US-Zwischenwahlen 2022: Wer gewinnt das Duell?

Es wird knapp. Mehrere Institute gehen weiterhin von einem Unentschieden aus – Prognosen im Überblick. Ein Gastbeitrag.

Die Ausgangslage stellt sich wie folgt dar. Im Senat haben zurzeit Demokraten und Republikaner jeweils 50 Vertreter. Bei einer Pattsituation entscheidet die demokratische Vorsitzende Kamala Harris. Am 8. November werden nun in einer Teilwahl 35 Sitze neu vergeben, von denen bisher die Republikaner 21 und die Demokraten 14 innehatten. Im Repräsentantenhaus erfolgt eine vollständige Neuwahl aller 435 Mitglieder. Hier hatten die Demokraten bisher eine Mehrheit von 222 zu 213 Sitzen.

Da die Prognoseergebnisse bei den letzten Midterms und der Präsidentenwahl 2020 insgesamt nicht zufriedenstellend waren, sind die Plattformen und Medien vorsichtiger mit ihren Einschätzungen. Zumal erschwerend hinzukommt, dass es dieses Mal weniger Umfragen von vertrauenswürdigen Instituten gibt, dafür mehr parteinahe.

Unter den fast 20 Prognoseplattformen sollen zwei interessante und sehr erfolgreiche näher beschrieben werden. Lange Zeit war FiveThirtyEight (benannt nach den 538 Wahlmännern bei der Präsidentenwahl) mit dem berühmten Wahl- und Sportstatistiker Nate Silver der Goldstandard.

Allerdings war man z.B. bei der Präsidentenwahl 2020 weniger gut und wurde sogar aus der Ferne von unserer PESM-Wahlbörse und unserem Prognosys-Master-Vote geschlagen. In sein neues Modell nimmt Nate Silver nicht nur Umfragen, sondern auch Expertenschätzungen hinein, die er alle mittels mehrerer Kriterien sachkundig bewertet.

Daraus leitet er entsprechende Gewinnwahrscheinlichkeiten für die Kandidaten in jeder Wahl ab. Schließlich werden in einem letzten Schritt auf Basis der aktualisierten Gewinnwahrscheinlichkeiten für jede der 35 Senatswahlen täglich 40.000 Simulationen durchgeführt und die Häufigkeiten der möglichen Endergebnisse für den Senat ausgezählt.

Die neuseeländische Wahlbörse predictit hat bei den Präsidentschaftswahlen mit einem Volltreffer den ersten Platz belegt. Dabei handelt es sich, wie bei unserer PESM-Wahlbörse, um einen Wettmarkt, in dem die fiktiven Parteiaktien mit Geldeinsatz gehandelt werden.

Für den Senat werden somit 35 einzelne Wahlbörsen sowie eine Wahlbörse für das Gesamtergebnis eingesetzt. Hier lässt sich praktisch in jedem Zeitpunkt aus den Kursen der Zwischenstand ablesen. Es wird wieder spannend sein, ob die ausgefeilten statistischen Modelle der Plattformen oder die Schwarmintelligenz der Mitspieler an der Börse besser abschneiden.

Republikaner leicht vorn

Lange Zeit (seit Juli) sah es im Senat wieder nach einem Unentschieden aus. Erst ab Ende Oktober hat eine knappe Mehrheit der Plattformen, wie auch FiveThirtyEight, die Republikaner leicht vorn. Bei der Wahlbörse ist dieses schon länger der Fall, wobei die Republikaner dort sogar mit 53: 47 führen.

Mehrere Institute gehen weiterhin von einem Unentschieden aus. Einige haben sich bisher auf ein 49:48 für die Republikaner festgelegt, wobei in Georgia, Nevada und Pennsylvania extrem enge Rennen erwartet werden, weil die Konkurrenten dort um weniger als einen Prozentpunkt auseinanderliegen.

Nur ein Institut tippt noch auf einen knappen Sieg der Demokraten. Die Senatswahl könnte sogar noch in die Verlängerung gehen müssen, wenn der siegreiche Kandidat in Georgia nicht die dort erforderliche 50 Prozent Mehrheit erreicht. Dann gäbe es am 6. Dezember eine Stichwahl.

Drei Tage vor der Wahl beträgt die Gewinnwahrscheinlichkeit für die Republikaner nach Berechnung von Nate Silver etwa 55 Prozent, was ebenfalls ein Hinweis auf eine knappe Wahlentscheidung ist. Wir verwenden für unsere Prognose ein gewichtetes Mittel aller Institute und rechnen mit einem Ergebnis von 51:49 für die Republikaner.

Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus ergibt sich als Zusammenfassung aller Prognoseplattformen im Mittel etwas folgendes Bild. Es werden 195 bzw. 220 Sitze jeweils für die Demokraten bzw. Republikaner als fest eingestuft, mit noch 20 offenen Wahlentscheidungen. Wenn man diese hälftig den beiden Parteien zuordnet, kommen, so unsere Prognose, die Republikaner auf 230 und die Demokraten auf 205 Vertreter. Die Gewinnwahrscheinlichkeit für die Republikaner liegt bei über 80 Prozent.

Wirtschaftsprobleme im Vordergrund

Eine Erklärung für die Verlagerung zugunsten der Republikaner könnte darin liegen, dass sich das wichtigste politische Thema geändert hat. So konnten die Demokraten zunächst nach dem Sommer mit der Diskussion über die Einschränkung bei Schwangerschaftsabbrüchen durchaus punkten.

Jetzt stehen Wirtschaftsprobleme wie die hohe Inflationsrate und die drohende Rezession im Vordergrund, bei denen traditionell den Republikanern mehr Kompetenz zugetraut wird. Natürlich spielen auch lokale Aspekte bei diesen Wahlen eine wesentliche Rolle.

Bei der Arbeit an den Analysen und Prognosen zu den US-amerikanischen Wahlen kommt man sich manchmal wie im Wilden Westen mit spannungsgeladenen Pistolenduellen und Intrigen vor. Da geht es in Deutschland schon gesitteter zu. Allerdings sitzen hier unsere Medien auf hohem Ross, weil sie die meist besseren Wahlbörsen und Expertenprognosen ignorieren.

Ein umfassender Qualitätsvergleich findet ebenfalls nicht statt. In dieser Hinsicht sind die USA immer noch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Jeder wird zum Wettbewerb zugelassen und der Beste wird nach einem Ranking gewürdigt.

Prof. Dr. Walter Mohr betrieb zusammen mit Dr. Frank W. Püschel 20 Jahre lang die PESM Wahlbörse zur Vorhersage von Wahlergebnissen.

Gastbeiträge der beiden Wissenschaftler bei Telepolis siehe hier.