-Gegner in Mays konservativer Partei haben zudem die Option, mit mindestens 48 Abgeordneten eine Abstimmung über die Premierministerin zu erwirken, wie sie unter anderem ihr potenzieller Nachfolger Jacob Rees-Moog fordert (vgl. Theresa May vs. Boris Johnson vs. Ruth Davidson vs. Jacob Rees-Mogg).

Verliert sie diese nur alle zwölf Monate mögliche Abstimmung, wählt die Partei einen neuen Vorsitzenden, der dann auch Premierminister werden dürfte, wenn er keine Neuwahlen ansetzt, was angesichts eines bereits länger andauernden Umfragehochs für die Labour Party eher unwahrscheinlich ist. Neben Rees-Mogg käme dafür vor allem der exzentrisch frisierte und wegen Mays Brexit-Politik im Sommer zurückgetretene ehemalige Außenminister Boris Johnson in Frage (vgl. Machtkampf im UK: Johnson legt nach Sex-Dossier "tote Katze auf den Tisch").

Sánchez: "Gibraltar gehört nicht zum Vereinigten Königreich, es wird von ihm repräsentiert, aber es gehört ihm nicht"

Außer in London könnte Mays Deal auch noch in Madrid gestoppt werden: Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat nämlich verlautbart, ihm missfalle der Artikel 184 der Vereinbarung, in der es um Gibraltar geht, in seiner derzeitigen Fassung so sehr, dass er ihn ablehnen würde. Etwas zurückhaltender äußerte sich der spanische Außenminister Josep Borrell, der für diesen Artikel mehr "juristische Klarheit" forderte.

Konkret stören sich die beiden Politiker daran, dass Spanien bemängelt, dass Artikel 184 nichts Explizites dazu enthält, dass die aufgeschobenen Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien und Verhandlungen von Verhandlungen zwischen Spanien und Großbritannien getrennt werden müssen. Diese 1713 zusammen mit dem (inzwischen wiedererlangten) katalanischsprachigen Menorca abgetretene Halbinsel möchte Madrid nämlich zurückhaben: "Gibraltar", so Sánchez, "gehört nicht zum Vereinigten Königreich, es wird von ihm repräsentiert, aber es gehört ihm nicht".

Möglicherweise ist der spanische Ministerpräsident aber auch mit einer Aufnahme seines Anliegens in die "politische Absichtserklärung" zum Brexit-Deal zufrieden, die diese Woche verabschiedet werden soll. Die Regierungen der 26 anderen Mitgliedsländer wären dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier und dem österreichischen Europaminister Gernot Blümel nach mit dem "Scheidungsvertrag" zufrieden, wie er jetzt ist, und würden ihm bei einem Sondergipfel am nächsten Sonntag formell zustimmen.