Alles muss raus!

Seite 2: Schäubles großer Privatisierungsplan

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Rund 50 Milliarden Euro soll der große Privatisierungsplan einbringen, den Finanzminister Schäuble der griechischen Regierung oktroyierte. Mittels der Privatisierungseinnahmen sollen theoretisch der Schuldendienst Griechenlands garantiert (deswegen spricht Merkel von einem "Garantiefonds"), die Rekapitalisierung der griechischen Banken vollzogen und die griechische Wirtschaft angekurbelt werden.

Hellas wurde von Berlin genötigt, "wertvolle griechische Vermögenswerte" an einen Treuhandfond zu übertragen, der diese dann an "private Investoren" veräußern solle. Der Fond soll zwar von Griechenland aufgebaut werden, aber unter der Aufsicht der "relevanten europäischen Institutionen" stehen - also der EU-Bürokratie.

Parallelen zur Treuhand - und Unterschiede

Ursprünglich hatte Schäuble sogar vor, den Treuhandfonds direkt seiner Kontrolle zu unterstellen, indem er das griechische Vermögen an eine luxemburger Dependance der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) transferieren wollte. Diese direkte Kontrolle durch den deutschen Finanzminister konnte noch abgewendet werden. "Den Griechen muss dieser Vorschlag wie eine deutsche Enteignung vorgekommen sein", bemerkte hierzu n-tv. Der Nachrichtensender zog auf seiner Internetpräsenz auch die entsprechenden historischen Parallelen zum aktuellen Vorgehen Schäubles:

Der Mechanismus erinnert an die Treuhandanstalt, die nach der Wende mit fragwürdigen Methoden DDR-Eigentum privatisiert hat.

Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat schon Ende Juli eine scharfsichtige Generalabrechnung mit diesen deutschen Privatisierungsplänen in Griechenland veröffentlicht.

Auch Varoufakis zog Parallelen zu dem verhängnisvollen Ausverkauf der Ostdeutschen Wirtschaft durch die Treuhand kurz nach der Wiedervereinigung, bei dem öffentlicher Besitz "weit unter Wert" verscherbelt wurde, was einen "verehrenden Effekt auf die Beschäftigung" in Ostdeutschland hatte. Letztendlich haben sich die ostdeutschen Bundesländer - die nun in weiten Teilen eine verödete postindustrielle Brachlandschaft darstellen - nie mehr von dem extremen Deindustialisieurngsschock erholt, den die Treuhand exekutierte.

Der fundamentale Unterschied zwischen dem Ausverkauf in Ostdeutschland und Griechenland bestehe aber darin, dass die Tätigkeit der Treuhand in den neuen Bundesländern durch "massive westdeutsche Investitionen" in die Infrastruktur und "groß angelegte Sozialtransfers" begleitet wurde, während die Bevölkerung Griechenlands auf solche Unterstützung nicht hoffen kann.

Die Durchsetzung dieses verhängnisvollen schäublerischen Privatisierungsmodells war nicht von ökonomischen Erwägungen motiviert, sie stellte vielmehr eine reine Machtfrage dar, erläuterte Yanis Varoufakis:

Nachdem die bestimmenden Mächte realisiert hatten, dass die griechische Regierung davorstand, vor den Forderungen der Troika zu kapitulieren, sahen sie den Zeitpunkt gekommen, Griechenland ihr erniedrigendes, fantasieloses und zerstörerisches Treuhandmodell aufzuwingen.

Schäuble habe dieses Modell aus purer Rachsucht ausgeheckt, so Varoufakis.

Neben den - profitablen - Flugplätzen stehen auf der neu zusammengestellten Verkaufsliste Athens viele verbliebene Teile der öffentlichen Infrastruktur. Die griechische Eisenbahn soll ebenso privatisiert werden wie die Elektrizitätsgesellschaft Dei mitsamt ihres Stromnetzes. Dem bereits erfolgten Verkauf eines Terminals im Hafens von Piräus sollen weitere Veräußerungen von öffentlichen Besitz in den Häfen von Piräus und Thessaloniki folgen. Zudem steht eine staatliche Raffinerie auf der Verkaufsliste. Über 1000 staatliche Immobilien sollen nun schnellstmöglich einen neuen Besitzer finden - wie auch dutzende von griechischen Inseln.

Erste Warnstreiks, die sich gegen die deutschen Privatisierungsvorhaben richten, führte bereits die griechische Bahngewerkschaft Anfang August durch. Heftige Auseinandersetzungen werden auch bei der Privatisierung des Energiesektors erwartet, da dieser durch einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad gekennzeichnet ist.

Dabei ist es eigentlich klar, dass die hoch gesteckten Privatisierungsvorgaben Schäubles nicht erreicht werden können und die Privatisierungswelle, die nun "endlich angelaufen" ist (Bayernkurier ), mittelfristig die Finanzmisere des griechischen Staates verfestigen wird. Die Verkaufspläne seinen "höchst umstritten", da viele Experte die "Ziele für völlig unrealistisch" hielten, meldete etwa die Schweizer Handelszeitung.

Selbst in der konservativen Zeitung Die Welt hieß es, dass der "Nutzen der Privatisierungen durchaus umstritten" sei. Dennoch muss privatisiert werden - es ist eine Machtfrage.

Vom Autor erscheint zu diesem Thema bald im Unrast Verlag das Buch Aufstieg und Zerfall des deutschen Europa