Blaupause für ein rechtes Schweden

Straße in Sölvesborg. Bild: GustafSeb/CC BY-SA-4.0

In der kleinen Kommune Sölvesborg probieren die Schwedendemokraten mit Moderaten und Christdemokraten die Umsetzung eines rechten 220-Punkte-Plans

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Die rechten Schwedendemokraten kommen voran. Zum einen in den Umfragen, die am Donnerstag publiziert wurden, Demnach erreichen die Rechten mit ihrer migrationsfeindlichen Einstellung 22,4 Prozent und sind somit nur noch knapp unter den regierenden Sozialdemokraten, die mit 23,9 Prozent noch die meisten Stimmen haben.

Zum anderen auf dem Feld der Kommunalpolitik, die Wahlen dazu fanden parallel zu den Parlamentswahlen im September 2018 statt. Dabei gilt die südschwedische Gemeinde Sölvesborg als eine Art Blaupause für ein von Rechten regiertes Schweden. Die Schweden nennen die Verwaltungseinheit das "Schaufenster" oder "Experimentierwerkstatt" der Schwedendemokraten (SD).

Dort leitet Louise Erixon, die Lebenspartnerin von SD-Chef Jimmie Akesson, seit Januar die Kommune mit 17.000 Einwohnern. Mit Unterstützung der beiden bürgerlichen Parteien Moderaten und Christdemokraten sowie einer lokalen Partei wurde Mitte September ein 220-Punkte-Plan veröffentlicht, der viele Ideen der Schwedendemokraten zur Veränderung des Landes enthält. Und sich teils wie die Anleitung einer rechten Kulturrevolution liest. "Eine Revolution der schwedischen Art" nannte zumindest die parteieigene Webzeitung "Samtiden" die Maßnahmen.

Verhindert werden soll, dass Asylsuchende, die zentral vom Migrationswerk zugeteilt werden, sich in der Kommune ansiedeln. Diesem Plan steht noch der Praxistest bevor. Auch wolle man Asylbewerber "ermutigen", die Kommune zu verlassen. Das Land nahm 2015 über 160.000 Flüchtlinge auf, was zu großen Kontroversen führte und die schon damals regierenden Sozialdemokraten zu einer Umkehr ihrer großzügigen Migrationspolitik zwang. Muslimische Kopftücher sind nun in den Kindergärten von in der besagten Region verboten, umgesetzt wurde wie in zwei weiteren Kommunen ein Bettelverbot.

Landesweit Aufmerksamkeit erregte Sölvesborg, das auch für einen Mittelaltermarkt und ein Rockfestival bekannt ist, als nicht mehr wie seit 2013 die Regenbogenfahne in der Gay-Pride-Woche gehisst wurde. Erixon begründete dies, dass Traditionen wichtig seien, die Regenbogenfahne gehöre nicht dazu.

Vereinigungen, "die gegen Normen verstoßen, welche die schwedische Gesellschaft geformt haben", brauchten auch nicht mehr auf finanzielle Unterstützung zu zählen. So wird nun auf dem Gebiet der Kommune mit der gleichnamigen Stadt Sölvesborg keine moderne Kunst mehr angekauft. Anlass ist die gesellschaftliche Debatte um "Menskonst" (Menstruationskunst) , die mit Darstellungen von roten Flecken auf dem weiblichen Unterleib provoziert, darunter auch die schwedischen Christdemokraten, eine Partei, die in den 60er Jahre als politische Vertreter der Freikirchen aus der Taufe gehoben wurde. Kunst habe "klassisch oder zeitlos" zu sein, zudem stehe die Pflege des Kulturerbes im Vordergrund.

Auch ist eine Schule geplant, die ihren Fokus auf "Disziplin und Strenge" legt, obwohl Parteichef Akesson mehrere Studien angefangen und nicht abgeschlossen hat. Der Vierzigjähre, ein wenig mit dem Image des netten Schwiegersohns behaftet, übernahm bereits 2005 den Vorsitz der Partei und verpasste ihr ein bürgerlicheres Image, so dass viele enttäuschte Wähler anderer Richtungen zu der Partei überwechselten, die sich "selbst sozial-konservativ" nennt, deren Mitglieder jedoch immer wieder mit rechtsradikalen Entgleisungen auffallen.

"Der (sozialdemokratische) Parteichef Stefan Löfven ist kein Visionär und versprüht keinen Enthusiasmus", meinte das "Aftonbladet", die Traditionszeitung der einst so starken Sozialdemokraten am Donnerstag zu den Umfragen. Und die Zeitung hat noch eine andere Erklärung für den Erfolg der Schwedendemokraten: Weil die anderen Parteien die Rechten aus Diskussionen lange ausgrenzten, scheinen diese für die Wähler die interessanteren Lösungsangebote zu haben. So jüngst geschehen bei den Gesprächen zu den überhand nehmenden Sprengstoffattacken konkurrierender Gangs Dort schloss die regierende rotgrüne Minderheitsregierung die Partei aus, die seit 2010 im Parlament sitzt und bei den Wahlen 2018 über 17 Prozent erreichte.

In Sölvesborg steht die Partei jedoch aktuell als Problemlöser in der Verantwortung. Die Kommune ist somit auch "Schaufenster" für das Kontra zur Politik der Rechten. Die konservativ-liberale Zeitung "Svenska Dagbladet" porträtiert eine Bibliotheksleiterin, eine lesbische ehemalige Kommunalrätin der Moderaten sowie eine Künstlerin, die gegen den neuen Wind in der Kommune aufbegehren. Inwieweit die Kritiker auf Rückhalt stoßen und inwieweit nicht, wird von öffentlichem Interesse sein. Sollte der 220-Punkte-Plan jedoch mittelfristig auf Zustimmung stoßen, so wird das Modell der Zusammenarbeit zwischen den beiden bürgerlichen Parteien und den Schwedendemokraten wohl weiter geführt.