Ärger um das Jüdische Museum von Thessaloniki

Jüdischer Grabstein von Chalkida. Bild: W. Aswestopoulos

Die Jüdische Gemeinde von Thessaloniki und zehn Millionen Euro von Steinmeier

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Am heutigen Mittwoch soll in Berlin der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Thessaloniki, David Saltiel, im Bundestag empfangen werden. Zehn Tage vorher hatte Saltiel den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei dessen Besuch in Thessaloniki zum Ehrenmitglied ernannt. Steinmeier brachte zudem viel Geld mit.

Das Plenum soll eine Spende der Bundesrepublik Deutschland in der Höhe von zehn Millionen Euro für das geplante Holocaust Museum in Thessaloniki genehmigen. Es ist ein Ereignis mit hohem Symbolwert, zumal die jüdische Gemeinde von Thessaloniki, bis zum ersten Weltkrieg größte jüdische Ansiedlung der Welt, durch die deutschen Besatzer im zweiten Weltkrieg zu knapp 96 Prozent durch Ermordung der Mitglieder vernichtet wurde. Und doch gibt es in Thessaloniki auch unter Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Widerstand, Protest und Aufruhr. Es werden sogar Neuwahlen des Gemeindevorstands verlangt. Was steckt dahinter?

Es geht um Verbrechen des Holocaust, juristische Feinheiten, ausstehende Reparationen, die Rückzahlung von Lösegeld und Entschädigungen, aber auch um die Vermeidung von Steuern.

Das Holocaust Museum zu Thessaloniki

Die Geschichte des Holocaust Museums-Jüdischen Museums ist bereits älter. Telepolis liegen Akten vor, die belegen, dass schon 1998 Schriftsätze mit dem griechischen Finanzministerium ausgetauscht wurden, in denen es darum ging, wie das Museum verwaltungstechnisch zu führen ist. Es ist der Jüdischen Gemeinde Thessaloniki per eigenem Statut nicht erlaubt, Gelder an eine Gesellschaft zu zahlen, die nicht vollständig von ihr kontrolliert wird. Ein entsprechendes Rechtsgutachten der Professorin Anthi Peleni-Papageorgiou von 1997 belegt dies.

Die nun von Steinmeier zugesicherten zehn Millionen Euro sollen jedoch zusammen mit zehn weiteren Millionen Euro der Stavros Niarchos kommen und komplett in eine im belgischen Brüssel sitzende und zu gründende Gesellschaft "Jüdisches Museum Thessaloniki" transferiert werden. Die Planung des Museums erfolgte in einer gemeinsamen Schenkung an die Gemeinde durch Experten in Berlin und Tel Aviv.

An der nun fraglichen Trägergesellschaft soll neben der Jüdischen Gemeinde als weiterer Anteilbesitzer die Stadtgemeinde Thessaloniki beteiligt werden. Der Sitz im innereuropäischen Ausland soll die Finanzen der Gesellschaft vor den strengen Kapitalverkehrskontrollen, Steuergesetzen, aber auch vor den scharfen Auflagen schützen, die in Griechenland auch für das Pendant der deutschen eingetragenen Vereinigungen, den juristischen Individuen öffentlichen Rechts gelten. Mittelbar könnte die Bundesregierung so als Handlanger von fiskalisch illegalen Aktionen herangezogen werden. Das deutsche Außenministerium müsste sich dann rechtfertigen, wieso Steuergelder in einem mutmaßlich intransparenten Verfahren an ein juristisches Konstrukt mit zweifelhafter Rechtsgrundlage vergeben wurden.

Ob diese Feinheiten den Abgeordneten, die am Mittwoch Saltiel in Begleitung des Bürgermeisters von Thessaloniki Ioannis Boutaris begrüßen werden, bekannt ist, konnte nicht recherchiert werden. Bereits von der Ehrenmitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki zeigte sich die deutsche Botschaft in Athen überrascht. Offenbar war die Ehrung kurzfristig angesetzt worden.

Eine Ehrung ohne Rechtsgrundlage

Auch eine Ehrenmitgliedschaft für Nichtjuden ist in den Statuten der Gemeinde nicht vorgesehen. Sie wurde auch nicht über einen Ratsbeschluss abgesegnet, sondern fand offenbar aufgrund eines Alleingangs von Saltiel statt.

Saltiel begleitet in Berlin zudem der Rechtsanwalt Zivi Barak aus Israel, dessen Ruf nicht unbelastet ist. Barak verfügt zwar auch in den USA über eine Expertise im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Ansprüchen von Holocaustopfern gegen Deutschland, ist aber auf dem gleichen Gebiet mit einer Verurteilung wegen intransparentem Handeln belastet.

Barak hatte einem Gericht in New York die Mitarbeit bei der Aufklärung eines Falls von vermuteter Geldwäsche und Untreue im Zusammenhang mit der Verwendung der Gelder aus Deutschland verweigert. Auf einem seiner Konten fanden sich 1,2 Millionen Dollar, die Baraks Angaben zufolge treuhänderisch für seinen mit der Abwicklung der Entschädigungszahlungen beschäftigten Klienten Israel Singer gehörten.

Harsche Reaktionen von Kritikern

Knapp ein Dutzend der Gemeindemitglieder warfen in einer Sitzung öffentlich auch Saltiel intransparentes Handeln vor. Darunter eine bekannte Historikerin, die in der Presse namentlich nicht genannt werden möchte. Sie wirft Saltiel vor, er würde sich mit zehn Millionen Euro und eigenem persönlichen Ruhm abspeisen lassen, statt von Deutschland die unvergleichbar höhere Summe der Entschädigungen abzuverlangen. Es gibt zahlreiche Protestbriefe, die von vielen Mitgliedern unterschrieben werden.

Der Holocaustforscher Paul Hagouel geht einen Schritt weiter. Er wandte sich bislang erfolglos an das deutsche Außenministerium und den Bundestag. Hagouel erinnert Saltiel in einem offenen Brief daran, dass einer seiner Vorgänger, der Überlebende Leon Benmayor, maßgeblich an der Aufdeckung von Kurt Waldheims Tätigkeit als Nazioffizier in Thessaloniki mitgewirkt hatte. Für den früheren UN-Generalsekretär und österreichischen Präsidenten Waldheim bedeutete die Identifizierung als Mittäter des Holocaust das politische Ende. Darauf sollte Saltiel sich besinnen, fordert Hagouel, "und nicht für dreißig Silberlinge das Gedenken an die Opfer verkaufen".