Adipositas-Therapie: Ist eine dauerhafte Medikation notwendig?
Medikamente gegen Übergewicht helfen beim Abnehmen. Sie müssen wohl auf Dauer eingenommen werden. Studien zeigen, dass nach Absetzen oft Gewichtszunahme folgt.
Adipositas ist eine neue Volkskrankheit. Die Hoffnung vieler Übergewichtiger ruht nun auf Tirzepatid, Semaglutid, Orlistat oder Liraglutid. Hinter diesen Namen verbergen sich Medikamente, die beim Abnehmen helfen sollen.
Dass man mit ihnen das Körpergewicht reduzieren kann, wurde in mehreren Versuchsreihen bestätigt. Leider hat sich inzwischen auch gezeigt, dass der gefeierte Erfolg erstens zahlreiche Nebenwirkungen hat und zweitens eine dauerhafte Einnahme der jeweiligen Medikamente erforderlich macht.
Wirksamkeit und Nebenwirkungen von Adipositas-Medikamenten
Das doppelt wirksame Tirzepatid bindet ähnlich wie Semaglutid und Liraglutid an GLP-1-Rezeptoren. Ferner bindet es aber auch an glukoseabhängige insulinotrope Peptid-Rezeptoren. Dadurch hemmt es den Appetit, die Patienten essen weniger und nehmen in der Folge ab. Tirzepatid soll in seiner Wirkung Semaglutid überlegen sein.
Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft hat im Frühjahr 2023 eine Übersicht über die zu diesem Zeitpunkt verfügbaren oder kurz vor der Markteinführung stehenden Medikamente zur Behandlung der Adipositas online gestellt.
Die Nebenwirkungen und Folgen der Behandlung mit den Adipositas-Medikamenten sind nicht völlig identisch, ähneln sich aber und sollen im Folgenden nur beispielhaft angesprochen werden.
Orlistat: Effektivität und unangenehme Nebenwirkungen
Orlistat gehört zu den Lipasehemmern, die die Aufnahme von Fett in den Körper verhindern. Orlistat blockiert die fettspaltenden Enzyme im Darm. Dadurch wird etwa ein Viertel des täglich aufgenommenen Fettes vom Körper nicht verwertet und direkt mit dem Stuhl ausgeschieden.
Sehr unangenehme Nebenwirkungen werden beschrieben. Häufig wird von Flecken in der Unterwäsche durch den "Fettstuhl", Durchfall bis hin zur Stuhlinkontinenz, Blähungen mit Stuhlabgang oder Verdauungsstörungen berichtet.
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Wegen der äußerst unangenehmen Nebenwirkungen nehmen nach einem Jahr nur noch sechs Prozent der Abnehmwilligen das Medikament. Offensichtlich überwiegen für die Patienten die Nebenwirkungen den Gewinn an Lebensqualität durch die Gewichtsabnahme.
Nicht zuletzt belaufen sich die Kosten je nach Produkt und Packungsgröße auf 70 bis 120 Euro pro Monat und werden als sogenanntes Lifestyle-Produkt in der Regel nicht von den Krankenkassen erstattet.
Risiken bei Ende von Therapie mit Tirzepatid
Das Schlankheitsmittel Tirzepatid, das auch zur Behandlung von Diabetes zugelassen ist, hilft übergewichtigen oder fettleibigen Menschen bei einer einwöchigen Einnahme deutlich, ihr Gewicht zu reduzieren. Übergewichtige profitieren also zu Beginn der Therapie von Tirzepatid. Das wird auch international gefeiert.
In einer klinischen Phase-III-Studie wurde inzwischen getestet, inwieweit sich das Gewicht der Probanden verändert, wenn das Medikament nach 36 Behandlungswochen abgesetzt und durch ein Placebo ersetzt wird. Nach der Umstellung nahmen die Probanden in weiteren 52 Studienwochen wieder zu.
In Studien mit dem Schlankheitsmittel Semaglutid war bereits untersucht worden, wie sich das Absetzen des Medikaments nach 20 Wochen Therapie auf das Gewicht von Patienten auswirkt, die bis dahin kontinuierlich abgenommen hatten.
Der Wechsel von Semaglutid zu einem Placebo führte wie bei Tirzepatid zu einer erneuten Gewichtszunahme.
Die Ergebnisse der aktuellen Studien werfen die Frage auf, wie lange Patienten Medikamente mit Adipositas GLP-1-Agonisten einnehmen müssen, um langfristig von der positiven Wirkung der Medikamente zu profitieren. Und ob und unter welchen Umständen es überhaupt möglich sein wird, die Medikamente abzusetzen, ohne dass es anschließend zu einer Gewichtszunahme kommt.
Kann eine Therapie mit Schlankmachern beendet werden?
Anja Hilbert, Professorin am Universitätsklinikum Leipzig, stellt in diesem Zusammenhang fest:
Bei verschiedenen Medikamenten zur Gewichtsreduktion, darunter auch Semaglutid, wurde ein Rebound-Effekt nach dem Absetzen beobachtet – die Patienten nehmen wieder zu. Es ist daher nicht überraschend, dass dies auch bei Tirzepatid der Fall ist. Das Ausmaß der Gewichtszunahme in der Placebo-Bedingung deutet darauf hin, dass Patienten, die neun Monate lang Tirzepatid erhalten haben, etwa zwei Jahre nach dem Absetzen wieder ihr Ausgangsgewicht erreichen.
Dies bedeutet, dass eine längerfristige Einnahme von Tirzepatid wahrscheinlich wichtig wäre, um nachhaltigere Effekte zu erzielen. Ob dann aber auch die Gewichtserhaltung nach dem Absetzen besser gelingt, kann derzeit ohne weitere Langzeitdaten nicht abgeschätzt werden. Unklar ist auch, ob es interindividuelle Unterschiede in der Gewichtserhaltung nach Absetzen von Tirzepatid gibt.
Unabhängige Forscher scheinen von dieser Entwicklung nicht überrascht zu sein und fordern daher mehr Studien zum Therapieende. Es scheint derzeit wahrscheinlich, dass eine rein medikamentöse Therapie der Adipositas keinesfalls ausreicht, sondern nur einen Anstoß geben kann und langfristig eine konsequente Verhaltensänderung der Patienten erfordert.
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