AfD, Union und "Ungeziefer": Natürlich ist das Bürgertum

Seite 2: Bündnis von Mob und Elite

Knapp daneben ist auch vorbei: Mit den Worten von Hannah Ahrendt war er ein Bündnis zwischen Mob und Elite – und es zahlte sich für die Elite mehr aus als für den Mob, der später in den Schützengräben Federn lassen musste, während Fabrikbesitzern Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zugeführt wurden. Rund 120.000 schufteten beispielsweise allein für die Firma Siemens, die sich nach dem Krieg noch jahrzehntelang um Entschädigungen drückte.

Auch hätte sich der Faschismus ohne die Mitwirkung von bürgerlichen Bürokraten und Technokraten, "Furchtbaren Juristen" und skrupellosen Medizinern wie dem KZ-Arzt Josef Mengele nicht so lange an der Macht halten können. Besitz- und Bildungsbürgertum erlebten 1945 die "Stunde Null", die es in mancher Hinsicht nie gab, in der Regel unbeschädigter als der durchschnittliche Soldat mit Volksschulabschluss.

Während Mengele nach dem Krieg untertauchte, machten einige Nazi-Juristen in der Bundesrepublik weiter Karriere – zum Teil auch in Parteien, die das Etikett "bürgerlich" wie eine moralische Monstranz vor sich hertragen. So etwa der frühere Marinerichter Hans Filbinger, der das NSDAP-Parteibuch gegen eines der CDU tauschte und 1966 Ministerpräsident Baden-Württembergs wurde.

Erst 1978 musste er nach der öffentlichen Debatte über Todesurteile, an denen er beteiligt war, seinen Hut nehmen. Einer Schuld war er sich aber nicht bewusst. Sein Parteifreund Günther Oettinger, der das Amt innehatte, als Filbinger 2007 starb, verzieh ihm alles – auch den Satz "Was damals rechtens war, das kann heute nicht Unrecht sein" – und erging sich in Lobhudelei:

Er war ein Landesvater im besten Sinne und fand das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in bisher nicht gekanntem Maße. In großer Dankbarkeit und mit Hochachtung gedenkt die Landesregierung von Baden-Württemberg dieser herausragenden Persönlichkeit.


Günther Oettiner (CDU) 2007 zum Tod seines Parteifreundes Hans Filbinger. Quelle: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Doch nicht alle vor 1945 erfolgreichen Juristen gingen in die Politik. Auch die bürgerliche Justiz der ersten Nachkriegsjahrzehnte war von Altnazis durchdrungen. Hans Carl Nipperdey, Juraprofessor und Mitautor des "Arbeitsordnungsgesetzes" von 1934, schaffte es in der jungen BRD sogar, sich ein bis heute wirksames Denkmal zu setzen: die Illegalisierung politischer Streiks in Deutschland geht auf ein Gutachten von ihm zurück.

AfD-Mitglieder kommen mit dieser Rechtsauffassung sicherlich besser klar als Gewerkschaftslinke. Machen wir uns nichts vor: Die AfD ist kein Alien und kein Fremdkörper, sondern Fleisch vom Fleische des Systems. Egal, wie sehr sie sich als Anti-Establishment-Partei inszeniert.

Ihr alles Bürgerliche abzusprechen, dürfte der AfD sogar noch helfen, Stimmen von Menschen zu bekommen, deren Interessen sie wirtschafts- und sozialpolitisch überhaupt nicht vertritt – die von echten "Prolls" nämlich, die sich von abgehängt und ausgegrenzt fühlen. Sie sind aber für die AfD auch nur Schwungmasse.