Allseitige Heuchelei zum Krieg in der Ukraine

Seite 2: Merkel und die Sezession Kosovos

Die hatte sich gegenüber Russland wegen dessen Rolle auf der Krim weit aus dem Fenster gelehnt. Während Merkel die Unabhängigkeit der Krim ablehnte und sich für harte Sanktionen gegen Russland stark machte, hat sie die Unabhängigkeit des Kosovo vorangetrieben. Deutschland hatte die Sezession Kosovos schon weit vor den Kriegshandlungen betrieben.

Schon 1995 hatte die Bundesregierung, unter dem Merkel-Vorgänger Helmut Kohl, in Tirana eine deutsch-albanische Grundsatzerklärung "zur Lösung der Kosovo-Frage" unterzeichnet. Propagiert wurde schon frühzeitig ausdrücklich das Recht der Kosovo-Albaner auf Abspaltung von Jugoslawien.

"Um die Kosovo-Krise voranzutreiben und den schwelenden Konflikt scharf zu machen, wurde spätestens seit 1996 der Aufbau der militanten UCK vom Bundesnachrichtendienst finanziell gefördert und personell betreut", arbeitete der Politikwissenschaftler und Historiker Matthias Küntzel heraus und bezog sich dabei auch auf Enthüllungen der Tageszeitung The European.

"Der deutsche zivile und militärische Geheimdienst hat sich an der Ausbildung und der Ausrüstung der Rebellen beteiligt, um den deutschen Einfluss in der Balkan-Region zu zementieren", so Küntzel. Und dies geschah zunächst unter Missbilligung der USA.

Wie sich die Lage im Kosovo nach dem Nato-Krieg über 78 Tagen weiterentwickelt hat, ist allseits bekannt. Letztlich hat der Kosovo sich im Februar 2008 einseitig, gegen den Widerstand von Serbien und Russland, für unabhängig erklärt.

Die albanische Bevölkerungsmehrheit im Kosovo hat dafür aus der EU und aus den USA entsprechende Rückendeckung erhalten, nachdem die Abspaltung vom Westen bewusst forciert worden war.

Diese Abspaltung geschah sogar ohne eine Befragung der Bevölkerung per Referendum allein über einen Parlamentsbeschluss. Und dieser Präzedenzfall wurde vom Internationalen Gerichtshofs (IGH) im Fall Kosovo 2010 abgesegnet: "Die Erklärung vom 17. Februar 2008 hat das allgemeine internationale Recht nicht verletzt."

Der Gerichtshof in Den Haag erklärte eindeutig, dass es keine internationale Rechtsnorm gibt, die es einer Bevölkerung verbiete, sich auch einseitig für unabhängig zu erklären.

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Grundrecht

Letztlich basiert das Urteil auf einem Menschenrecht. Alle Mitglieder der EU haben den UN-Sozialpakt ratifiziert. Der definiert das Selbstbestimmungsrecht als ein Grundrecht. Gleich in Artikel 1 heißt es:

Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.

UN-Sozialpakt

Nimmt man den Sozialpakt und das IGH-Urteil ernst, dann gilt das genauso für die Krim, Donezk, Luhansk aber auch für andere Regionen, wie Schottland, Katalonien, das Baskenland … Doch auch Deutschland, die EU und die USA gehen damit sehr selektiv um. Deshalb gab es in der Ablehnungsfront gegen die Kosovo-Unabhängigkeit auch höchst erstaunliche Allianzen.

Denn nicht alle EU-Mitgliedsländer haben den Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt, nicht einmal bis heute. Neben Russland haben auch Griechenland, Zypern, Rumänien, die Slowakei und auch Spanien den Kosovo nicht anerkannt.

Spanien hatte gute Gründe dafür, denn es war klar, dass mit der Kosovo-Unabhängigkeit die Büchse der Pandora vollends geöffnet und es immer schwieriger werden würde, den aufstrebenden Unabhängigkeitsbewegungen im Baskenland und Katalonien zu begegnen. Deshalb machte Spanien seinem Unmut darüber Luft, indem es seine Truppen aus dem Kosovo abzog.

Der ehemalige tschechische Präsident Milos Zeman sagte deshalb einst richtig zum Konflikt um die Krim, dass die Abtrennung des Kosovo von Serbien einen völkerrechtlichen Präzedenzfall geschaffen habe. "Wir ernten die Früchte, die wir selbst gesät haben."