200 Milliarden für Klimaschutz und Energiewende – "großer Erfolg" oder Greenwashing?

Wer meint, es gebe jetzt 200 Milliarden zusätzlich für die Klimarettung, hat sich zu früh gefreut. Symbolbild: Tumisu auf Pixabay (Public Domain)

Um zusätzliche Mittel handelt es sich bei dem in Schlagzeilen genannten Betrag nicht – anders als beim Sondervermögen für die Bundeswehr

Die Schlagzeilen vermittelten zunächst den Eindruck, die Bundesregierung sei in sich gegangen und habe plötzlich 200 Milliarden Euro zusätzlich für Klimaschutz und Energiewende lockergemacht, nachdem Kanzler Olaf Scholz (SPD) eine Woche zuvor mit der Ankündigung, ein Sondervermögen von 100 Milliarden für die Bundeswehr zur Verfügung zu stellen, Kritik auf sich gezogen hatte.

Schließlich wird seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine viel von Energiesouveränität gesprochen, wobei es weniger um den langfristigen Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen geht als um Versorgungssicherheit in Zeiten des Kalten Krieges 2.0. Allerdings handelt es sich größtenteils um Mittel, die schon vorher eingeplant waren. Umweltverbände befürchten auch, dass es sich teilweise um Greenwashing handelt.

"Ich gehe davon aus, dass wir bis 2026 etwa 200 Milliarden Euro für Klimaschutz, Ladeinfrastruktur, Wasserstoff-Technologie, die Modernisierung der Industrie, auch die Abschaffung der EEG-Umlage, um die Menschen zu entlasten, vorsehen werden", sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". "Erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien", hatte er eine Woche zuvor in der Aussprache zum Ukraine-Krieg im Bundestag gesagt.

Er sei nun gespannt auf Vorschläge, das Planungsrecht zu beschleunigen, die Bürokratie abzubauen, damit diese "gewaltigen Mittel" sinnvoll eingesetzt werden können, sagte Lindner am Sonntag. Er und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sollen sich in den Haushaltsberatungen auf die Summe von 200 Milliarden geeinigt haben. Allerdings handelt es sich dabei überwiegend nicht um zusätzliche Mittel oder einen zusätzlichen Haushaltsposten wie beim Sondervermögen für die Bundeswehr.

Details folgen

Die Mittel sollen über den Energie- und Klimafonds bereitgestellt werden, der – wie schon im vergangenen Jahr geplant – zum Klima- und Transformationsfonds ausgebaut wird. "Die Ausgaben werden damit auch in Anbetracht der aktuellen Herausforderungen gegenüber der früheren Finanzplanung erhöht", betonte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Justin Firrell, an diesem Montag auf Nachfrage von Telepolis.

"200 Milliarden Euro sind sehr gutes Marketing für sehr wenig Veränderung", kommentierte der Fachbereichsleiter Klima- und Umweltpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu), Michael Schäfer Zusätzlich zum Nachtragshaushalt seien es nur 30 Milliarden Euro über fünf Jahre.

Im Nachtragshaushalt 2021 war von einer Aufstockung um 60 Milliarden für den Energie- und Klimafonds (EKF) die Rede, nun sollen es 90 Milliarden für den daraus hervorgehenden Klima- und Transformationsfonds werden, so zitierte Die Zeit am Montag "Regierungskreise". Schäfer geht aber davon aus, dass ein Großteil des Geldes gar nicht für Klimaschutz und Energiewende ausgegeben wird, sondern für die Strompreisentlastung.

Tatsächlich? "Die Details werden im Zuge der Vorstellung des zweiten Regierungsentwurfs für den Bundeshaushalt 2022 sowie der Eckwerte für den Bundeshaushalt 2023 und Finanzplan bis 2026 dargestellt werden", teilte Ministeriumssprecher Firrell gegenüber Telepolis mit.

Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge spricht jedenfalls von einem "großen Erfolg und wichtigen Bestandteil einer umfassenden Sicherheitspolitik". Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe die Dringlichkeit erhöht, jetzt in Energiesouveränität und Unabhängigkeit von fossiler Energie zu investieren, sagte sie am Sonntagabend.

Hauptsache, das Gas kommt nicht aus Russland

Zugleich wird aber in die Errichtung eines Terminals für den Import von Flüssigerdgas (LNG) in Brunsbüttel investiert, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Wochenende mitteilte. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) übernimmt dabei über eine finanzielle Einlage für die Bundesregierung einen Anteil von 50 Prozent, was etwa einer halben Milliarde Euro entsprechen soll.

"Es ist völlig klar, dass wir die Energieversorgung klimaneutral machen müssen, den Gasverbrauch konsequent senken müssen und den Ausbau der Erneuerbaren und die Produktion von Wasserstoff mit Hochdruck vorantreiben", gab sich Bundeswirtschaftsminister Habeck einsichtig. "Aber wir brauchen für den Übergang Gas."

Erst einmal müsse schnellstens die Abhängigkeit von russischen Importen verringert werden, so Habeck. Alternative Gaslieferanten sind die USA und das Golfemirat Katar. LNG, das mit der Fracking-Methode gefördert wird, hat die letzte Bundesregierung als ähnlich klimaschädlich wie Braukohle eingeschätzt.

Elisabeth Staudt von der Deutschen Umwelthilfe wies aber am Montag darauf hin, dass in den Förderrichtlinien des Klimafonds im Wärmesektor auch Gas als nachhaltig durchgehe. Das entspricht allerdings der Taxonomie der EU, die auch Atomkraft als nachhaltig einstuft.

Beim von Lindner genannten Stichwort "Ladeinfrastruktur" wäre außerdem noch zu bedenken, dass die Verkehrswende aus klimapolitischer Sicht keine reine Antriebswende für Autos werden sollte. Entscheidend wäre der Ausbau von ÖPNV und Schienenverkehr.

Es gibt also noch ganz schön viele Details zu klären, um sicher zu sein, ob die 200 Milliarden am Ende gut angelegt sind.

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