Abmahnungen vierter Ordnung

Der Konflikt um Wahlcomputer verschärft sich - Kritiker bekommen Rückhalt von der Politik

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Der Wahlcomputer-Hersteller Diebold versucht weiter, mit allen Mitteln gegen Kritiker vorzugehen. Doch zu den nächsten Abmahn-Fällen könnte auch ein demokratischer Präsidentschaftskandidat gehören. Mittlerweile fordern Politiker aller Parteien eine Nachbesserung der Technologie.

In Auseinandersetzungen um die Sicherheit von elektronischen Wahlmaschinen gerät der Wahlcomputerhersteller Diebold zunehmend in die Defensive. So begann Anfang der Woche ein Gerichtsverfahren der Electronic Frontier Foundation (EFF) gegen Diebold, mit dem der Konzern daran gehindert werden soll, weiterhin Abmahnungen an seine Kritiker und ihre Internetprovider zu verschicken.

Diebold hatte in den vergangenen Monaten zahlreiche Website-Betreiber, Provider und Universitäten abgemahnt, die interne Memos einiger Diebold-Mitarbeiter publiziert oder verlinkt hatten (siehe auch: Urheberrecht gegen Kritiker).Die Memos dokumentieren einen äußerst schlampigen Umgang der Firma mit der Sicherheit ihrer Geräte. So legen sie unter anderem nahe, dass bei vergangenen Wahlen in den USA mehrfach Geräte eingesetzt wurden, die nicht den gesetzlichen Zertifizierungsvorschriften genügten.

Im Visier: Der Provider des Providers

Mit der von der EFF initiierten Klage wollen sich jetzt zwei Studenten des Swarthmore Colleges und ein Nonprofit-Provider namens Online Policy Group (OPG) Rechtssicherheit gegen die Diebold-Abmahnungen verschaffen. Die Swarthmore-Stundenten hatten die fraglichen Memos direkt auf ihrer Website zum Download angeboten. OPG hat dagegen nur einen Kunden, der die Memos auf seinem eigenen Server verlinkt hatte.

Diebold warf dem Nutzer in einer Abmahnung vor, durch diese Links eine "sekundäre Urheberrechtsverletzung" begangen zu haben. OPG bekam ebenfalls eine Abmahnung, in der man der Gruppe vorwarf, durch die Anbindung eines Servers, der zu den Memos verlinkt, ebenfalls Urheberrechte zu verletzen. Schließlich bekam auch OPGs Upstream-Provider eine Abmahnung, sozusagen für eine Urheberrechtsverletzung vierter Ordnung. Mit einer Entscheidung des Gerichts wird bereits in den nächsten Tagen gerechnet.

Unterstützung bekommen die Diebold-Kritiker unterdessen von dem US-Kongressabgeordneten und demokratischen Präsidentschaftskandidaten Dennis Kucinich. Der linksliberale Kucinich hat auf seiner Kongress-Website Links zu einigen Diebold-Memos veröffentlicht. In den Augen des Wahlcomputer-Herstellers dürfte Kucinich damit selbst Copyright-Verletzungen begehen. Kucinich widerspricht dieser Auffassung jedoch auf seiner Website und kündigt gleichzeitig an, ein Gesetz zu erarbeiten, das einen Open Source-Entwicklungsprozess für Wahlcomputer vorschreiben würde.

Die anhaltende Diskussion um derartige elektronische Wahlhelfer hat dafür gesorgt, dass mittlerweile Politiker aller Parteien Nachbesserungen der Technologie fordern. So kündigten diese Woche erstmals drei republikanische Kongressabgeordnete an, einen Gesetzentwurf zu unterstützen, der den Einsatz von Papierbelegen beim elektronischen Wählen vorschreiben würde. Die meisten der bisher eingesetzten Wahlcomputer bieten Wählern keine Möglichkeit, ihre Wahlentscheidung auf Papier dokumentiert zu bekommen. Kritiker sehen darin jedoch die einzige Möglichkeit, elektronische Wahlen im Nachhinein überprüfen zu können.