"Abschied von alten Gewohnheiten"

Die Polizeigewerkschaft GdP-NRW fordert, Bagatellstraftaten wie Schwarzfahren und Betäubungsmittelbesitz als Ordnungswidrigkeiten zu behandeln

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Der nordrhein-westfälische Bezirksverband der Polizeigewerkschaft GdP hat ein kriminalpolitisches Programm veröffentlicht, in dem er kritisiert, dass Polizisten sehr viel Zeit für Bürokratie aufwenden, weil sie beispielsweise bei kleinen Mengen an gefundenen Betäubungsmitteln Anzeigen ausarbeiten müssen - auch wenn sie genau wissen, dass die Verfahren von den Staatsanwaltschaften im Regelfall eingestellt werden.

Deshalb fordert die GdP unter der Überschrift "Abschied von alten Gewohnheiten", dass man den Besitz kleinerer Mengen Betäubungsmittel künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit bestraft. Das Ergebnis wäre dann ein Bußgeld, das die Ordnungsämter mit weniger Aufwand verhängen könnten als die Strafverfolgungsbehörden ihn sich derzeit machen müssen.

Dass der Aufwand deutlich geringer ist, zeigt sich auch an der deutlich geringeren Zeit, die in vergleichbaren Ordnungswidrigkeitenverfahren bis zu einer Rechtsfolge durchschnittlich vergeht. Für die Präventionswirkung wäre das ein nicht zu unterschätzender Vorteil: Ein Bußgeldbescheid innerhalb von wenigen Wochen konditioniert einen Täter eher als ein Strafbefehl oder ein Einstellungsbescheid, der nach einem Jahr bei ihm eintrudelt.

Ein anderer Bereich, in dem nach Meinung der Polizeigewerkschaft sinnlos Ressourcen verschleudert werden, ist die Strafverfolgung von Schwarzfahrern. Hier schlägt der GdP-Bezirksverband vor, Strafverfahren nur noch in extremen Fällen einzuleiten. Dafür würde sprechen, dass eine "Beförderungserschleichung" von vielen Bürgern ohnehin nicht als Straftat empfunden wird, wie das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen einräumt.

Auch Beleidigungen, Sachbeschädigungen abseits des Graffiti-Unwesens und Ladendiebstähle, die nicht von organisierten Banden begangen werden, sieht die GdP in den Händen der Ordnungsämter besser aufgehoben. Letzteres gilt allerdings nicht für Diebstähle organisierter Banden, gegen die sich die Polizisten mehr Sanktionsmöglichkeiten wünschen. Um diese zur Verfügung zu stellen, könnte beispielsweise das Jugendstrafrecht nach dem Motto "adult crime - adult time" geändert oder die Strafmündigkeit herabgesetzt werden.

Müssten die Beamten nicht jeden Ladendiebstahl als Straftat behandeln, dann hätten sie aber auch bei der derzeitigen Rechtslage mehr Zeit, sich mit der organisierten Variante zu beschäftigen. Andere Bereiche, in denen die Beamten der GdP-NRW nach gerne aktiver wären, sind gewalttätige Jugendbanden und Serieneinbrüche.

Im nächsten Monat sollen sich Experten aus den 16 Bundesländern auf eine Initiative des niedersächsischen Justizministeriums hin mit den Forderungen nach einer besseren Ressourcenallokation im Strafrecht befassen und eventuell eine Bundesratsinitiative dazu ausarbeiten. Im Bundesjustizministerium will man dagegen nicht aktiv werden. Hier arbeitet man stattdessen an einem neuen Gesetz zur anlasslosen Telekommunikationsverbindungsdatenspeicherung aller Bürger - das die GdP ebenfalls befürwortet.

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