Alkohol: Suchtbekämpfung durch Steuererhöhung?

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung rudert hektisch zurück. Eine höhere Alkoholsteuer, so Sabine Bätzing, habe sie nicht gefordert. Andere aber sehen in einer solchen Steuererhöhung durchaus eine Möglichkeit der Suchtbekämpfung

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Kaum war die Meldung draußen, war die Aufregung groß. Sabine Bätzing, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, meldete die Leipziger Volkszeitung, habe eine Alkoholsteuererhöhung vorgeschlagen. Zitiert wurde aus Bätzings Entwurf zu Plänen eines Aktionsprogrammes Alkoholbekämpfung, in dem stünde, dass eine Steuererhöhung einen „unmittelbaren und relevanten Effekt auf die Senkung des Alkoholkonsums ausüben könnte“. Schnell wurde dementiert. Es ginge, so Frau Bätzing, um ein nicht abgestimmtes Papier, ferner solle lediglich untersucht werden, welche Auswirkungen eine solche Steuererhöhung haben könnte.

Unterstützung für eine Steuererhöhung erhält Frau Bätzing ausgerechnet von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Es sei, so Rolf Hüllinghorst auf NDR Info, in Deutschland zu günstig[,] sich zu betrinken. Dies müsse dringend geändert werden. Ein einheitlicher Steuersatz in Höhe von 15 Euro pro Liter Alkohol sei eine Möglichkeit, hier über den Preis regulierend einzugreifen. Weiterhin müsse man mehr Prävention betreiben und die Werbung einschränken.

Weniger Werbung, mehr Prävention

Die Idee, Werbung für Alkohol einzuschränken, scheint auf den ersten Blick sinnvoll. Die diversen Werbespots, die ein „Wir-sind-happy,-weil-wir-Bier/Wein/Sekt“-trinken suggerieren, sowie auch die in Filmen und Serien demonstrierte Alltäglichkeit des (oft exzessiven) Alkoholkonsums tragen sicherlich dazu bei, die „Volksdroge Alkohol“ als normal zu betrachten. Während der Klicheeabhängige häufig als Obdachloser oder Transferempfänger dargestellt wird, ist der jeden Tag seine Cocktails, seinen Wein und seinen abendlichen Whisky trinkende Mensch in diesen Darstellungen frei vom Ruch der Sucht. Hier wird nicht mehr auf psychische und physische Abhängigkeit eingegangen, lediglich Zerrbilder des heruntergekommenen Alkoholikers und des „distinguierten Genießers“ werden entworfen und kolportiert. Als gäbe es keine Alkoholiker, die dennoch ihrem Tagwerk nachkommen, oder „Genießer“, die in Wirklichkeit bereits die Schwelle zur Abhängigkeit überschritten haben, werden die zwei Gruppen schon durch ihre (beruflichen und gesellschaftlichen) Positionen, ihre Äußerlichkeiten und den familiären Hintergrund strikt getrennt. Einzelproblemfilme bilden hier eine rühmliche Ausnahme.

Dass aber die Werbebeschränkung bzw. ein Verbot der Werbung nur ein Teil der Kampagne gegen den verstärkten Alkoholkonsum, gerade auch bei Jugendlichen, sein kann, weiß auch die Hauptstelle für Suchtkranke (DHS) und sieht insofern die von ihr angestrebten Maßnahmen im Marketing auch nur „eingebettet in ein Paket wirksamer Maßnahmen“. Hierzu gehören, so DHS, insbesondere die Preisgestaltung und die Verfügbarkeit von Alkohol.

Höhere Steuerung, weniger Verfügbarkeit

Durch höhere Kosten oder gar eine eingeschränkte Verfügbarkeit der Drogen gegen Suchtkrankheiten vorzugehen zeugt von einer Naivität, die man kaum von jenen erwartet hatte, die sich als Deutsche Hauptstelle für Suchtkranke bezeichnen. Bedenkt man die Kosten, die Suchtkranke schon jetzt beispielsweise bei den so genannten „harten Drogen“ haben, so sieht man hier, dass eine Kostenerhöhung nicht automatisch zu weniger Konsum, sondern vielfach eher zu einer erhöhten Beschaffungskriminalität führt. Auch eine Einschränkung der Verfügbarkeit hat sich bereits zu Zeiten der Prohibition als unsinnig erwiesen, notfalls werden Suchtkranke ihren eigenen Alkohol brennen, wie es z.B. den USA, gerade in ländlichen Gegenden, noch heute Usus ist. Dies führt dann zu erhöhten Kosten für die Krankenversorgung, da der selbst gebrannte Alkohol oft zu Vergiftungen führt. Der so genannte Moonshine, dessen Name aus der Tatsache herrührt, dass der Schwarzgebrannte nachts im „Schein des Mondes“ hergestellt wurde, würde bei einer Verteuerung von legal erhältlichem Alkohol, einfach in größeren Mengen hergestellt und schwarz verkauft werden. Dem Suchtkranken dürfte dies angesichts der geringen Kosten sehr attraktiv vorkommen.

Die begüterteren Menschen würden weiterhin keinerlei Probleme haben, ihren Alkohol bezahlen zu können. Dass sich gerade Jugendliche durch erhöhte Preise oder gar Verbote vom Alkoholkonsum abhalten lassen, ist auch eher unwahrscheinlich. Zum einen würde ein Verbot bzw. eine eingeschränkte Verfügbarkeit lediglich den Reiz der Beschaffung erhöhen, zum anderen lassen sich die Ursachen für den Alkoholkonsum kaum durch solcherlei Maßnahmen aus der Welt schaffen. Die „Coolness“, die durch die Werbung kolportiert wird, würde bei einem Verbot oder ähnlichem bei Jugendlichen eher noch zunehmen.

Es sieht aus, als würde man hier einmal öfter bei den Symptomen ansetzen, anstatt die Ursachen für den immer stärker werdenden Alkoholkonsum innerhalb der Gesellschaft zu suchen. Viele dieser Ursachen können letztendlich nur durch eine komplette Umstrukturierung der Gesellschaft bekämpft werden.Für viele bedeutet Alkohol schlichtweg auch die Möglichkeit, einem gewissen Gesellschaftsbild zu entsprechen, ohne dass die persönlichen Probleme sich Bahn brechen. Andere betäuben die mit Erwerblosigkeit verbundenen Minderwertigkeitsgefühle, die durch die „nur-wer-arbeitet,-soll-auch-essen“-Denkweise in der Gesellschaft noch verstärkt werden. Fehlende Zukunftsperspektiven sind ein weiterer Grund für die Flucht in den Alkohol. Für jene, deren Erwerbstätigkeit ihnen noch ein Leben statt nur ein Überleben ermöglicht, ist Alkohol, oft auch gemeinsam mit anderen Drogen, zunehmend auch eine Möglichkeit, alle an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen, ohne bald daran zu zerbrechen.

Ironischerweise macht man sich auf der einen Seite Gedanken darüber, wie man die Alkoholsucht durch eine rigidere Verfügbarkeitspolitik und durch erhöhte Kosten bekämpfen kann, während man andererseits darüber nachdenkt, ob leistungsfördernde Drogen nicht liberaler gehandhabt werden sollten. Begründet wird dies unter anderem damit, dass solcherlei Drogen es ermöglichen, mit den hohen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt Schritt zu halten.

Wer würde also von einer Steuererhöhung profitieren? Letzten Endes nur der Fiskus, der auch seit langem von der Sektsteuer profitiert, auch wenn sie einst zur Finanzierung des Kaiser-Wilhelm-II-Kanals sowie der Reichskriegsflotte eingeführt wurde.