AfD: Gerüchte über Anschlagspläne und Ruf nach Verbot

Neben aufrechtem Antifaschismus könnten auch Konkurrenzängste ein Motiv für Verbotsforderungen sein. Je nachdem, wer sie stellt. Symbolbild: Anaconda74 / CC0 1.0

Während über Anschläge auf die AfD-Chefs spekuliert wird, will ein CDU-Mann das Verbot der Konkurrenzpartei beantragen lassen. Inhaltlich stellt sich die Frage: Warum?

Nur wenige Tage lagen zwischen provokanten Aussagen des CDU-Chefs Friedrich Merz zur Gesundheitsversorgung für Asylsuchende und der Forderung seines Parteifreundes Marco Wanderwitz nach einem Verbot der ultrarechten Konkurrenzpartei AfD.

"Wir haben es mit einer Partei zu tun, die ernsthaft unsere freiheitliche demokratische Grundordnung und den Staat als Ganzes gefährdet", sagte Wanderwitz in einem Interview mit dem ARD-Magazin Panorama, das am heutigen Donnerstagabend ausgestrahlt wird. "Darum ist es höchste Zeit, sie zu verbieten", befand der Bundestagsabgeordnete und frühere Ostbeauftragte laut einem Vorabbericht des ARD-Portals tagesschau.de.

Vergangene Woche hat sein Parteichef Friedrich Merz mit Desinformation über die vermeintliche Vorzugsbehandlung von Asylsuchenden bei deutschen Zahnärzten Furore gemacht – was frappierend an Aussagen eines AfD-Politikers rund ein Jahr zuvor im Bundestag erinnerte.

Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen – und die deutschen Bürger neben dran kriegen keine Termine.


CDU-Chef Friedrich Merz am 27. September 2023 über Asylsuchende in Deutschland

Tatsächlich steht Geflüchteten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur eine Notfallversorgung zu – Zahnarztbehandlungen fallen nur darunter, wenn sie unaufschiebbar sind – etwa, wenn durch Eiter unter dem Zahn eine Blutvergiftung droht, oder bei starken Schmerzen mit klarer Ursache.

Derlei Stimmungsmache gehört auch zum Repertoire der AfD – aber natürlich kommen aus ihren Reihen auch immer wieder rassistische Äußerungen, die weit darüber hinausgehen. Deshalb fordern seit mehreren Monaten Politiker mehrerer Parteien und Prominente ein AfD-Verbot.

Die Frage ist nur, ob es in der reaktionären Ausrichtung der Gesamtpartei mehr als graduelle Unterschiede zu anderen bürgerlichen Parteien gibt, die ein Verbot rechtfertigen würden.

Woran ein Verbot der NPD scheiterte

Im Fall der offen neonazistischen NPD sah das Bundesverfassungsgericht 2017 zwar inhaltlich die Voraussetzungen für ein Verbot erfüllt, weil sie "auf eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen 'Volksgemeinschaft' ausgerichteten autoritären 'Nationalstaat'" abziele.

"Dieses politische Konzept missachtet die Menschenwürde aller, die der ethnischen Volksgemeinschaft nicht angehören, und ist mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip unvereinbar", erklärte das höchste deutsche Gericht im Januar 2017.

Hintergrund war, dass die NPD mit ihrem "Fünf-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung" durch gezielte Schikanen und Zwangsmaßnahmen auch gegenüber lange in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund erkennbar das Ziel verfolgte, möglichst alle diese Menschen aus dem Land zu drängen. Die Bundeszentrale für politische Bildung nannte dies "ein Vertreibungsprogramm gigantischen Ausmaßes".

Ein Parteienverbot scheiterte aber daran, dass die NPD zu diesem Zeitpunkt nicht als bedeutend genug eingeschätzt wurde, um eine ernste Gefahr für die bundesdeutsche Demokratie darzustellen.

Ein Mangel an politischer Bedeutung kann der AfD momentan sicher nicht unterstellt werden – in manchen Bundesländern ist sie in Umfragen mit mehr als 30 Prozent stärkste Kraft. Das würde erst mal "nur" die Umsetzung eines Verbots schwer machen und die Frage aufwerfen, ob es das Mittel der Wahl sein kann. Inhaltlich könnte ein Parteienverbot aber trotzdem gerechtfertigt sein.

NPD setzt auf umfassende Vertreibung, AfD auf Kosten-Nutzen-Rechnung

Nur gibt es trotz aller rassistischen Stimmungsmache noch inhaltliche Unterschiede zur NPD – wenn auch nicht bei allen Einzelpersonen, Chatgruppen und Stammtisch-Cliquen innerhalb der AfD, so doch in ihrer Gesamtheit.

Es mag auch den lauter werden Rufen nach einem Parteiverbot geschuldet sein – aber im Gegensatz zur NPD legt die AfD Wert auf die Einbindung von Aufsteigern mit Migrationsgeschichte, die sich anpassen, Steuern zahlen und bereit sind, sich von angeblichen "Sozialtouristen" scharf zu distanzieren. Dazu hat die AfD in diesem Jahr den Verein "Mit Migrationshintergrund für Deutschland" ins Leben gerufen.

Möglicherweise steckt dahinter auch mehr als eine Taktik, um einem Verbot zu entgehen: Die AfD will sich den Zugriff auf Wählerstimmen von Eingebürgerten nicht ganz verbauen – und anschlussfähig für konservative und neoliberale Parteien werden, die nichts gegen "Ausländer" haben, wenn sie der deutschen Wirtschaft nützen.

Lieber fertig ausgebildete Fachkräfte als Traumatisierte und Armutsflüchtlinge, die erst einmal Schulabschlüsse nachholen müssen – das ist auch die Devise von Union, FDP und SPD, während die Grünen da noch mit ihrer Basis hadern. Letztere kommen aber als Bündnispartner für die AfD sowieso nicht in Frage.

Eine Zusammenarbeit mit den Unionsparteien dürfte sie sich eher vorstellen können, auch wenn selbst CSU-Chef Markus Söder diese zur Zeit kategorisch ausschließt. Als wichtige Gründe nennt er das mögliche Abspringen wichtiger Handelspartner sowie die EU- und Nato-Kritik der AfD; nicht deren antihumanistische Haltung zu Geflüchteten.

Eine "ethnisch reine Volksgemeinschaft" anzustreben, kann der AfD als Gesamtpartei aber nicht ohne Weiteres unterstellt werden, denn die "Leistungsträger" unter den Eingewanderten will sie ja behalten, wenn sie sich mit ihr gegen den unbequemen Rest stellen.

Darüber könnte es zwar noch interne Auseinandersetzungen mit dem Rechtsaußen-Parteiflügel um Björn Höcke geben. AfD-Politikerinnen wie die Ko-Parteichefin Alice Weidel, die in der Investment-Branche tätig war, dürften aber bei Söders Aussagen aufhorchen und eine zu altbacken-deutschnationale Ausrichtung auch eher geschäftsschädigend für den "Standort Deutschland" finden – abgesehen davon, dass Weidel selbst mit einer Frau mit Migrationshintergrund zusammenlebt.

Mutmaßliche Anschlagspläne und Aussagen über Giftanschlag

Aktuell wird ohne gesicherte Details über mutmaßliche Anschlagspläne gegen Weidel und einen möglichen Anschlag auf AfD-Ko-Chef Tino Chrupalla berichtet. Er soll am Mittwochabend von einer Wahlkampfveranstaltung in Ingolstadt ins Krankenhaus gebracht worden sein und auf der Intensivstation beobachtet werden. Nach AfD-Angaben ist er aber ansprechbar und stabil.

Was genau passiert ist, blieb zunächst unklar. In Online-Netzwerken kursierten Gerüchte über einen Anschlag mit einer Giftspritze. Gegenüber der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit sollen dies Augenzeugen ihr gegenüber nahegelegt haben. Die AfD-Spitzenkandidatin zur bayrischen Landtagswahl, Katrin Ebner-Steiner, habe einen Angriff bestätigt, aber nicht genau sagen können, was passiert sei.

Die Rede war demnach von einer aufgefundenen Nadel und zwei Festnahmen. Eine Staatsanwaltschaft Ingolstadt sagte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Körperverletzung sei eingeleitet worden.

Weidel soll bereits vorher aus Sicherheitsgründen auf einen Wahlkampfauftritt verzichtet haben und sich mit ihrer Familie auf Mallorca befinden. Das Bundeskriminalamt (BKA) erklärte allerdings laut einem Bericht des ZDF, Weidel sei damit keiner behördlichen Empfehlung gefolgt. Auf der Veranstaltung in Mödlareuth hatte ein Redner der AfD behauptet, Weidel sei in einem "Safehouse" und dürfe dieses nicht verlassen.

Abgsehen von zahlreichen Gegnern im linken und allgemein im demokratischen Spektrum sowie Konkurrenzängsten in den Unionsparteien sorgen Weidel und Chrupalla auch in Teilen ihrer eigenen Partei für Unmut. Weidel unter anderem wegen ihres unkonventionellen Familienmodells und Chrupalla wegen seiner diplomatisch-freundlichen Haltung zu Russland, die gerade unter den NS-Nostalgikern in der Partei nicht unumstritten ist. Geleakte Chats nach seinem Besuch in der russischen Botschaft zum Jahrestag des Kriegsendes werfen ein Schlaglicht darauf.