Merkel letzte Sommerpressekonferenz: Mea Culpa mit viel Eigenlob

Da hatte sie noch ganz viel Zeit, als Kanzlerin der Energie- und Verkehrswende zu glänzen: Angela Merkel 2008. Foto: Aleph / CC0 1.0

Die Kanzlerin betont ihre Kraftanstrengung für Klimaschutz, gibt aber zu, dass die Ergebnisse bescheiden sind. Auf der Bremse steht aus ihrer Sicht eher das einfache Volk als die Lobbyisten

Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat kurz vor Ende ihrer vierten Amtszeit die Naturwissenschaftlerin in sich wiederentdeckt und Versäumnisse in der Klimaschutzpolitik eingeräumt. Gemessen an dem Ziel, die menschengemachte Erderwärmung auf höchsten zwei Grad zu begrenzen, sei während ihrer Kanzlerschaft "nicht ausreichend viel passiert", sagte die studierte Physikerin am Donnerstag bei ihrer letzten Sommerpressekonferenz in Berlin.

"Ich bin der Meinung, dass ich sehr viel Kraft für den Klimaschutz aufgewandt habe", betonte sie. "Und trotzdem bin ich ja mit wissenschaftlichem Verstand ausreichend ausgerüstet, um zu sehen, dass die objektiven Gegebenheiten erfordern, dass man in dem Tempo nicht weiter machen kann, sondern schneller werden muss."

Als aktuell dringliche Aufgabe nannte Merkel - Überraschung - vor allem den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien, den vor allem Die Linke und die Grünen seit Jahren fordern. Hier gebe es zwar Fortschritte, aber ebenfalls "noch nicht ausreichend", so Merkel. Die scheidende Kanzlerin betonte, sie habe "sehr, sehr viel Kraft" in ihrem politischen Leben dafür eingesetzt, "Mehrheiten dafür zu finden, dass wir wenigstens diesen Weg gehen konnten". Dies habe "eigentlich" ihre gesamte politische Arbeit geprägt.

Merkel lobte auch die Aktivitäten von Fridays for Future ausdrücklich. Die Bewegung sei "für uns Antriebskraft", dies sei "positiv". Als Kanzlerin müsse die aber berücksichtigen, dass es auch andere Meinungen in Deutschland gebe.

Welche Meinung für sie welches Gewicht hatte, lässt sich zum Beispiel daran ablesen, dass Lobbyisten von ihr zum "Autogipfel" geladen wurden und die Hand aufhalten konnten, während bisher kein vergleichbarer "Mobilitätsgipfel" unter Einbeziehung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft oder des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs stattfand.

Die Sache mit den Anreizen

Merkel lenkte allerdings den Blick weg von der Vorzugsbehandlung für Lobbyisten auf das einfache Volk und dessen mangelnde Akzeptanz für den Ausbau der Windkraft an Land sowie neue Stromleitungen. Es sei bisher nicht gelungen, ausreichend Anreize zu setzen für Menschen, deren Lebensqualität sich etwa durch neue Stromleitungen objektiv verändere und für viele aus deren Perspektive auch verschlechtere, sagte Merkel. "Dann hätten wir weniger Widerstand bei den ganzen Planungen und Ausbauten."

Anreize waren stattdessen für die Kohlekonzerne gesetzt worden - in Form von Milliarden-"Entschädigungen" für weit in der Zukunft liegende "entgangene Gewinne", die mit dem Klimaschutz nicht vereinbar sind. Der bislang erst für 2038 geplante Kohleausstieg ist das allerdings auch nicht. Inzwischen will ihn sogar die bayerische Unionsschwesterpartei CSU vorverlegen. Allerdings ist auch gerade Wahlkampf - und mit dem gemeinsamen Kanzlerkandidaten der Unionsparteien, Armin Laschet (CDU) wäre ein früherer Kohleausstieg schwer zu machen.

Die Forderung von Fridays for Future, dass Deutschland bis 2035 klimaneutral sein soll, hat bisher von allen im Bundestag vertretenen Parteien nur Die Linke übernommen. Selbst die Grünen nennen ein solches Datum nicht - möglicherweise, weil sie eine Koalition mit den Unionsparteien nicht ausschließen.

Vor diesem Hintergrund kündigte die Aktivistn Luisa Neubauer für die kommenden Wochen neue Großdemonstrationen von Fridays for Future an - die Bewegung will dabei auch der Opfer der Flutkatastrophe gedenken und Spenden für Betroffene sammeln. "Wir werden in den nächsten Monaten in jeder Ecke des Landes und jeder Generation mobilisieren, hunderte Proteste organisieren und dafür sorgen, dass im besten Falle Menschen überall anfangen, die Klimakatastrophe - und die eigene Stimme bei der Wahl - so ernst zu nehmen wie möglich", sagte Neubauer der Rheinischen Post.