Ahmadinedschads Spuk

Mit enormen Aufwand drängt die herrschende Elite die Opposition aus dem Bild

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Ahmadinedschad ist obenauf. Von den beiden iranischen Lagern, dem militärisch-nationalen Establishment und dem der grünen Protestbewegung, konnte sich das Regierungslager gestern - zum prestigeträchtigen Jahrestag der Revolution - als Triumphator präsentieren. Zur Krönung der Feierlichkeiten rief Ahamdinedschad Iran als Atomstaat aus, was er übrigens schon einmal vor beinahe drei Jahren tat, und zielte kräftig und stolz in Richtung „arroganten Westen“: Man könne die Bombe bauen, wenn man nur wolle. Mehr als 20 Prozent Anreicherung seien machbar, auch mehr als 80 Prozent.

In der New York Times wird der iranische Präsident jedenfalls dahingehend zitiert, dass das technische Know-How nicht die entscheidende Frage sei, dass Einschüchterung nichts gegen den „Willen des iranischen Volkes“ vermöge. Dass alles einzig in der souveränen Entscheidung Irans liege.

We have the capability to enrich uranium more than 20 percent or 80 percent, but we don’t enrich because we don’t need it.

Please pay attention and understand that the people of Iran are brave enough that if it wants to build a bomb it will clearly announce it and build it and not be afraid of you. When we say we won’t build it that means we won’t.

Ein Schauspiel. Dass man von einer Inszenierung sprechen kann, liegt am anderen Iran, an den Oppositionellen und den Umgang der Regierung mit ihnen. Die Härte, die die iranische Regierung an den Tag legt, um die Stimmen der Oppositionellen zum Schweigen zu bringen, legt sich höhnisch auf alle außenpolitischen Good-Will-Bekundungen Ahmadinedschads; Misstrauen ist die normale Folgereaktion. Der Argwohn, dass die außenpolitischen Einlassungen Irans in jüngster Zeit vor allem als Ablenkungsmanöver von den innenpolitischen Schwierigkeiten zu verstehen sind, lässt sich gut begründen. Mit einem gut funktionierenden Feindbild verschafft man sich am leichtesten Einigkeit. Den Rest erledigen die Revolutionären Garden.

Anders als bei den Demonstrationen während des Ashura-Festes, wo die Protestbewegung ihre Stärke zeigen konnte, weil sie die Regierungskräfte überraschte, war man diesmal gut vorbereitet. Die Dominanz des offiziellen Iran bei den gestrigen Feierlichkeiten basierte auf einen großen Aufgebot an Sicherheitskräften, mit einer Menge Bassidschi-Schlägern an wichtigen Positionen. Zwar wurden kleinere Demonstrationen von Oppostionellen gemeldet, sie fielen aber nicht ins Gewicht und störten die schönen Fernsehbilder nicht. Dass im Hintergrund mit allerhand Tricks und gezielten Schlägen gearbeitet wurde, verrieten Nachrichten, die über die üblichen Kanäle ins Ausland gelangten. Berichtet wurde u.a. über eine Attacke, mit der der Oppositionspersönlichkeit Karrubi eingeschüchtert und an der Teilnahme an Protestdemonstrationen gehindert wurde.

Hinzu kamen die gewohnten Berichte über Eingriffe in die Kommunikationsnetze im Vorfeld der Feierlichkeiten: Verlangsamung des Internet, Störung der Mobilfunknetze, der sozialen Netzwerke und der ausländischen TV-und Radiosender. Bereits letzte Woche wurde gemeldet, dass Iran vorhat, ausländische Maildienste mit einem besser kontrollierbaren nationalen Mail-Service zu ersetzen. Bislang nutzen angeblich 95 % der Iraner Yahoo, Hotmail und GoogleMail. Der iranische Maildienst steht, so wird dies in Englisch (!) auf der Site annonciert, bislang nur Regierungsmitarbeitern zur Verfügung.

Allerdings: Dass westliche Medien bei diesem iranischen Vorhaben eine eindeutig aburteilende Perspektive anlegen, während man bei ähnlichen Projekten in Deutschland - Stichwort: "Sichere Kommunikation mit 'De-Mail' andere Motivationen in den Vordergrund rückt – worauf Fefe in seinem Blog aufmerksam macht, führt vor Augen, wie sehr man im Westen dazu geneigt ist, die Absichten Irans bedenkenlos im schlechten Licht zu interpretieren. Das rät zu großer Vorsicht bei der Beurteilung des iranischen Nuklearprogramms. Was den Umgang der iranischen Machthaber mit der Opposition anbelangt, so sprechen Fakten im Umgang mit Oppositionellen, die Angstmache, die Prügel, die Gängelungen, die Verurteilungen, die Folter in den Gefängnissen und die Hinrichtungen leider eine eindeutige Sprache.