AfD fordert deutsche Volksabstimmung über "Retteritis"

Frauke Petry betont auf der ersten Pressekonferenz des neuen Bundesvorstands, dass ihre Partei programmatisch genau dort stehe, wo sie vor zwei Jahren stand

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Heute Mittag hat die neue AfD-Vorsitzende Frauke Petry eine Pressekonferenz über den künftigen Kurs der Partei abgehalten. Den Tenor hatte der neue Bundesvorstand bereits vorab auf Facebook verkünden lassen: "Für einen Kurswechsel oder eine Verschärfung des Tons steht dieser Bundesvorstand nicht zur Verfügung." Entsprechend betonte sie als erstes, dass die AfD auch nach dem Weggang Bernd Luckes und seiner Anhänger programmatisch genau dort stehe, wo sie vor zwei Jahren stand. Themen wie Einwanderung und Islam sollen ihren Worten nach nicht in den Vordergrund rücken und Kernthemen seien weiterhin die Kritik am Euro und am Brüsseler Zentralismus.

Offenbar, um diese Aussage zu untermauern, durfte danach gleich Jörg Meuthen sprechen, der Vertreter des liberalen Flügels im neuen Bundesvorstand: Er forderte eine deutsche Volksabstimmung über die Euro-"Retteritis", die seiner Ansicht nach sowohl Deutschland als auch Griechenland und anderen Ländern schadet.

Solch eine Volksabstimmung verbindet seiner Ansicht nach zwei zentrale Themen der AfD: Direkte Demokratie und Euro-Kritik. Weil CDU, CSU und SPD bei den letzten Koalitionsverhandlungen aber nur kurz über Volksabstimmungen auf Bundesebene sprachen und die Idee verwarfen, will die AfD eine Grexit-Petition starten, an der sich nicht nur Anhänger der Partei, sondern alle Wahlberechtigten beteiligen sollen.

Außerdem betonte Meuthen die Gegnerschaft der AfD zu den Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Diese schaden seiner Ansicht nach dem Mittelstand, weil mit ihnen Rechtsstaatlichkeit verloren geht.

Jörg Meuthen. Foto: © Robin Krahl. Lizenz: CC BY-SA 4.0. Source: Wikimedia Commons.

Die Betonung der Treue zum alten Programm dürfte auch das Ziel haben, möglichst viele der 4.000 Weckruf-Mitglieder unter den insgesamt 22.000 AfD-Angehörigen in der Partei zu halten. 600 von ihnen sind seit dem Essener Parteitag, auf dem Bernd Lucke entmachtet wurde, angeblich schon ausgetreten. Weitere 900 haben dies einer Umfrage zufolge fest vor. An dieser Umfrage, deren Ergebnisse gestern bekannt gegeben wurden, hatten knapp 2600 Vereinsmitglieder teilgenommen. Drei Viertel dafür befürworten, dass aus dem Lucke-Flügel eine neue Partei wird. Etwas weniger - 71 Prozent - wollen in diese Partei eintreten. 47 Prozent erklären sich zum Spenden und 44 Prozent zur aktiven Mitarbeit bereit. Ob Lucke diese Partei tatsächlich gründet, steht aber noch nicht sicher fest. Eine Entscheidung darüber könnte aber noch heute fallen.

Eine neue Lucke Partei könnte wahrscheinlich auf fünf der bis vor kurzem noch sieben Abgeordneten im Europaparlament zählen - inklusive Lucke selbst. Nach dessen Niederlage in Essen traten neben ihm auch die Europaabgeordneten Hans-Olaf Henkel, Joachim Starbatty, Bernd Kölml und Ulrike Trebesius aus der AfD aus, die in Straßburg und Brüssel jetzt nur noch mit dem Marcus Pretzell und Beatrix von Storch vertreten ist. Derzeit gehören beiden Gruppen - die fünf Ausgetretenen und die beiden Verbliebenen - weiterhin der von den britischen Tories angeführten EKR-Fraktion an.

In Bremen traten drei von vier AfD-Bürgerschaftsabgeordneten aus der Partei aus und in vielen westdeutschen Kreisen und Städten wie München verläuft die Entwicklung ähnlich: In Hessen wollen angeblich 20 Kreisvorsitzende zurücktreten und in Freiburg könnte sich der dortige Kreisverband sogar ganz auflösen. Anders sieht die Lage in den Landesparlamenten in Ostdeutschland aus, wo die Petry-Anhänger in der Überzahl sind. Unter den elf Thüringer Landtagsabgeordneten waren beispielsweise nur drei Lucke-Anhänger, die aus der Fraktion ausschieden.

Dazu, welche Wahlchancen eine Weckruf-Partei hat, gibt es unterschiedliche Ansichten: Alexander Gauland, der AfD-Landesvorsitzende von Brandenburg, bezweifelt den Erfolg solch einer Gruppierung, weil er Lucke für zu wenig teamfähig hält: "Er hat nur immer sich im Mittelpunkt gesehen und nicht die Partei, und dieser Fehler wird ihm wahrscheinlich auch wieder passieren, wenn er eine neue Partei gründet." Parteienforscher Oskar Niedermayer sagte der Süddeutschen Zeitung dagegen, er glaube, dass eine neue Lucke-Partei " kurzfristig interessant werden" könne, wenn die Bundesregierung "den Griechen am Sonntag Zugeständnisse mach[t], die der Bevölkerung das Gefühl geben, man werde über den Tisch gezogen".

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.