Grenzöffnung in Syrien: Iranische Beziehungsarbeit ist im Vorteil

Kämpfer der Volksmobilmachung (al-Haschd asch-Schaabi). Bild: Tasnim News Agency/CC BY 4.0

Der neu geöffnete Grenzübergang zwischen Irak und Syrien bei Albukamal trifft in Washington und Jerusalem auf wenig Freude

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Gute Nachrichten für Damaskus und Teheran, schlechte Nachrichten für Washington: Der Grenzübergang zwischen Irak und Syrien bei Albukamal wurde gestern für den Handels- und Personenverkehr geöffnet. Damit steht eine Landverbindung zwischen Iran und Syrien. Lastwagen aus Iran können bis an die syrische Mittelmeerküste fahren.

Der "iranische Korridor" (oder auch "Landbrücke") wird von den US-Regierung wie auch von der Regierung Netanjahu in Israel seit Jahren als wichtiges Element der Bedrohung durch die Islamischen Republik propagiert. Neokonservative Think Tanks untermauern dies von Zeit zu Zeit ebenfalls mit Warnungen.

Aus irakischer, syrischer und iranischer Sicht werden dagegen der Sieg über den IS und die Handelsbeziehungen der Nachbarländer betont, die durch die Grenzöffnung bessere Bedingungen für den Güterverkehr haben. Immerhin sind diese Handelsbeziehungen älter als der US-Anspruch, der Region die eigenen Vorstellungen zu oktroyieren.

Der Grenzübergang bei Albukamal war lange Jahre durch die hartnäckige Präsenz von IS-Milizen blockiert; Orte in Grenznähe, wie al-Qaim in der irakische Provinz al-Anbar, waren Bastionen der IS. Bei der verlustreichen und langwierigen Befreiung spielten die schiitischen Milizenverbände im Irak, bekannt unter ihrem Sammelnamen al-Haschd asch-Schaabi (oft auch: al-Hashd al-Shabi; engl. Popular Mobilization Units, PMU, deutsch: Volksmobilmachungseinheiten) eine Schlüsselrolle. Sie arbeiteten grenzüberschreitend mit schiitischen Verbänden auf syrischer Seite zusammen.

Aber auch die irakische Luftwaffe unternahm Angriffe, sogar auf syrischem Gebiet - mit Einwilligung von Damaskus (dort herrscht eine de facto "Lufthoheit" der USA, die syrische Luftwaffe konnte nicht selbst eingreifen, die Hilfe aus Bagdad war willkommen). Im Irak wurden die Armee, zu der Einheiten der Haschd al-Schab offiziell gehören, von der US-Luftwaffe im Kampf gegen den IS unterstützt. Das zeigt schon an, dass die Interessen und die Konflikte verwickelt sind.

Die Einflusszone der USA in Syrien

Auch der Landweg vom Grenzübergang in die großen syrischen Städte dürfte in nächster Zukunft nicht einfach sein. In der Wüste gibt es Zellen des IS und der andere Grenzübergang zum Irak im Süden Syriens, bei al-Tanf, wird von den USA kontrolliert, über eine verbündete Miliz. Häufig hieß es auch, dass US-Soldaten präsent waren. Auffällig wurden US-Ansprüche im Süden Syriens durch Luftangriffe auf schiitische Milizen, die mit der syrischen Regierung verbündet waren (im Mai 2017 und im Februar 2018). Zwar ist die Distanz zwischen al-Tanf und Albukamal groß (über 300 Kilomter), aber ausgeschlossen ist es nicht, dass die USA nicht doch für einzelne Aktionen "Sicherheitsinteressen" für "ihre Zone" geltend machen.

Mit einiger Wahrscheinlichkeit hat auch Israel seine Sicherheitsinteressen mit Angriffen auf Stellungen von schiitischen Milizen im Gebiet um den nun neu eröffneten Grenzübergang bei Albukamal bereits deutlich gemacht. Zwar gab es aus der israelischen Regierung keine Bestätigung dafür, dass die Luftangriffe in den vergangenen Monaten - wie auch vergangene Woche - auf Stellungen der schiitischen Milizen im Irak in der Zone beim Grenzübergang von der IDF durchgeführt wurden.

Für Beobachter gibt es daran allerdings wenig Zweifel. Sie passen zumindest zur erklärten Absicht der israelischen Führung, dass sich Milizen, die mit Iran verbündet sind, weder in Syrien noch in unmittelbarer Nachbarschaft dazu aufrüsten können. Jerusalem fürchtet insbesondere den Ausbau der Fähigkeit zu Raketenangriffen.

Immer wieder versuchten die USA Druck auf die irakische Regierung auszuüben, um die Rolle der schiitischen Milizen zu konterkarieren. Auch aktuell sollen nach Informationen von al-Monitor dazu Versuche von US-Vertretern unternommen worden sein - mit wenig Erfolg. Zwar haben die USA ein Druckmittel in der Hand - die Sanktionen gegen Energielieferungen aus Iran, von denen der Irak existentiell abhängt. Es wäre allerdings kriegstreibend, die Sanktionen auf Irak auszudehnen.

Das Ende der bisher bewilligten Ausnahme im Fall Iraks wäre der Anfang einer neuen schweren Krise im Nahen Osten, die vermutlich schnell in kriegerische Auseinandersetzungen umschlagen würde. Im Irak halten sich 5.200 US-Amerikaner auf und schiitische Milizen haben im letzten Jahrzehnt genug Erfahrung damit gemacht, US-Truppen empfindliche Schläge zu versetzen. Das dürfte Washington nicht vergessen haben.

Der Interessensausgleich zwischen den beiden Einflusssphären, der iranischen und der US-amerikanischen, im Irak ist, wie sich bei jeder neuen Regierungsbildung in Bagdad zeigt, ein langandauernder Akt in Hinterzimmern. Immerhin aber hielt es das gegenseitige Arrangement der beiden Kontrahenten im Irak aus, dass Angriffe in der Nähe der US-Botschaft in Bagdad, angeblich von schiitischen Milizen, zu keiner Eskalation führten. (Auch die Absetzung des im Irak populären Generals Abdul Wahab al-Saadi, der "Sieger über den IS", wird im Licht der Konfrontation der iranischen und US-Interessen gewertet - laut der kurdischen Publikation Rudaw im Sinne Irans).

Iran in einer "Position der Stärke"

Ob die Öffnung des neuen Handelsweges zwischen Syrien und Irak daran etwas ändert? Es gibt Seitenhiebe in der Berichterstattung auf Washington, die die kriegerische Fraktion zu Gegenreaktionen reizen wird. Wenn etwa gemeldet wird, dass es bei der Grenzöffnung gar nicht so sehr um Handel geht, sondern um eine Verbindung, die den Militärs mehr nutzt als der Zivilbevölkerung (allerdings war der Grenzübergang für Militärfahrzeuge schon länger offen). Oder wenn man sich, wie etwa in der Jerusalem Post, einen Reim auf mehrere Ereignisse der jüngsten Zeit macht, die auf bedrohliche Signale im Zusammenhang mit Iran hinauslaufen.

Der Artikel der für ihre harte Linie bekannten israelischen Zeitung zieht aus dem - angeblich nur vorübergehenden - Auszug des US-Kommandos aus der katarischen Basis, der Grenzöffnung bei Albukamal mit der Präsenz von schiitischen Milizen, die mit den iranischen Revolutionsgarden (IRGC) verbunden sind, und den stetig erneuerten Drohungen gegen Israel seitens des IRGC-Kommandos, den Schluss, dass Iran sich nun "in einer Position der Stärke" platziert.

Dies gehört zu Befürchtungen, die in Washington berücksichtigt werden. Anlass für den Kommentar der Jerusalem Post war die Aussage des irakischen Premierministers Abdul-Mahdi, der bei seinem Besuch in Saudi-Arabien öffentlich Israel für den Angriff auf die saudi-arabischen Ölanlagen verantwortlich machte.