Abnickverfahren und die Hingezogenheit zu Religionen

Anatomie eines teilweise verfassungswidrigen BKA-Gesetzes - Teil 2

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der internationale Terrorismus

Anders als die Beschwerdeführer sah das Gericht den Begriff des "internationalen Terrorismus" nicht als mehrdeutig und nicht der Normenklarheit entsprechend an. Vielmehr wäre dieser Begriff bereits hinreichend durch die Aufgabenbeschreibung des § 4a Abs. 1 BKAG und dessen Verweis auf § 129a Abs. 1, 2 StGB in enger Anlehnung an den EU-Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 und die internationale Begrifflichkeit1 auf spezifisch charakterisierte Straftaten von besonderem Gewicht begrenzt. Straftaten mit dem "Gepräge des Terrorismus" seien stets darauf ausgerichtet, eine Destabilisierung des Gemeinwesens zu erreichen, wobei sie in rücksichtsloser Instrumentalisierung anderer Menschen Angriffe auf Leib und Leben beliebiger Dritter umfassen. Sie richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes. Ferner sei das Gesetz auch dazu geeignet, dem Ziel, dem internationalen Terrorismus zu begegnen, zu entsprechen, und die Kompetenzrichtlinien, die die Beschwerdeführer rügten, seien nicht verletzt worden. Doch bei all den Maßnahmen seien stets auch die Erforderlichkeit und Geeignetheit zu beachten. Diesen Anforderungen genüge das Gesetz vielfach nicht.

Hingezogenheit zu fundamentalistischen Religionen

Überwachungsmaßnahmen, so das Gericht, können auch dann erlaubt werden, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Als Beispiel führten die Richter eine Person an, die aus einem terroristischen Ausbildungslager nach Deutschland einreise. Doch, und dies ist hinsichtlich der oft geäußerten Ansicht, jeder, der mit dem fundamentalistischen Islam sympathisiere oder sich zu ihm hingezogen fühle, sei automatisch verdächtig, wichtig: Die Erkenntnis über eine solche Hingezogenheit zu fundamentalistischen Religionen allein ist nicht ausreichend, um Überwachungsmaßnahmen zu rechtfertigen. Dies ist eine deutliche Absage an die vage Interpretation des Begriffes des Gefährders.

Kontakt zu Verdächtigen

Der reine Kontakt zu einem Verdächtigen reicht ferner laut Urteil nicht aus, um auch die Kontaktperson durch heimliche Maßnahmen zu überwachen. Zwar könnten Ermittlungsmaßnahmen mit geringer Eingriffstiefe durchgeführt werden, um zu erfahren, ob sich so Begründungen für Maßnahmen mit höherer Eingriffstiefe finden lassen, automatisch aber tiefgreifende Maßnahmen auch auf Kontaktpersonen auszudehnen entspreche nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es sei stets darauf zu achten, dass es eine spezifische individuelle Nähe der Betroffenen zu der aufzuklärenden Gefahr oder Straftat gibt. Es bedürfe zusätzlicher Anhaltspunkte, dass der Kontakt einen Bezug zum Ermittlungsziel aufweist und so eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Überwachungsmaßnahme der Aufklärung der Gefahr dienlich sein wird, um heimliche Maßnahmen rechtfertigen zu können. Ermittlungen, die lediglich darauf abzielen, zu erfahren, ob sich irgendwelche Gründe für eine Überwachung finden lassen, seien nicht verfassungskonform.

Auch hier hat das Gericht noch einmal klar bestimmt, dass der Gesetzgeber dem BKA nicht einfach Kompetenzen geben darf, die eine Überwachung ins Blaue hinein ermöglichen oder jeglichen Kontakt zu Verdächtigen bereits als Grund für tiefgreifende Überwachungsmaßnahmen definieren.