Antraxwaffen? Nein, Antraxaffen!

Bioterror im Urwald: Anthraxerkrankungen bei wild lebenden Schimpansen

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Nicht genug, dass der Lebensraum für wild lebende Menschenaffen durch die fortschreitende Zerstörung der Regenwälder seit Jahren schrumpft, dass sie gejagt werden, weil sich mit "Bushmeat" gutes Geld verdienen lässt. Jetzt berichtet ein deutsches Forscherteam im aktuellen Nature, dass wild lebende Menschenaffen in Afrika auch durch Krankheitserreger stark bedroht sind.

Anthrax – seit dem 11. September und seinen Folgen klingt das nach Bioterrorismus, nach Briefen, aus denen ein unheimliches Pulver rieselt, das Menschen in Hysterie versetzt. Darüber vergisst man fast, dass Milzbrand zwar eine gefährliche, aber doch eher gewöhnliche Infektionskrankheit ist: Sie kommt überall auf der Welt vor, in Deutschland ist sie allerdings recht selten. Beim Robert Koch-Institut wurde zuletzt 1994 ein Fall von Hautmilzbrand gemeldet.

Ungewöhnliche Todesserie bei Schimpansen

Bereits 2002 haben Forscher des Robert Koch-Instituts, Berlin und des Max-Planck-Instituts (MPG) für Evolutionäre Anthropologie, Leipzig eine ungewöhnlich hohe Todesrate bei drei wild lebenden Schimpansengesellschaften (Pan troglodytes verus) im Taï-Nationalpark im Südwesten der Elfenbeinküste festgestellt. In einen Zeitraum von neun Monaten starben dort plötzlich acht Tiere, die kurz zuvor noch kerngesund schienen. Der Krankheitsverlauf bei einem Teil der Schimpansen ließ eine akute Infektionskrankheit vermuten. Die erfassten Symptome an Organen und Geweben deuteten auf eine Bakterieninfektion als Todesursache hin.

Mit molekularbiologischen Methoden (PCR) konnten die Forscher dann bei sechs der toten Menschenaffen den Milzbranderreger Bacillus anthracis nachweisen. Bei mindestens zwei weiteren Schimpansen wird als Todesursache ebenfalls Milzbrand angenommen.

Infektionsquelle rätselhaft

Obwohl die Schimpansen im Taï-Nationalpark seit 1979 im Rahmen eines Feldforschungsprojekts unter der Leitung von Christophe Boesch vom MPG in Leipzig intensiv beobachtet werden und viele Informationen zu ihrem Verhalten und zur Nahrungsaufnahme vorliegen, konnte die Infektionsquelle für die Milzbrandfälle bislang nicht eindeutig identifiziert werden.

Es ist denkbar, dass sich die Schimpansen bei infizierten Tieren, etwa den in ihrem Lebensraum leicht zu jagenden Antilopen, die typischerweise von Milzbrand heimgesucht werden, angesteckt haben. Doch die bisherige Beobachtung des Jagdverhaltens der Primaten zeigte, dass sie kleinere Affen bevorzugen. Eine zweite Möglichkeit stellt die Aufnahme von Milzbrandsporen durch verseuchtes Wasser dar. In diesem Fall müssten aber auch andere Tierarten betroffen sein. Dafür wiederum fanden die Forscher keine Anhaltspunkte.

Bedrohung auch für den Menschen

Seit geraumer Zeit beobachten Wissenschaftler, dass wild lebende Menschenaffen von Krankheitserregern heimgesucht werden, die dann auch auf den Menschen übergehen. Ein Beispiel ist das Ebolavirus, das in den vergangenen Jahren die Schimpansen- und Gorilla-Populationen in weiten Teilen Zentralafrikas um die Hälfte dezimiert hat (vgl. Science, 303, 2004) und nachweislich von den Gorillas auf den Menschen überging. Im Mai hat Reinhard Kurth, der Präsident des Robert Koch-Instituts, anlässlich der Konferenz "Krankheiten – die dritte Bedrohung wildlebender Großer Affen" auf diese Bedrohung aufmerksam gemacht:

Die fortschreitende Zerstörung der Regenwälder in Afrika und Asien, in denen Menschenaffen leben, und daraus resultierende Klimaveränderungen führen zu dramatischen Veränderungen, die möglicherweise das Auftreten neuer, unbekannter Krankheitserreger in diesen Menschenaffen begünstigen und damit auch ein Risiko für den Menschen bergen.

Im Regenwald schlummert ein noch unbekanntes Potenzial an Krankheitserregern und die Wilderei nach Bushmeat, das Fleisch wild lebender Tiere, erhöht das Risiko des Menschen, sich mit den bekannten, aber womöglich auch mit neuen Erregern zu infizieren.

"Die Untersuchung von Erkrankungen bei Menschenaffen geben Hinweise auf Krankheitserreger, die das Potenzial haben, auf den Menschen überzuspringen – so ist etwa das weltweit am häufigsten vorkommende HIV-1 nach dem heutigen Kenntnisstand von Schimpansen auf den Menschen übertragen worden und hat sich dann in der Bevölkerung ausgebreitet" schreiben die Wissenschaftler. Auch die SARS-Epidemie hat gezeigt, welche verheerenden Auswirkungen ein aus dem Tierreich auf den Menschen übergegangener Erreger haben kann.

Neue Initiative

Die Anfang Mai ins Leben gerufene Initiative "Great Apes Health Monitoring Unit" (GAHMU) unter Führung des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie und des Robert Koch-Instituts will sich diesem Thema künftig verstärkt annehmen und dazu beitragen, Infektionskrankheiten bei Menschenaffen zu erkennen und das Risiko einer Übertragung der Erreger auf den Menschen zu beurteilen, um die Ausbreitung einzuschränken.