Antifa fahndet nach "gewalttätigen" Polizisten
Nach den neuen "Plakataktionen" der Berliner Polizei im Zusammenhang mit den Maikrawallen dreht die linke Szene den Spieß nun um
Der Streit um die Jagd auf die Verursacher der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen linken Gruppierungen und der Polizei hat einen neuen Höhepunkt erreicht: Die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB), die zu den Hauptorganisatoren der traditionellen 1.-Mai-Demos in Kreuzberg gehört, hat auf eine bundesweite und das Internet einbeziehende Fahndungsaktion der Polizei mit einem Gegenaufruf reagiert.
"Die Antifa bittet um Mithilfe", heißt es auf einem Plakat, das die AAB am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Darauf zu sehen sind 23 Fotos von Polizisten in Zivil und in voller Kampfmonitur mit Schutzhelm, die die Antifaschisten verdächtigen, während ihres Einsatzes beim 1. Mai 2002 Straftaten verübt zu haben. So sieht man sie denn teilweise mitten im Gemenge Demonstranten festhalten oder zu Boden drücken. Die "Fahndungsaktion" mit den Plakaten soll Anfang nächster Woche starten. Bereits jetzt ist der Aufruf allerdings im Internet auf der Webseite der AAB zu bewundern.
Die ungewöhnliche Aktion wird unterstützt von der Berliner PDS im Abgeordnetenhaus. Ein Nebeneffekt soll sein, die Diskussion um eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte wieder zu beleben, die in Berlin seit längerem geführt wird. Die sich an die Bevölkerung richtenden Organisationen wollen auf diesen Missstand aufmerksam machen, da seinetwegen die "schweren Übergriffe durch Berliner Polizeibeamte" nicht verfolgt werden konnten.
Die "Kopfprämie", die der Berliner Senat auf die Ergreifung von gesuchten Krawallos mit seiner vor einer Woche angelaufen Suche ausgesetzt hat (Berliner Polizei packt erneut das Online-Jagdfieber), toppen die Antifaschisten gleich mal um das Doppelte: Für Hinweise, die zur Ermittlung und Festnahme eines Straftäters führen, hat die AAB eine Belohnung in Höhe von "1.000 Euro (eintausend)" ausgesetzt. Sie soll sowohl für Personen aus der Bevölkerung als auch für "Kronzeugen" aus Reihen der eigentlich mit der Verfolgung von Kriminellen beauftragten Staatsdiener gelten. Ob sich damit wirklich so mancher Polizist ein Zubrot verdienen will, ist allerdings zweifelhaft. Zudem stellt die AAB klar, dass "die Zuerkennung, Verteilung und Auszahlung" nur "nach Ausschluss des Rechtsweges und nach rechtskräftiger Verurteilung des Straftäters" stattfindet.
In der Berliner Innenverwaltung findet der Aufruf keinen Anklang. Der wohlweislich erst nach dem 1. Mai ins Amt berufene neue Polizeipräsident Dieter Glietsch beeilte sich nach der Pressekonferenz der Anifaschisten zu erklären, es lägen "keinerlei Anhaltspunkte" dafür vor, "dass die abgebildeten Polizeibeamten Straftaten begangen haben." Die Aktion der AAB bezeichnete er wiederum als strafbar. Als Grundlage zieht Glietsch "nach einer Prüfung des Sachverhaltes durch den Leiter der zuständigen Hauptabteilung bei der Berliner Staatsanwaltschaft und den Polizeilichen Staatsschutz" interessanterweise das "Kunsturhebergesetz" heran, gegen das die Initiatoren verstoßen würden. "Die Persönlichkeitsrechte der Beamten" werde durch den Aufruf "in nicht hinnehmbarer Weise verletzt". Dass Datenschützer und das Berliner Abgeordnetenhaus den gleichen Schutz auch bei der Suchaktion der Polizei im weltweiten Internet für die verdächtigen Steinewerfer und Plünderer einfordern, scheint bei der Innenverwaltung dagegen niemand zu stören.
Die AAB ist laut dem aktuellen Berliner Verfassungsschutzbericht eine "der führenden 'Antifa-Gruppen' in Berlin und wurde 1993 "von aus Passau nach Berlin umgezogenen militanten Autonomen - zunächst unter der Bezeichnung 'Antifa A+P (Agitation und Praxis)' - gegründet". Angeblich propagiert sie einen "militanten Antifaschismus" und "verfügt auch über eine eigene, professionelle Internet-Homepage", die mindestens einmal wöchentlich aktualisiert werde.
Das dort bereits zu findende Plakat ist allerdings längst nicht mehr die einzige "Gegenfahndung" der Linken im Netz. So werden auch auf Seiten wie vom Aktivschutz sowie im Liquid2k-Netz zahlreiche Fotos von zivilen und uniformierten "Bullen" gelistet, die angeblich teilweise als Agents Provocateurs fungieren oder mit Straftaten in Verbindung gebracht werden. Auf dem ebenfalls im Berliner Verfassungsschutz-Bericht auftauchenden Weblog indymedia gibt es ferner eine kleine Dokumentation über die Ausschreitungen am Maifeiertag, bei denen vor allem Polizisten in voller Aktion zu sehen sind.