"Amerikaner sind einfach, aber nicht blöd"

Michael Moore, Politkomiker und satirischer Dokumentarfilmer

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Zum neuesten Moore-Buch gab es eine "Bücherlesung" erst in 39 US-Städten und nun im "alten Europa". Also eine gesittete, langweilige Angelegenheit? Nein, eine kabarettreife Comedynummer, die große Hallen mehrfach füllte.

Immer im klassischen Kostüm mit Baseballkappe und Anorak: Michael Moore stellt sich der Presse

Wer Michael Moore als Guru und die Besucher als Gläubige beschimpft, hat weder Bücher noch Vortrag verstanden und auch sonst kräftig gepennt. Auch wenn die Bücher Sachbücher und die Filme Dokumentarfilme sind, bleibt Michael Moore selten ernst und hat mitunter Mühe, nicht zu sehr über seine eigenen Späße zu lachen. Ein Stil, der ihn bekannt machte und ihm ermöglichte, auch die offene Kritik an der jetzigen US-Regierung bei der Oscar-Verleihung unerwartet heil zu überstehen.

Auf Vorwürfe, er recherchiere schlampig, entgegnet er, ein ganzes Team von Mitarbeitern zu beschäftigen, da die von ihm kritisierte konservative Rechte ihn ja bereits mit Vergnügen verklagt hätte, wenn sich dazu eine Angriffsstelle in seinen mittlerweile vier Büchern gefunden hätte. Viele seiner Kritiker, die sich insbesondere an dem Film Bowling for Columbine stören, in dem er den Waffenwahn der Amerikaner angreift, fallen für ihn aber nur in die Rubrik "Spinner und Verschwörungstheoretiker". Während er sie anfangs ignorierte, hat er ihnen jetzt eine spezielle Rubrik im Web gewidmet

Moores neues Buch mit dem Originaltitel Dude, where's my country? ("Hey Typ, wo ist mein Land?" - bezogen auf die traurige Tatsache, dass 11% der Amerikaner nicht mal die USA auf einer Weltkarte finden und 89% nicht den Irak, was Moore zu der Forderung veranlasste, die USA dürften nur noch Länder bombardieren, die die Mehrzahl der Bevölkerung auch auf einer Landkarte fände) wurde innerhalb wenigen Wochen übersetzt und in der deutschen Ausgabe wesentlich kriegerischer Volle Deckung Mr. Bush betitelt.

Das neue Buch hat bereits innerhalb von 3 Wochen die Million geschafft, für die "Stupid White Men" noch ein Jahr brauchte. Allerdings steht der neue US-Verlag Time Warner auch hinter Moore, während "Stupid White Men" beinah eingestampft worden wäre. Das 1996 lange vor G. W. Bush entstandene "Downsize this" wurde nun - ebenso waffenfreudig betitelt als "Querschüsse" - in Deutsch verlegt und handelt vom Machtmissbrauch großer Konzerne. Auch hier ist Moore gnadenlos mit Vorschlägen wie der Idee, es doch den Unternehmen nachzumachen und auch die US-Regierung nach Mexiko auszulagern, um Steuern und Lohnkosten zu sparen, oder noch weiter zu gehen als die Abtreibungsgegner und jedem Spermium bereits das Recht auf ein eigenes Leben zuzugestehen. Hinzu kommt ein bitterböses Kapitel über eine angemessene Bestrafung der Deutschen für den Holocaust: Den Überlebenden hätte man statt des unwirtlichen Wüstenstaats Israel vielmehr das schöne Bayern geben sollen!

Dass Moore genau dieses Kapitel auch in Deutschland und auch in Bayern zitiert, bestätigt, dass er keineswegs populistisch nur Themen anschneidet, die beim Publikum gut ankommen. Die Buchtour ist dem deutschen Verleger Piper allerdings trotz nur geringer Werbung fast über den Kopf gewachsen: Alle Termine in Großstädten waren trotz Mehrfachlesungen ausverkauft und als Telepolis schließlich Moore im lauschigen Augsburg aufsuchte, brach auch dort das Chaos aus - der einzige für die zahlreich erschienene Presse verfügbare Taxifahrer fand ums Verrecken nicht von der Pressekonferenz zum Veranstaltungsort Sporthalle und Michael Moore erschien ebenfalls nicht pünktlich. Er berichtete irritiert:

Man hat mir gesagt, ich bräuchte nur 30 Minuten von München nach Augsburg, aber man hat mir nicht gesagt, dass ich dazu 240 fahren muss! Das habe ich mich nicht getraut und alle haben mich überholt!

Hatte Michael Moore wirklich mit 32 erstmals Sex?

Als Amerikaner darf Michael Moore sein Land und seine Regierung kritisieren - als Amerikaner kann er ja schlecht antiamerikanisch sein. Aber er ist gegen das "Corporate America" des George W. Bush und seiner Helfer, die auch noch höhere Mächte für sich in Anspruch nehmen. Deshalb hat Moores neues Buch Kapitel wie "Jesus W. Christ", in dem sich der liebe Gott höchstpersönlich einmischt und sich darüber aufregt, dass George W. Bush sich bei seinen Aktionen immer auf ihn, Gott, beruft und klarstellt, dass er nicht einmal wollte, dass Bush überhaupt Präsident wurde, und ebenso wenig, dass sich Israelis und Palästinenser um ein wertloses Stück Wüste kloppen und sich dabei auf ihn, Gott, berufen.

Minimalistisches Pult für eine Bücherlesung, die eine Comedy-Show ist

Als Michael Moore prompt gefragt wird, ob er sich nun für Gott halte, muss er an die Funktionen von Kabarett und Satire erinnern. So empfiehlt er ja an anderer Stelle zum Eindämmen des Terrorismus auch:

Fangt endlich an, Leute mit weißer Haut zu bombardieren! (...) Als uns neulich Frankreich und Deutschland so unverschämt abblitzen ließen, hätten wir sie sofort bombardieren sollen!.

Oder im Kapitel "Wie man mit seinem konservativen Schwager redet" als Vorschlag zum Small-Talk-Einstieg:

Ja, es ist wirklich keine gute Idee, Sex zu haben, bevor man 18 ist. Schon gut, vielleicht bin ich auch nur neidisch, weil ich bis 32 warten musste.

Tja, auch wenn man aussieht wie Michael Moore, sooo lange hat das dann wohl doch nicht gedauert...

Bei aller Witzelei hat Michael Moore aber ein ernstes Anliegen: Der Einfluss der Großkonzerne muss eingedämmt werden und George W. Bush darf nie als US-Präsident gewählt werden. Das stünde nämlich 2004 an - 2000 wurde Bush dagegen gar nicht gewählt, sondern durch Auszähltricks ins weiße Haus gehievt, wie Moore schon in "Stupid White Men" belegte. Mit neuen Wahlcomputern, die ein Bush-Unterstützer liefert, befürchtet Moore gar eine Wiederholung des Tricks von 2000.

Die ihm zugute gekommene Steuerreduzierung der Regierung Bush wird Moore deshalb komplett dazu verwenden, Bush loszuwerden. Dazu brauche es eine dritte, grüne Partei in den USA, denn die beiden Hauptparteien haben längst nichts Neues mehr zu bieten. Als Kandidaten schlägt Moore die hierzulande nur aus unzähligen Spam-Mails bekannte US-Fernsehtalkmasterin Oprah Winfrey vor, da beliebt, schwarz und weiblich sowie bereits Millionärin und damit nicht leicht bestechlich.

Als er das Publikum um weitere Vorschläge bittet, fällt auf "Patrick Swayze" der Kommentar "Arnold Schwarzenegger ist schon schlimm genug" und als sein Name fällt, kommt der Kommentar "Ihr habt denselben Humor wie ich. Aber: Nein! Mit meiner 10-Dollar-Frisur habe ich keine Chance!". Dabei hatte Moore auch schon mal eine eigene Fernsehshow und somit eigentlich die besten Voraussetzungen für eine Kandidatur...

Auch die Augsburger Sporthalle war bis zum letzten Platz gefüllt

Michael Moore for president?

"Fahrenheit 9/11" wird Michael Moores nächster Film heißen und die wirtschaftliche Verflechtung des Bush- mit dem Bin-Laden-Clan behandeln. Über Leute, die seine Filme im Internet tauschen, sagt er übrigens:

Solange sie dafür kein Geld verlangen, also sich mit meiner Arbeit bereichern, sondern nur meine Gedanken weiter verbreiten, wozu ich die Filme und Bücher ja gemacht habe, ist das für mich völlig okay. Ich bin mit den jetzigen Copyright-Gesetzen nicht einverstanden.

Als er aus dem Publikum gefragt wird, was Deutschland zum Ende der Bush-Regierung tun könne, meint Moore zunächst:

Nun, ihr habt doch sehr gute Brezeln - nicht dieses labberige Zeug wie bei uns, an dem Bush dann doch nicht erstickt ist.

Doch dann wird er wieder ernsthaft und rät:

Verlangt, dass die deutschen Soldaten aus Afghanistan abgezogen werden und nicht weiter die Öl-Interessen der US-Firmen unterstützen!

Dann fragt er das Publikum: "Warum wollt ihr unbedingt werden wie wir, wo jeder nur noch an sich selbst denkt?" und zieht dabei anhand von Fußballspielen launige Vergleiche zwischen Europe und USA.

Zum Abschluss der Veranstaltung appelliert Moore an die Terroristen, still zu halten und keine weiteren Anschläge zu machen, bis die US-Wahl 2004 vorbei sei, damit die Ära Bush zuende gehe und er nicht doch noch Oberwasser bekommt. Doch denen käme eine weitere Amtszeit Bushs ja durchaus gelegen - dieser Wunsch Moores war deshalb nur wieder Satire: Das Lachen, das einen die Realität erkennen lässt (Al-Qaida in Istanbul im Medienkrieg mit Bush-Besuch in London). Moore selbst dürfte es nicht wundern, schließlich ist auch Osama Bin Laden für ihn kein Held der Armen, sondern ein Multimillionär.