"Anschläge auf die Nord-Stream-Leitung aufklären"
Seite 4: Grüne: "Kritische Infrastruktur muss besser geschützt werden"
- "Anschläge auf die Nord-Stream-Leitung aufklären"
- SPD: "Von kriminalistischen Ermittlungen überhaupt keine Ahnung haben"
- CDU: "Wem nützt es, wenn eine Leitung übrig bleibt?"
- Grüne: "Kritische Infrastruktur muss besser geschützt werden"
- Linke: "Kein wirkliches Aufklärungsinteresse"
- FDP: "Es darf keinen Ausverkauf kritischer Infrastruktur geben"
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Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Das Wort erhält Leon Eckert für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Leon Eckert (Bündnis 90/Die Grünen):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger!
Unsere kritische Infrastruktur wird angegriffen: ob digital durch das Lahmlegen ganzer Behördennetze, physisch auf Pipelines oder die Bahnkommunikation.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Von Ihren linken Freunden!)
Ich glaube, es ist Zeit, dass wir anerkennen: Unsere kritische Infrastruktur muss besser geschützt werden.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)
Aber das machen wir in der Bundesregierung nicht durch das wilde Jonglieren mit Verschwörungsthesen oder Verdachtsfällen, sondern durch konkrete Maßnahmen.
Ich möchte mit Ihnen mal die Maßnahmen analysieren, die die Bundesregierung ergreifen wird und plant, um unsere kritische Infrastruktur besser zu schützen.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Da bin ich mal gespannt!)
Auf der einen Seite steht das Thema Vorsorge: resiliente Strukturen zu schaffen, Redundanzen zu planen, physischen Schutz, wie die einzelne Betontür oder auch Mauern, zu verstärken.
Ich glaube, da lohnt es sich, zu fragen: Wer ist eigentlich zuständig? Wir haben bei dem Angriff auf die Pipeline gesehen: Es ist nicht immer leicht, herauszufinden, wer für solche Fälle eigentlich zuständig ist. Ist es ein Sturm, der so einen Schaden verursacht, dann ist es im Zweifel eine Katastrophenschutzbehörde eines Landes; handelt es sich um Sabotage, einen Angriff eines feindlichen Staates, dann ist es der Bund, obwohl die Auswirkungen genau gleich sind?
Das heißt, wir müssen uns die Frage stellen: Wer ist zuständig? Wer muss eigentlich die Initiative ergreifen beim Schutz von kritischer Infrastruktur?
Das Gleiche gilt bei der Bewältigung. Wir haben derzeit die künstliche Trennung in Zivilschutz und Katastrophenschutz. Gleiche Wirkung: Ein Baum unterbricht eine Stromleitung, es kommt zu einem Stromausfall; die Landesbehörden, die untere Katastrophenschutzbehörde ist zuständig. Sabotage: Jemand sägt den Strommast durch, im Zweifel ein Zivilschutzfall; also ist der Bund zuständig.
Wir haben also die gleiche Bewältigungsaufgabe bei unterschiedlicher Zuständigkeit. Das führt natürlich zu Doppelstrukturen und, ich glaube, im Zweifel dazu, dass eine Struktur nicht so funktioniert, wie sie sollte. Ich denke, der Zivilschutzfall ist so noch nicht so richtig geübt worden. Ich vermute, dass es hier auch zu der einen oder anderen Überforderung kommen könnte. Also, hier Zuständigkeiten glattzuziehen, ist, glaube ich, eine wichtige Aufgabe. Wir haben dazu im Koalitionsvertrag vereinbart, im Rahmen des Föderalismusdialogs noch mal mit den Ländern über Katastrophenschutz, Zivilschutz, Vorsorge zu sprechen.
Ein weiterer Punkt ist die Investition in den Schutz von kritischen Infrastrukturen: Das ist die Stärkung des BSI, die Stärkung des BBK, das Investieren in Bewältigungsfähigkeiten wie zum Beispiel das Cyber-Hilfswerk, aber auch die Technische Nothilfe des Technischen Hilfswerks stark und up to date zu halten. Da hätten wir mit dem Sondervermögen, wenn wir Verteidigung als Gesamtverteidigung begriffen hätten – also Zivilschutz und militärische Verteidigung als die beiden Seiten einer Medaille, der Gesamtverteidigung –, einen großen Wurf machen können.
Leider hat die Union etwas kleiner gedacht und diesen Teil herausverhandelt. Das ist schade, entbindet uns als Parlament aber nicht, jetzt nachzulegen und zu sagen: 2024 werden die entsprechenden Mittel im Haushalt freigesetzt, um Cybersicherheit und Zivilschutz zu stärken.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)
Abgesehen davon müssen wir auch an die Regularien gehen. Das Kritis-Dachgesetz wird im Innenministerium vorbereitet. Wir unterstützen die Innenministerin dabei, einen guten und vollumfänglichen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Und wir werden die Betreiberinnen und Betreiber von kritischer Infrastruktur in die Pflicht nehmen. Es geht um eine Harmonisierung von Recht. Wir haben ganz viele Vorsorgegesetze: Die Stromversorgung für Wasserversorger im Fall eines Blackouts ist dort geregelt, aber auch Einzelbestimmungen wie zum Beispiel bei der Versorgung von Krankenhäusern. Aber überall gibt es Lücken, und der Fall jetzt hat uns gezeigt: Nicht jeder Versorger und jeder Betreiber von kritischer Infrastruktur wusste, welche Vorgaben er erfüllen muss, welche Bestimmungen für ihn gedacht sind.
(Tino Chrupalla [AfD]: Das ist unfassbar, was man sich hier anhören muss!)
Dieses Kritis-Dachgesetz wird genau diese Lücke füllen. Darin werden die Zuständigkeiten der einzelnen Fachbehörden geregelt sein und auch die Regulierung und die Frage, welche Standards wir anheben müssen.
Das alles wird natürlich den Eintritt eines Ausfalls kritischer Infrastruktur nicht verhindern, sondern nur die Eintrittswahrscheinlichkeit reduzieren.
(Tino Chrupalla [AfD]: Das ist doch unglaublich!)
Deswegen müssen wir die Resilienz in allen Ressorts stärken. Wir haben die Resilienzstrategie in der Ressortabstimmung verabschiedet. Jetzt gilt es, diesen Resilienzgedanken in die Kommunen, in die Länder, in den Bund hineinzutragen und das auch im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürgern zu verankern. Ich glaube, nur so können wir die Bewältigung von Schadensereignissen gut schultern. Diese ganzen Maßnahmen werden kommen, und wir können alle daran arbeiten, dass sie erfolgreich werden.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
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