Affen endgültig vom Aussterben bedroht

Forschungen haben erst unlängst gezeigt, dass Affen nicht nur sprachliche Fähigkeiten haben, sondern auch rechnen können

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In einer Zeit, in der möglicherweise die Evolution von künstlichen intelligenten Geschöpfen in Form von Roboter oder virtuellen Lebewesen beginnt, scheint das Schicksal zumindest der freilebenden biologischen Verwandten der Menschen nicht gut auszusehen. Millionen von Jahren haben Affen mit den Menschen koexistiert, jetzt steht nach einem Bericht der Conservation Union's Species Survival Commission für 25 Affenarten das endgültige Aussterben vor der Tür.

In manchen Fällen gibt es nur noch einige hundert Individuen einer Art. In einem Genozid der anderen Art werden die Affen vornehmlich durch die Vernichtung der tropischen Regenwälder und die Jagd, aber auch durch das Einfangen zum Zwecke des Handels oder zur Verwendung als Versuchstiere - Modelle, wie man so schön sagt - dezimiert. Innerhalb der nächsten 10 oder 20 Jahre werden 20 Prozent der Primatenarten ausgestorben sein, wenn man nicht jetzt entschieden handelt, sagt William Konstant, Mitautor des Berichts. Obgleich mittlerweile die Erkenntnisse über unsere nächsten biologischen Verwandten immer größer werden und es auch eine Bewegung gibt, die den Menschenrechten vergleichbare Rechte für diese intelligenten Geschöpfe durchsetzen will, im letzten Jahr sogar in Neuseeland die Verwendung von allen Menschaffen für die Forschung verboten wurde, ist die Hoffnung wohl gering, die aussterbenden Arten freilebend erhalten zu können. Und ob die Tiergärten Restbestände in ihren mehr oder weniger kleinen "Biosphären" mit oder ohne Klonen als geschützte Gefangene erhalten werden können, darf ebenso bezweifelt werden, denn Arten brauchen, um genetisch überleben zu können, eine gewisse Größe der Population.

Immerhin ist erstaunlich, worauf der Bericht verweist, dass im letzten Jahrhundert keine einzige Primatenart ausgestorben ist, obgleich die Kolonisierung und Vernichtung der Wildnis hier in einem bislang unbekanntem Ausmaß zugenommen hat. Ganz anders ist dies bei vielen anderen größeren Tieren wie Raubkatzen, Vögeln, Rehen oder Fledermäusen. Mit den jetzt ernsthaft bedrohten Primatenarten verlieren wir aber nicht nur einige unsere nächsten Verwandten, sondern auch deren Lebensräume, die sich durch eine hohe Artenvielfalt auszeichnen. Die "Hotspots" der Artenvielfalt, in denen über 90 Prozent der bedrohten Affenarten leben, sind gerade einmal 25 Regionen in Vietnam, Madagaskar, Brasilien oder Westafrika, die nur 1,4 Prozent der Landfläche einnehmen, aber mehr als 60 Prozent der Pflanzen- und Tierarten enthalten. Man sollte eigentlich denken, dass man diese 1,4 Prozent vor einer weiteren Zerstörung durchaus bewahren könnte, wenn denn dies ernsthaft von der Weltgemeinschaft gewollt werden würde.

Vom Aussterben bedroht sind nicht nur Arten, deren Populationen besonders klein sind, sondern auch solche, die erst unlängst entdeckt oder wiederentdeckt wurden, aber auch solche, die man noch nicht lange als eigenständige Arten identifiziert hatte. Bedroht sind etwa Lemuren, Languren, Gibbons, Gorillas und Orang-Utans.

Man kann sich natürlich fragen, ob die Welt ärmer würde, wenn die Menschen ihre nächsten Verwandten verdrängen? Brauchen wir Affen nur wirklich als Versuchstiere, um das an ihnen machen zu können, was wir bei Menschen nur in seltenen Fällen machen? Niemand scheint die Neandertaler wirklich zu vermissen, die möglicherweise auch in einer Verdrängungskonkurrenz mit den Menschen ausgestorben sind, auch wenn sich derzeit die Bücher mehren, in denen fiktive Geschichten von immer noch verborgenen Populationen erzählt werden, die mit ihren anderen Eigenschaften noch überleben konnten. Können die Aibos wirkliche Hunde als Begleiter und Spiegel der Menschen ersetzen? Vielleicht aber ist gerade die von Menschen gestartete künstliche Evolution von Robotern auch eine Chance für unsere biologischen Verwandten, denn wir können immer besser sehen, wie ähnlich sie uns sind und dass wir möglicherweise auch selbst von unseren künstlichen Nachfolgern überholt und verdrängt werden, was uns die Menschenaffen wieder näher rücken könnte. Möglicherweise sind Menschen wie der Biologe Tom Ray, der einerseits künstliches Leben schaffen will, aber sich gleichzeitig für den Erhalt der Artenvielfalt in den Regenwäldern Costa Ricas engagiert, ein Symbol für eine neue Allianz zwischen Technik und Natur, auch wenn die Zeit immer knapper wird, um noch etwas machen zu können.

Schimpansenweibchen Ai kann zählen, malen und "sprechen"

Jedenfalls werden derzeit immer mehr Erkenntnisse erzielt, die Aufschluss über die kognitiven Fähigkeiten der Primaten liefern und sie uns näher bringen. Gerade erst haben Psychologen von der Columbia University gezeigt, dass man Rhesusaffen nicht nur das Zählen beibringen kann, sondern dass sie auch das Wesen der Zahlen verstehen. In ihrem Experiment verwendeten die Wissenschaftler Darstellung abstrakter Elemente wie Kreise, Quadrate oder Ellipsen in unterschiedlicher Größe und Farbe auf dem Bildschirm. Drei Affen wurde dann beigebracht, jede Darstellung nacheinander in einer numerischen Ordnung auf dem Touchscreen anzutippen. Zunächst lernten sie 35 Darstellungen, später wurden sie mit 150 neuen Darstellungen getestet und behielten dabei ihre Leistung bei. Um zu überprüfen, ob die Affen die Zahlenverhältnisse richtig begreifen, also etwa dass 4 kleiner als 5 ist, wurden ihnen Zahlenpaare von 5 bis 9 gegeben, die sie niemals zuvor gesehen hatten. Offenbar konnten sie neuen Zahlen zu 75 Prozent richtig zuordnen, was pures Raten ausschließt. Je weiter die Zahlen auseinanderliegen, desto leichter fiel den Affen die richtige Zuordnung.

Ein ähnlicher Versuch wurde vor kurzem mit dem Schimpansenweibchen Ai durchgeführt, die in Kyoto ist und sogar eine eigene Email-Adresse (ai@pri.kyoto-u.ac.jp) besitzt. Sie lernte, bis zu fünf Zahlen in der richtigen Reihenfolge anzuordnen. Das ist nach den Wissenschaftlern eine Leistung, die an die von Vorschulkindern heranreicht.

Experimente mit anderen Affen haben gezeigt, dass sie durchaus auch mit der Hilfe des Computers einen gewissen Sprachgebrauch erwerben können. 1998 gab es bereits den ersten Live-Chat mit dem Gorillaweibchen KokoKoko, die einen aktiven Wortschatz von über 500 Zeichen hat und etwa 2000 Worte in gesprochenem Englisch versteht. Ihre Sätze sind zwischen drei und sechs Worten lang. Auch den IQ hat man bei ihr gestestet und immerhin zwischen 70 und 95 Punkte auf der Skala erreicht. Allerdings scheint die isolierte Situation das Lernen zu "erleichtern", vielleicht sind in der natürlichen Lebenswelt abstrakte Symbole und der Umgang mit ihnen einfach zu langweilig. Die kognitiven Leistungen sprechen jedenfalls dafür, dass Menschenaffen zumindest ähnlich intelligent sind wie menschliche Kinder. Für das Great Ape Project gibt es jedenfalls ausreichend wissenschaftliche Belege dafür, dass wir mit den "nichtmenschlichen Menschenaffen" nicht nur unsere Gene gemeinsam haben, sondern auch "grundlegende mentale Eigenschaften wie Selbstbewußtsein, Intelligenz und andere Formen der persönlichen Einsicht, komplexe Kommunikationsformen und soziale Systeme sowie überdies die Fähigkeit, einige der Sprachfertigkeiten des Menschen zu beherrschen." Eine Untersuchung im letzten Jahr versuchte anhand von Beobachtungen zu belegen, dass es bei Schimpansengruppen auch unterschiedliche Kulturen gibt, die ihre unterschiedlichen Fertigkeiten und Gebräuche von einer Generation zur anderen weitergeben.