Haitis Leid und die USA: Nun soll Kenia das Chaos beseitigen

US-Marines vor 20 Jahren in Haiti. Bild: LCPL KEVIN MCCALL, USMC, Public Domain.

Ausnahmezustand in Haiti: Nun sollen 1.000 kenianische Polizisten kommen. Doch können die gegen die Kriegsherren im Inselstaat bestehen?

Nach einer Welle von Gewalt in Port-au-Prince, der Hauptstadt Haitis hat die Regierung nun den Ausnahmezustand verhängt. Am internationalen Flughafen waren Schüsse zu hören. Die Meldungen machen den Eindruck, als ob die kriminellen Banden längst von veritablen Warlords geführt werden, die ihre ganz eigenen Pläne mit dem Land haben.

So übernahm Jimmy "Barbecue" Chérizier, Anführer der bewaffneten Gruppe "G9 an Fanmi e Alye", die Verantwortung für die Angriffswelle. Er kündigte zudem eine Neuauflage des Bandenbündnisses "Viv Ansanm" an.

Die Gewalt sei entfesselt worden, um den Polizeichef und die Minister der Regierung außer Gefecht zu setzen und den Interimspremierminister Ariel Henry, der sich in Kenia aufhält, an der Rückkehr in das karibische Land zu hindern.

In dieses Bild passt, dass dabei auch die beiden größten Gefängnisse Haitis gestürmt und über 3.500 Gefangene befreit worden waren. In Port-au-Prince lagen ein Dutzend Leichen. Die Kriminellen hatten ihren Angriff offensichtlich mit Drohnen vorbereitet, um sich über die Bewegungen der Gefängniswärter zu informieren und den besten Zeitpunkt für den Angriff abzustimmen. Diese Aktion hatten mehrere Gangs gemeinsam durchgeführt.

Haiti: Chaos, Schüsse, Tote

Nachdem die USA – manchmal unter der Flagge der Vereinten Nationen – immer wieder mit militarisierten Interventionen in dem karibischen Armenhaus gescheitert sind, soll es nun das ostafrikanische Kenia richten.

2022 waren der Vorschlag der USA, eine schnelle Eingreiftruppe in Haiti zu landen, vom UN-Sicherheitsrat abgelehnt worden. Auch eine UN-Friedenstruppe kam nicht zustande.

Seinerzeit hatte Chérizier ein Tanklager der Regierung besetzen lassen, weil der – nicht gewählte aber heute noch amtierende ‒ Premierminister Ariel Henry die Spritpreise hatte anheben wollen. Chérizier wurde natürlich wiederholt von den USA sanktioniert was jedoch völlig wirkungslos blieb.

Sanktionen völlig wirkungslos

Indessen ist eine polizeiliche Mission geplant, und Nairobi will zunächst 150 Fachleute die Lage analysieren lassen, bevor der Einsatz losgeht. Kenia hat 1.000 Polizistinnen und Polizisten zugesichert. Ursprünglich hatten es 2.000 sein sollen und auch die Bahamas 150 und Jamaika hatten kleinere Kontingente stellen wollen. Davon ist jetzt allerdings keine Rede mehr.

Im Oktober letzten Jahres war Lloyd Austin, der US-Verteidigungsminister, extra nach Nairobi gereist, um diesen Einsatz kenianischer Sicherheitskräfte in Haiti abzusprechen.

Der kenianische Außenminister, Alfred Mutua, erklärte zu diesem Anlass, sein Land wolle nicht nur gegen die Banden in dem karibischen Armenhaus vorgehen, sondern auch zur Stärkung der haitianischen Infrastruktur und zur Wiederherstellung der Demokratie beitragen. Wie 1.000 Polizisten das bewerkstelligen sollen, bleibt allerdings wohl für immer Mutuas Geheimnis.

Legal, illegal, sch***egal

Im Februar dann eine Überraschung: Ein Gericht in Nairobi stellte sich quer und untersagte die Mission. Die Polizei diene nicht der Verteidigung und dürfe folglich nicht außerhalb der Landesgrenzen eingesetzt werden, hieß es zur Begründung.

Davon unbeeindruckt haben kenianische und haitianische Stellen den Einsatz dennoch durchgedrückt. Die USA haben 200 Mio. US-Dollar für die Aktion versprochen. Davon kommen 100 Mio. aus dem Verteidigungshaushalt, die zweite Hälfte muss jedoch erst noch vom Kongress freigegeben werden.

Bleibt die Frage, wie das funktionieren kann, weil die Kenianer weder Französisch geschweige denn Kreole sprechen. Zu allem Überfluss steht die kenianische Polizei zu Hause wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.

Das Letzte, was die Insel braucht

Eine Intervention sei das Letzte, was die Insel brauche, meint man bei Responsable Statecraft. Die Einwohner seien dagegen und alle bisherigen Versuche hätten aufgrund unverhohlener US-amerikanischer Parteinahme zugunsten verhasster haitianischer Führungsgestalten teils katastrophale Folgen gehabt.

Es besteht die Gefahr, dass ein Volksaufstand gegen unerwünschte ausländische Kräfte provoziert wird. Wenn ausländische Kräfte als Stütze einer Regierung angesehen werden, die von der Mehrheit der Bevölkerung gehasst wird, werden sie natürlich zur Zielscheibe des Zorns der Bevölkerung.

Daniel Larison, Responsable Statecraft

Diese Gefahr ist keineswegs gebannt, denn auch Henry wird schon lange von den allermeisten Menschen in Haiti verabscheut.

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