AIDS in Afrika

Ghana und Nigeria planen neue AIDS-Programme und in Kenia läuft der Test eines potenziellen Impfstoffes

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Zum Weltgesundheitstag am 7. April verkündete der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, einen Durchbruch im Kampf gegen AIDS. Führende Pharmakonzerne haben zugesagt, ihre Preise für die ärmsten Entwicklungsländer entscheidend zu senken. In Südafrika ist der Prozess um die Billigkopien von Medikamenten beendet, da die Pharma-Firmen ihre Klage zurückgezogen haben

Vom 24.-27. April setzt sich die Organisation für afrikanische Einheit (OAU) auf einem Gipfeltreffen in Nigeria mit AIDS/HIV und anderen Infektionskrankheiten auseinander. Ein Aktions-Plan soll dort erarbeitet werden.

Kofi Annan hat AIDS zur Chefsache erklärt:

Encouraging the active participation of all partners in the fight against AIDS has become my personal priority. The epidemic is the greatest public health challenge of our times and we must harness the expertise of all sectors of society. The pharmaceutical industry is playing a crucial role. We need to combine incentive for research with access to medication for the poor. (...) I am calling for a major mobilisation - of political will and significant additional funding - to enable a dramatic leap forward in prevention, education, care and treatment.

Das AIDS-Programm der Vereinten Nationen, UNAIDS gab bekannt, dass weltweit inzwischen 36,1 Millionen Menschen mit HIV infiziert sind, davon fast drei Viertel in Afrika. Im vergangenen Jahr haben sich weltweit 5,3 Millionen angesteckt, 3 Millionen starben an AIDS. Insgesamt sind inzwischen 21,8 Millionen Menschen an der Immunschwäche weltweit verstorben. Weltweit steigt die Zahl der Neuinfektionen wieder (HIV wieder auf dem Vormarsch - Entwicklung eines neuen Impfstoffs). Für Afrika hofft die Organisation auf eine mögliche Stabilisierung der HIV-Inzidenz (Zahl der jährlichen Neuinfektionen). Vermutlich haben sich südlich der Sahara im vergangenen Jahr 3,8 Millionen Menschen neu infiziert, 1999 waren es noch 4 Millionen. Wahrscheinlich liegt das hauptsächlich an zwei Faktoren: erstens hat die Epidemie inzwischen bereits weite Teil der sexuell aktiven Bevölkerung erfasst und zweitens haben in einigen Ländern, wie z.B. Uganda erfolgreiche Präventionsprogramme die nationalen Infektionsraten gesenkt. Mehr als 10% der Bevölkerung sind in Kenia, Malawi, Mocambique, Ruanda, Sambia infiziert, mehr als ein Viertel aller Erwachsenen in Botswana, Namibia und Zimbabwe.

Südafrika hatte nach Angaben von Redribbon ca. 4,7 Millionen Infizierte, die absolut höchste Zahl der Welt. Jeder Neunte ist HIV-positiv. Es gibt Teile des Landes wie die Provinz KwaZulu-Natal, in der 36,2 Prozent der Bevölkerung HIV-infiziert sind. Am schnellsten verbreitet sich AIDS unter Frauen zwischen 20 und 29 Jahren. Wahrscheinlich werden bis 2006 über eine Million Kinder ihre Mütter durch AIDS verlieren.

Afrika südlich der Sahara

Erwachsene und Kinder, die mit AIDS/HIV leben: 25,3 Millionen

Neu Infizierte 2000: 3,8Millionen

Anteil der Frauen unter den Erwachsenen mit HIV: 55%

Hauptübertragungsweg: Hetero

In Südafrika ist der Prozess um die Billigimporte von AIDS-Medikamenten beendet. 39 Pharmafirmen hatten auf die Einhaltung der Schutz ihrer Patente, gemäß dem TRIPS-Abkommen (Trade Related Intellectual Property Rights der Welthandelsorganisation (WTO) zum Schutze der geistigen Eigentumsrechte geklagt, am 19. April aber ihre Klage zurück gezogen.

Südafrika will billige Kopien der AIDS-Medikamente selbst herstellen und importieren, ein entsprechendes Gesetz wurde erlassen, war aber durch den Rechtsstreit blockiert. Bisher hatte die Regierung den Notstand nicht ausgerufen, was eine sofortige Einfuhr billiger Medikamente ermöglichen würde. Ob Südafrika sich nun mit dem Kompromiss billigere Angebote durch die Pharmareisen zufrieden geben wird, ist noch nicht klar. Es heißt, Kofi Annan habe zwischen den Parteien vermittelt, um den Rechtsstreit beizulegen. Die Pharma-Firmen haben zugesagt, sogar die Prozesskosten zu übernehmen. Dafür erwarten sie natürlich, dass Südafrika in Zukunft das TRIPS-Abkommen respektiert und sämtliche AIDS-Medikamente zu Spezial-Preisen bei ihnen einkauft. Die südafrikanische Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang bejubelte die Entscheidung und kommentierte gegenüber Allafrica: "This is a victory not just for South Africa, but for Africa and the whole developing world. I would like to say thank you to the whole world for supporting us."

Die Weltmarkt-Preise der internationalen Pharma-Firmen sind für die meisten afrikanischen Staaten unbezahlbar. Brasilien hat vorgemacht, wie es geht: 1997 erklärte die Regierung, es liege eine nationale Notlage vor und berief sich auf die Ausnahmeklauseln des TRIPS-Abkommen, um Generika durch einheimische Labore herstellen zu lassen, die chemischen Grundsubstanzen werden günstig importiert. Das Modell hat sich in Brasilien absolut bewährt, die Preise für die Behandlung sind um 80% gefallen und AIDS-kranke Brasilianer bekommen die Medikamente kostenlos. Die Sterblichkeitsrate konnte halbiert werden. Trotz dieser Erfolge steht der Anspruch auf die Einhaltung von TRIPS auch für den südamerikanischen Staat im Raum, eine diesbezügliche Klage Washingtons bei der WTO ist anhängig.

Der andere mögliche Weg für die Staaten der "Dritten Welt", die die Weltmarktpreise der Pharma-Multis nicht bezahlen können, ist die Verhandlung über Preisnachlässe für die lokalen Märkte. In Afrika hatten der Senegal, Uganda, Kamerun, die Elfenbeinküste und Ruanda bereits vergangenes Jahr erfolgreich verhandelt. Allerdings sind die ca. 1000 Dollar im Jahr pro Patient z.B. im Senegal weder für das öffentliche Gesundheitssystem noch für die meisten Erkrankten privat zu finanzieren. Im Vergleich: Indische Unternehmen bieten Generika der Kombinationstherapien gegen AIDS für jährlich 350 Dollar an.

Der Pharmakonzern Merck hatte im März angekündigt, seine AIDS-Präparate an alle Entwicklungsländer günstiger abzugeben (Der Pharmakonzern Merck senkt die Preise für AIDS-Medikamente in Entwicklungsländern). Aber auch ein Zehntel des Preises, der in den Industriestaaten (pro Patient und Jahr zwischen 10 000 und 15 000 Dollar) bezahlt wird, ist für die überwiegende Mehrheit der afrikanischen Patienten unerschwinglich. Merck ist einer der Konzerne, die gegen die Regierung Südafrikas klagen.

Viele Stimmen hatten sich gegen die Pharma-Multis erhoben und an sie appelliert, ihre Klage zurückzuziehen. Ärzte ohne Grenzen führte den Kampf an:

Wir fordern die 39 Pharma-Firmen auf, unverzüglich und bedingungslos ihre Klage fallen zu lassen. Darüber hinaus rufen wir die Regierungen anderer Staaten auf, die Bevölkerung Südafrikas zu unterstützen, indem sie an die Firmen appellieren, den Prozess zu beenden. In Südafrika sind mehr als vier Millionen Menschen HIV-infiziert; das Land hat die höchste HIV/Aids-Rate weltweit. Nur wenige Menschen können sich eine Behandlung leisten, die in Industrieländern das Leben von HIV/Aids-Patienten verbessert und verlängert. Seit 1998 hat die Arzneimittelindustrie die Bemühungen der südafrikanischen Regierung blockiert, die Möglichkeiten ihrer Gesetzgebung im medizinischen Bereich auszuschöpfen. Sie begründet ihr Vorgehen damit, dass Patentrechte verletzt würden. In Südafrika sind in diesen drei Jahren bereits ca. 400.000 Menschen an AIDS gestorben.

250 000 Menschen aus aller Welt haben den Aufruf unterzeichnet. Selbst die deutsche Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat sich inhaltlich angeschlossen und argumentierte: "Dass die verheerende AIDS-Ausbreitung eine nationale Notlage bedeutet, dürfte eigentlich einleuchten. Wir brauchen nicht Konfrontation, sondern Kooperation."

Die Vereinten Nationen setzen auf die Einhaltung von TRIPS und Spezialpreise für arme Staaten, Kofi Annan hat das in seiner Presseerklärung am 5. April deutlich formuliert:

Intellectual property protection is key to bringing forward new medicines, vaccines and diagnostics urgently needed for the health of the world's poorest people. The UN fully supports the TRIPS agreement - including the safeguards incorporated within it. However, the solution does not lie with the pharmaceutical companies alone.

Die sechs Firmen, die nun zugesagt haben, ihre Preise pauschal für die ärmsten Länder zu senken sind Abbott Laboratories, Boehringer Ingelheim, Bristol-Myers Squibb, Glaxo Smith Kline, Hoffman-La Roche und Pfizer. Die meisten der Pharma-Riesen sind bei der Sammelklage gegen Südafrika dabei. Immerhin geht es um sehr viel Geld, sollten sich weitere arme Staaten dem Beispiel Brasiliens und Südafrikas anschließen, würde die Weltmarktstellung dieser Konzerne in sich zusammenbrechen. Aber allen ist klar, dass diese Diskussion einen doppelten Boden hat und im Interesse der HIV-Infizierten in Afrika wäre es ein Wahnsinn, das Angebot verbilligter Arzneien prinzipiell abzulehnen. Da es um die nackte Existenz geht, gilt es, nach jedem Strohhalm zu greifen. Wenigstens die internationalen Hilfsorganisationen werden sich mit diesem Angebot leisten können, ihre Unterstützung afrikanischer AIDS-Kampagnen zu intensivieren. Pragmatismus ist Trumpf, denn die Medikamente sind der Schlüssel zum Überleben für alle bereits Infizierten. Dr. Gro Harlem Brundtland, Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO ) begrüßte entsprechend auch die neuen Zusagen: "Access to affordable medicines is a key element in improving both care and prevention. Affordable drugs will catalyze greatly increased attention to voluntary counselling and testing, effective healthcare delivery systems, and innovative funding mechanisms." Selbst "Ärzte ohne Grenzen" forderte neben der Einstellung des Verfahrens in Südafrika auch die Abgabe günstiger Medikamente an arme Länder.

Trotzdem wird letztlich nur die Prävention den afrikanischen Staaten einen Ausweg aus der AIDS-Krise bieten. Südafrika hat in der Vergangenheit durch die Äußerungen des Präsidenten Thabo Mbeki für Irritation gesorgt, weil er den Zusammenhang von HI-Virus und AIDS immer wieder infrage gestellt hat. Auch im kürzlich veröffentlichten Bericht des Gesundheitsministeriums, der Grundlage für die offizielle AIDS-Politik des Landes sein soll, hat sich das fortgesetzt. Mbeki hatte auch verschiedene "AIDS-Dissidenten" u.a. David Rasnick in das Wissenschaftlergremium berufen. Wie nicht anders zu erwarten, taten sie das, was sie immer tun: sie leugnen den Zusammenhang zwischen dem Virus und der Erkrankung und empfehlen in Minderheitenvoten z.B. bei Blutspenden keine HIV-Tests mehr durchzuführen. Die Regierung beabsichtigt aber trotz dieses widersprüchlichen Berichts, ihre bisherige Politik weiterzuführen, die auf der Prämisse beruht, HIV sei der Erreger von AIDS.

Andere afrikanische Führer pflegen ebenfalls seltsame Mythen. Der Präsident Nambias, Sam Nujoma, behauptete gerade gegenüber der Presse, dass AIDS eine von den Amerikanern kreierte biologische Waffe sei, die für den Vietnam-Krieg entwickelt worden sei.

Aufklärungskampagnen sind entscheidend, damit die Afrikaner sich vor Ansteckung schützen. Prävention ist die Grundlage jeder sinnvollen Anti-AIDS-Strategie. In Ghana sind etwa 600'000 (4,6% der Bevölkerung) Menschen HIV-positiv, die Regierung plant gerade ein Projekt mit internationaler Unterstützung, um Heranwachsenden bis 29 Jahre systematisch aufzuklären. Die Gruppe der unter 30Jährigen trägt das größte Ansteckungsrisiko.

Die große Hoffnung ist außerdem ein potenziell billiger Impfstoff, mit dem Neuinfektionen verhindert werden könnten. Derzeit werden mindestens 22 Prototypen weltweit getestet. Die ersten Resultate sind nicht sehr ermutigend, aber die ärmsten Nationen haben letztlich gar keine andere Chance als auf eine brauchbare Impfung zu hoffen. Nigeria, der bevölkerungsreichste Staat Afrikas, plant zur Zeit die Teilnahme an Impfversuchen der International AIDS Vaccine Initiative. Bisher sieht die Situation im Land noch relativ gut aus, von 108,2 Millionen Nigerianern sind wahrscheinlich "nur" 2,6 Millionen HIV-psitiv. Uganda hat sich der Impf-Initiative bereits angeschlossen, Südafrika ebenfalls.

In Kenia läuft seit einigen Wochen der Versuch mit dem Impfstoff Oxavi, der von Mikrobiologen der Universität Nairobi und Kollegen von der Universität Oxford entwickelt wurde. Eine kenianische AIDS-Initiative hatte vor 15 Jahren entdeckt, dass eine Gruppe von Prostituierten im Majengo-Slum von Nairobi trotz vieler sexueller Kontakt zu Infizierten offenbar resistent gegen den Virus war. Wie sich dann durch eine Studie heraus stellte, hatten die Frauen eine Art natürlicher Immunität durch eine sehr hohe Zahl von T-Killerzellen, jenen Abwehrzellen, mit denen der Körper sich gegen AIDS wehrt. Das Impfserum Oxavi kopiert dieses Immunsystem, in einer ersten Stufe durch kopierte Teile der HIV-Erbsubstanz, in einer zweiten dann einen modifizierten Virus (Modified Vaccinia Virus - MVA). Die erste Phase des Tests soll 18 Monate dauern und die Suche nach Freiwilligen erwies sich als schwierig. Bisher sind nur 4 Testpersonen gefunden (es sollen insgesamt 60 werden) und nur die Ärztin Dr. Pamela Mandela Idenya traute sich vor die Kameras. "I joined the medical profession to alleviate human suffering, but with Aids, I often find myself not able to," sagte die 31-jährige Hals-Nasen-Ohren Spezialistin,

I fear Aids, but I also hate the havoc it is wreaking. By being one of the first volunteers, I am fighting back. I hope my example will encourage other Kenyans to volunteer for the trials. An effective vaccine offers the best hope in the war against Aids, especially given that the high cost of antiretrovirals makes them virtually inaccessible for most people in the developing world.

Allafrica

In der zweiten Phase des Versuchs sollen Menschen mit hohem Infektionsrisiko geimpft werden. Die Wissenschaftler hoffen, dass Oxavi in 8 Jahren auf dem Markt sein wird.

Das Vakzine soll gegen den in Ostafrika weit verbreiteten HIV-A schützen, aber auch zu 80% gegen andere Subtypen. In den USA und Europa ist der Subtyp B der häufigste, so die Wissenschaftler des Oxavi-Versuchs. Dieser Auffassung widersprach im März auf einer Podiumsdiskussion der Vereinten Nationen Dr. Seyou Ayehunie vom AIDS-Institut der Universität Harvard. Er führte aus, dass der verbreiteteste Subtypus in Afrika C sei, und dass die meisten Impfstoffe bisher tatsächlich auf Subtypen ausgerichtet seien, die v.a. im Westen vorkämen. Nur 5% der Versuchsimpfstoffe fokussierten auf den Typ C.

Im Juni wird sich eine Spezialsitzung der UN-Vollversammlung mit dem internationalen Kampf gegen HIV/AIDS beschäftigen, dann wird wahrscheinlich auch klar werden, in welche Richtung Forschung und Preispolitik der Konzerne sich entwickeln.

Wer jetzt ganz konkret eine AIDS-Kampagne für Kinder in Afrika unterstützen will, sollte die TheKidsAIDSSite ansurfen und per Mausklick täglich spenden. Jede Menge weiterer Informationen und Links gibt es beim AIDSFinder