An Washington und London: Lasst die Assange-Klagen endlich fallen!

Julian Assange, London, 2014. Bild: Cancillería del Ecuador, CC BY-SA 2.0

Finale Gerichts-Anhörung heute und morgen. Wikileaks-Gründer könnte an USA ausgeliefert werden. Warum nicht nur die australische Regierung rebelliert. Ein Gastbeitrag.

Der australische Premierminister Anthony Albanese sagte in der Fragestunde des Premierministers am 15. Februar: "Das kann nicht endlos so weitergehen." Der Premierminister bezog sich damit auf eine Aktion, die er einen Tag zuvor, am Valentinstag, unternommen hatte.

Amy Goodman ist preisgekrönte US-Journalistin, Buchautorin und Moderatorin von Democracy Now.

Nein, nicht seinen Heiratsantrag an seine Partnerin Jodie Haydon (sie hat Ja gesagt). Er erklärte seine Unterstützung für einen Parlamentsantrag, der mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde und die Freilassung eines australischen Staatsbürgers, des inhaftierten WikiLeaks-Gründers Julian Assange, forderte.

Australien sagt: Genug ist genug

Albaneses Unterstützung stützt sich auf die wachsende Forderung von Australiern aus dem gesamten politischen Spektrum, dass das Vereinigte Königreich Assange nicht an die Vereinigten Staaten ausliefert und die USA die gegen ihn erhobenen Spionage- und Hacking-Anklagen fallen lassen sollen.

Assange, der seit 2019 im berüchtigten Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert ist, hat diese Woche eine entscheidende Gerichtsanhörung in Großbritannien.

Assanges Anwältin, Jennifer Robinson, schrieb uns am Donnerstag eine SMS,

Die Berufung nächste Woche könnte Julians letzter Einspruch gegen die US-Auslieferung sein. Sollte die Berufung abgelehnt werden, stehen uns in Großbritannien keine weiteren Rechtsmittel zur Verfügung. Im Falle einer Auslieferung drohen Assange bis zu 175 Jahre Haft in den Vereinigten Staaten. Premierminister Albanese sagte: "Genug ist genug".

USA wütend auf Video "Collateral Murder"

Vor seiner Inhaftierung in Belmarsh verbrachte Julian Assange sieben Jahre eingepfercht in der kleinen Londoner Botschaft Ecuadors, wo ihm politisches Asyl gewährt worden war.

Assange gründete Wikileaks, eine Website, die geleaktes Material veröffentlicht und dabei die Identität der Informanten schützt.

Die Website wurde 2006 ins Leben gerufen, doch erst 2010 nahm die US-Regierung Wikileaks und Assange öffentlich ins Visier, nachdem Wikileaks mehrere große Mengen an geleakten Dokumenten im Zusammenhang mit den US-Invasionen und Besetzungen im Irak und in Afghanistan veröffentlicht hatte.

Am Montag, dem 5. April 2010, veröffentlichte Julian Assange ein schockierendes Video im National Press Club in Washington D.C. Das Video, das Wikileaks mit "Collateral Murder" betitelt hat, wurde 2007 aus einem Apache-Hubschrauber des US-Militärs aufgenommen, der über Bagdad im Irak flog.

USA als Kriegsverbrecher nennen Assange Terrorist

Das Video zeigt in körnigen Schwarz-Weiß-Ausschnitten den Angriff des Kampfhubschraubers auf eine Gruppe von Menschen am Boden. Zwölf Zivilisten, darunter zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters, wurden durch das automatische Feuer des Hubschraubers niedergemäht.

Die Stimmen der Besatzung wurden aufgezeichnet, als um Erlaubnis gebeten wurde, die Ziele "anzugreifen", und man während des Gemetzels lachte und fluchte. Es ist ein erschreckendes Video, das ein Kriegsverbrechen dokumentierte.

Nach der Veröffentlichung des Videos wurden auf Wikileaks.org Hunderttausende digitaler Aufzeichnungen des US-Militärs veröffentlicht, die als Iraq War Logs und Afghan War Diary bezeichnet werden.

Diese Dokumente lieferten weitere Beweise dafür, dass die USA Kriegsverbrechen begangen haben. Einige gewählte Repräsentanten der USA forderten die Ermordung von Assange. Der damalige Vizepräsident Joe Biden nannte ihn einen "High-Tech-Terroristen".

Geheime Jury und Mordaufrufe und -pläne

Wenig später berief das US-Justizministerium eine geheime Grand Jury ein, die eine versiegelte Anklageschrift gegen Assange verfasste. Das Vorhandensein dieser Anklageschrift selbst wurde 2012 durch Wikileaks mittels zugespielter Dokumente aufgedeckt.

Die Verfolgung von Assange durch die USA und Großbritannien ist seither unablässig und intensiv. Wie der Journalist Michael Isikoff und seine Kollegen im Jahr 2021 enthüllten, heckte die CIA Pläne aus, Assange entweder aus der ecuadorianischen Botschaft zu entführen oder sogar zu ermorden.

Andrew Wilkie, ein unabhängiger Abgeordneter des australischen Parlaments aus Tasmanien, brachte diese Woche eine Resolution zur Unterstützung von Assange ein:

Dieses Haus nimmt zur Kenntnis, dass am 20. und 21. Februar 2024 der High Court of Justice im Vereinigten Königreich eine Anhörung darüber abhalten wird, ob der mit dem Walkley Award ausgezeichnete Journalist Julian Assange gegen seine Auslieferung an die Vereinigten Staaten von Amerika Berufung einlegen kann. (...) Sowohl die australische Regierung als auch die Opposition haben öffentlich erklärt, dass diese Angelegenheit schon zu lange andauert; und unterstreicht, wie wichtig es ist, dass Großbritannien und die USA die Angelegenheit beenden, damit Herr Assange zu seiner Familie nach Australien zurückkehren kann.

Von New York Times bis Der Spiegel: Lasst Assange frei!

Die australische Regierung ist nicht die einzige, die die Freilassung von Assange fordert. Im November 2022 haben fünf große Zeitungen, die mit Wikileaks zusammengearbeitet haben – die New York Times, der Guardian, Le Monde, El País und Der Spiegel – in einem gemeinsamen Brief ein Ende der Strafverfolgung gefordert.

Die Beschaffung und Weitergabe sensibler Informationen, wenn dies im öffentlichen Interesse notwendig ist, stellt einen wesentlichen Bestandteil der täglichen Arbeit von Journalisten dar. Wenn diese Arbeit kriminalisiert wird, werden unser öffentlicher Diskurs und unsere Demokratien erheblich geschwächt,

… heißt es in dem Brief.

Assanges Anwältin Jennifer Robinson wird bei der Anhörung vor dem Londoner Gericht anwesend sein. Sie sagte auf Democracy Now:

Wir sagen schon seit Jahren, dass es ein politischer Fall ist, der eine politische Lösung erfordert. Die beispiellose politische Unterstützung im australischen Parlament über Nacht zeigt, dass Julians Fall eine Priorität für die australische Regierung, unser Parlament und die Bevölkerung darstellt. Die USA sollten auf die Bedenken ihres Verbündeten hören – und den Fall fallen lassen.

Das Interview erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Democracy Now. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.

Amy Goodman ist Moderatorin und ausführende Produzentin von Democracy Now!, einer landesweiten, täglichen, unabhängigen und preisgekrönten Nachrichtensendung, die weltweit auf über 1.400 öffentlichen Fernseh- und Radiosendern ausgestrahlt wird. Die US-Journalistin hat zahlreichen Auszeichnungen erhalten wie die I.F. Stone Medal for Journalistic Independence Lifetime Achievement Award und den Right Livelihood Award, weithin als "alternativer Nobelpreis" bekannt. Goodman ist Autorin und Co-Autorin von sechs New-York-Times-Bestsellern.

Denis Moynihan arbeitet seit dem Jahr 2000 mit Democracy Now! zusammen. Er ist ein Bestsellerautor und Kolumnist bei King Features. Er lebt in Colorado, wo er den Community-Radiosender KFFR 88.3 FM in der Stadt Winter Park gegründet hat.

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