325 verdammte Seelen

Irak: Gefangene "Foreign Fighters" sollen auf unbegrenzte Zeit interniert werden

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Mutmaßungen, Spekulationen, Verschwörungstheorien: Über die Gegner der US geführten Koalitionstruppen im Irak, den so genannten "Aufständischen", weiß jeder etwas anderes zu erzählen und keiner weiß es genau. Die Zeichnungen der irakischen "Resistance", ob als Freiheitskämpfer und Patrioten oder als Kriminelle und Terroristen, verraten meist sehr viel mehr über die politischen Neigungen der jeweiligen Autoren, als dass sie uns der Wirklichkeit näher bringen. Zu ihrem großen Schaden hält die US-Regierung weitgehend an groben, verallgemeinernden Feindbildern fest. Anstatt für mehr Aufklärung zu sorgen, baut man große Hindernisse für objektive Berichterstattung im Irak auf und lässt am liebsten das Meiste im Dunkeln. Neuestes Beispiel: der Umgang mit den im Irak gefangen genommenen "Foreign Fighters".

Die Vereinigten Staaten hätten die Zahl der gefangen genommenen "Foreign Fighters" im Irak "beträchtlich erhöht". Nach Auffassung der amerikanischen Regierung würden diese Gefangenen nicht von den Bestimmungen der Genfer Konventionen geschützt. Diese Angaben machten offizielle Kreise gestern gegenüber der New York Times. Wie ein Vertreter des Pentagon präzisierte, befinden sich derzeit 325 ausländische Kämpfer in Gefangenschaft. Die Zahl habe sich durch die Großoffensive auf Falludscha stark vergrößert; etwa 140 nicht-irakischeGefangene wurden seit dem 7.November in Falludscha und der nächsten Umgebung gemacht. Wie Vertreter der Bush-Regierung schon in der letzten Woche bekannt gaben, werden die meisten von ihnen verdächtigt, dass sie Verbindungen zu al-Qaida oder anderen Terrororganisationen haben.

Jetzt steht ihnen das Schicksal der Insassen von Guantanamo Bay bevor. "Einige dieser Nichtiraker, die im Widerstand involviert waren, könnten andernorts außerhalb des Landes transferiert werden und auf unbegrenzte Zeit inhaftiert", heißt es in dem New York Times-Bericht. Das Justizministerium ist der Auffassung, dass sie rechtlich nicht befugt seien, unter den Schutz der Genfer Konventionen zu fallen. Alberto R. Gonzales, der künftige amerikanische Justizminister (vgl. Die US-Regierung und die Folter), verwies in einer Senatsanhörung, in der der rechtliche Umgang mit dieser Art von Kriegsgefangenen zur Sprache kam, auf eine juristische Regelung des letzten Jahres.

Wir hatten Mitglieder von Al-Qaida, die die Absicht hatten, Amerikaner zu töten, und in das Land geströmt sind. Und da stellte sich uns legitimerweise, nach meinem Urteil, die Frage, was die rechtlichen Beschränkungen sind, wie wir mit diesen Terroristen umgehen können. Es gab eine Befürchtung, dass wir für die Terroristen einen Zufluchtsraum schaffen würden, wenn wir sagen würden, dass sie, wenn sie im Irak-Konflikt gegen Amerika kämpfen, die Schutzrechte von Kriegsgefangenen erhielten.

Alberto R.Gonzales

Wie seit einiger Zeit bekannt, stellt man in den USA derzeit Überlegungen an, die Gefängnisfestung in Guantanamo zu vergrößern, bzw. an anderen Orten neue Gefängnisse zu errichten und die Dauer der Inhaftierungen auf unbefristete Zeit zu verlängern. Die Gefangenen haben so gut wie keine Chance, ihre etwaige Unschuld zu beweisen. Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen; es liegt in vielen Fällen allein an der Einschätzung von Soldaten an der Front, ob sie einen Gefangenen als Terroristen einstufen.

Folgt man einigen Kriterien, die man etwa in Falludscha eingesetzt hat, um die Guten von den Bösen zu selektieren, wächst das Misstrauen gegenüber dem angesetzten Definitionsprofil eines Terroristen oder Widerständlers. So hat man etwa die Rückkehrer nach Falludscha zur Seite genommen und einer eigenen Befragung unterzogen, bei denen "antiamerikanische Literatur oder ähnliches Material wie CDs" gefunden wurden. Was, wenn derjenige ein Mann im wehrfähigen Alter ist, nicht devot, und einen arabischen Akzent hat, der vom zuständigen Marine-Posten bzw. dessen Übersetzerhilfe als "nichtirakisch" erkannt wird?

Allerdings ist es auch blauäugig in den "arabischen Brüdern", wie sie von einigen Irakern bezeichnet werden (für welche, die Amerikaner und die Alliierten die eigentlichen "Foreign Fighters" sind), vor allem "solidarische Freiheitskämpfer" zu sehen. Sie würden keiner irakischen Agenda folgen, sondern derjenigen des internationalen Dschihad, berichtete der französische Journalist Malbrunot nach seiner Freilassung von seinen Eindrücken von der "Islamischen Armee im Irak". Der Selbstmordattentäter, der kurz vor Weihnachten in Mosul 22 Menschen tötete, die meisten von ihnen amerikanische Soldaten, war aus Saudi-Arabien, ein Diplomatensohn, offensichtlich mit Verbindungen zu Terroristen, in den Irak gereist, um Amerikaner, " d i e Ungläubigen per se", zu töten. Differenzierungen sind nötig, obskure Pauschalverdammungen und Verurteilungen, wie sie die Politik der USA gegenüber den gefangenen Foreign Fighters anlegt, müssen dem Licht der Öffentlichkeit ausgesetzt werden. Aber wie es aussieht, liegt der derzeitigen Regierung das Agieren im dunklen, rechtlosen Raum näher.