Architektur und Brands

Plädoyer für eine Marke der Nachhaltigkeit

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Insbesondere über die letzten fünfzehn Jahre ist deutlich geworden, dass sich die Produkte des post-industriellen Zeitalters von „technologischen Ausrüstungen” hin zu umfassenden, auf die Konsumenten konzentrierte Markenkonzepte verwandelt haben, die von der Sphäre der Rationalität ins Reich der Wünsche und vom Objektiven zum Subjektiven ins Reich der Psychologie übergehen. Im Kontext einer Wirtschaft, die sich auf die Erfahrung des Konsumenten konzentriert, wird der Ware kein Wert für ihre tatsächliche Verwendung bzw. für ihren Tauschwert beigemessen, sondern an erster Stelle ihre Fähigkeit geschätzt, das Erlebnis und die Identität des Kunden zu verändern. In dieser Welt der kurzlebigen, durch ein Paradigma der Wahrnehmung angetriebenen Werte, spielt das Branding eine zentrale Rolle.

Leipzig Plant, Architect: Zaha Hadid, Photography: Helene Binet

Ähnlich wie das Konzept der Maschine die kulturelle und kommerzielle Produktion während des Zeitalters vom Ersten Weltkrieg bis zum Zweiten Weltkrieg (das oft als das Zeitalter der Maschine bezeichnet wird) durchdrungen hat und als Metapher für Standardisierung, Spezialisierung und Präzision diente, ist die Marke zum Symbol für die aktuellen, mit dem Informationszeitalter verbundenen Verbraucherwerte geworden: Individualisierung, Differenzierung, Wahrnehmung und Kommunikation.

Brands verleihen Produkten, Dienstleistungen, Orten und Ereignissen einen zusätzlichen symbolischen Wert, der sie, sozusagen, über sich selbst erhöht und aus ihnen mehr macht, als sie in materieller oder funktioneller Hinsicht sind. Marken machen aus Images, Identitäten und Lebensstilen in sich geschlossene Einheiten, während sie gleichzeitig auch kulturelle Werte festschreiben. Marken wirken als Katalysatoren, mit denen der Wert und/oder der Status eines bestimmten Ortes, einer Person oder eines Ereignisses erhöht werden sollen.

Benz Museum, Stuttgart, Architects: UN Studio. Copyright by UN Studio

Architektur ist zum wesentlichen Inhalt der Vermarktung geworden

Es ist offensichtlich, dass das Branding und die Architektur über die letzten beiden Jahrzehnte hinweg eine Beziehung entwickelt haben, in der sie sich gegenseitig befruchten. So setzen beispielsweise Prada, BMW und andere führenden Marken die Architektur zunehmend als zentralen Bestandteil einer umfassenden Brandingstrategie ein. Die BMW Welt in München, entworfen als dreidimensionales Markenerlebnis vom österreichischen Architektenteam COOP Himmelblau, das ikonographische Zentralgebäude von Zaha Hadid für BMWs neue Produktionsstätte in Leipzig oder das neue Mercedesmuseum in Stuttgart von UN Studio, sowie die legendären Pradastores von Rem Koolhaas und Herzog De Meuron sind nur einige von vielen Beispielen, die verdeutlichen, wie Architektur immer mehr als Medium zur Schaffung eines dreidimensionalen Markenerlebnisraum eingesetzt wird und damit letztendlich die betreffende Marke auch zunehmend mehr mit kulturellen Werten verknüpft.

Allerdings nehmen die Architektur und die Stadtplanung auch große Anleihen aus der Markenbildung auf. So haben beispielsweise Städte wie Bilbao, Shanghai und Seattle in den letzten Jahren die Architektur erfolgreich als Bestandteil einer umfassenderen Stadtmarketingstrategie eingesetzt. Wenn wir die Architektur von der Perspektive unserer heutigen Medien und der durch das Marketing vorangetriebenen Umgebung aus betrachten, nimmt sie eine zentrale Stellung ein. Wenn wir all die Gebäude berücksichtigen, die gegenwärtig im Fernen Osten, in den USA und an anderen Orten in dem Bestreben, neue Bedeutungsstrukturen zu konstruieren errichtet werden, stellen wir fest, von welch wesentlicher Bedeutung die Architektur für die Markenbildung ist und umgekehrt. Wenn wir über die Architektur als Bestandteil unserer ökonomischen Umgebung nachdenken, so bringt uns dies auch dazu, über Meinungsbildung, Macht, und Identität nachzudenken. Betrachten wir dies in einem historischen Kontext, so ist die Architektur nicht mehr nur ein Bestandteil der Vermarktung unserer Umgebung, sondern sie ist zu deren wesentlichem Inhalt geworden.

The Guggenheim Museum, Bilbao, Architect: Frank Gehry, © FMGB Guggenheim Bilbao Museoa, 2004, Photography: Erika Barahona Ede, Courtesy of Erika Barahona Ede

Trotz oder gerade wegen seines jüngsten Einflusses auf die Architektur und Stadtplanung hat das Branding einen zwiespältigen Ruf. Obwohl es theoretisch als Strategie zur Herstellung einer einzigartigen Identität dienen kann, liegt die Ironie seiner Anwendung darin, dass es in den meisten Fällen das genaue Gegenteil erreicht. Das Paradox der Markenbildung als Mittel zur Identitätsbildung auf dem globalen Marktplatz liegt in der simplen Tatsache, dass Marken nicht nur zu der fortschreitenden Homogenisierung von Städten beigetragen haben, sondern diese in jüngster Zeit mit der Prägung von immer gleichen Markenerlebniswelten noch beschleunigt haben.

Zweifelsohne treiben heute Marken Veränderungen mit einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit voran, was sowohl negativ als auch positiv bewertet werden kann - insbesondere in der umstrittenen Beziehung der Konzerne zum Ort und zu den Gemeinden vor Ort. Auf der positiven Seite ist über das vergangene Jahrzehnt hinweg deutlich geworden, dass Unternehmenskapital als wichtiges Medium zur Umkehrung eines wirtschaftlichen Niedergangs und zur Förderung der Stadterneuerung wirken kann.

Prada Epicenter New York, Architects: OMA / Rem Koolhaas, Courtesy of OMA

Brandscapes untergraben die Bedeutung von Orten

Auf der negativen Seite können allerdings die weltweiten Praktiken von Konzernen auch die Ursache des Zerfalls der kulturellen Unterschiede sein. Die durch die wirtschaftlichen Veränderungen verursachte Neustrukturierung der lokalen Landschaft, verleiht dem, was die amerikanische Soziologin Sharon Zukin den „Gegensatz zwischen Markt und Ort“ nennt, eine sowohl materielle als auch symbolische Form. Heute durchdringt die Macht der globalen Konzerne selbst die kleinsten Orte und verbindet diese, aber sie zerstört auch die kulturelle Distanz, die es so unverwechselbar machte, diese Orte zu erleben. Folglich dominiert die globale Wirtschaftsmacht, gegenüber dem Ort im Kampf um die Erweiterung der Märkte und die Kontrolle über die Nutzung der Räume. Kurz gesagt: Während die Märkte globalisiert worden sind, ist der Ort in seiner Bedeutung minimiert worden.

Third Street, Santa Monica 2002, Photography: Ben Uyeda

Diese Tendenz wird auch im öffentlichen Raum der Städte immer sichtbarer. Durch die endlose Wiederholung identischer Markenerlebnisse, werden sich die Straßenräume unterschiedlicher Städte zunehmend ähnlicher. Durch die Förderung der Unternehmenskultur und der Trennung ihrer selbstbezüglichen Identität vom komplexen sozialen Geflecht des jeweiligen Ortes stellen Markenerlebniswelten abstrakte Einheiten dar, die meist keinerlei Beziehungen zu dem Gebiet haben, in dem sie sich befinden.

Im Gegensatz zur konventionellen Architektur beruhen Markenlandschaften nicht auf dem Ort, sondern sind Ausdruck einer ortsunabhängigen Brand-Identität, die der Kunde in einer gesamtheitlich gestalteten Umgebung sinnlich erfahren soll. Da allerdings Corporate Identity-Programme von Natur aus durch den Markt angetrieben sind, besteht die implizite Gefahr dieser Brandscapes darin, dass sie sich ganz offensichtlich über die charakteristischen Eigenschaften des Ortes hinwegsetzen. Diese Tendenz wird zusätzlich durch die Anwendung von standardisierten Entwicklungskonzepten unterstützt. Durch die endlose Wiederholung von urbanen Unterhaltungszentren, Shoppingmalls, Stadien, Marktplätzen, Expos und Flagshipstores (oder was sonst auch immer momentan in Mode ist) hat sich eine oberflächliche Monokultur manifestiert, die nur in begrenztem Ausmaß inspirierend und beständig ist. Theoretisch könnte eine Markenarchitektur die Möglichkeit der Vereinbarung von Markt und Ort nahe legen; je sichtbarer sie allerdings wird, desto stärker nimmt sie das vom Kontext befreite, marktorientierte Erscheinungsbild einer Franchise-Kultur an.

Seattle, Photography: Anna Klingmann

Uniformität der Städte durch Standortkonkurrenz

Im Laufe des vergangenen Jahrzehntes ist gezeigt worden, dass die Architektur als wirkungsvolles Medium für die Umkehr eines wirtschaftlichen Niedergangs und die Förderung der Wiederbelebung von Städten wirken kann. Während heute immer mehr Konzerne an den Vorteilen internationaler Standorte und erhöhter Beschäftigungsmobilität interessiert sind, müssen Städte in ihrem Bemühen, knappe Ressourcen für sich zu gewinnen, mit einer zunehmenden Zahl von Wettbewerbern konkurrieren. Aus diesem Grund wird es für Städte und Kommunen immer wichtiger, eine Marktperspektive zu übernehmen, ein strategisches Leitbild festzulegen und Wettbewerbsvorteile in Verbindung mit einem differenzierten Image zu kommunizieren.

Time Warner Building, Architects: Skidmore, Owings and Merrill LLP, Photography: Thomas Cinko

Da jede Gemeinde heute selbst zunehmend zum Verkäufer von Waren und Dienstleistungen wird, ähneln auch die Orte immer mehr Konzernen, die Produkte, Märkte und Kunden entwickeln. Es ist heute üblich, Orte nach jedem nur denkbaren Aspekt in Rangordnungen einzuteilen und zu bewerten: wo man ein Unternehmen gründen, wo man Kinder aufziehen, wo man seinen Urlaub planen, wo man Tagungen durchführen oder wo man zum Vergnügen hingehen sollte. Deshalb führen die Städte genau wie Unternehmen Werbekampagnen durch, um Firmen, Investitionskapital und Touristen, anzuziehen, die für Beschäftigung, und Wachstum eine pulsierende Umgebung versprechen. In diesem Prozess müssen sich Orte jedoch im Gegensatz zu Unternehmen auf ihre eigenen, lokal vorhandenen Ressourcen verlassen. Während also die Unternehmen durch das berühmte Paradigma „think globally; act locally“ [„Global denken, lokal handeln”] angetrieben werden – sind die Orte mit einem genau umgekehrten Paradigma konfrontiert. Sie müssen lokal denken und global handeln, indem sie ihre lokalen Unterschiede als Kapital zur Bildung und zum Ausdruck ihrer einzigartigen Identität einsetzen.

Bei der Vermarktung von Regionen spielen die Architektur und die Stadtplanung eine zentrale Rolle als charakteristische Besonderheiten, die über das Potential verfügen, Anwohner, Unternehmen und Touristen anzuziehen. Während die Errichtung von kulturellen Monumenten seit den neunziger Jahren eine weit verbreitete Brandingstrategie ist, dient die Errichtung von “Marktplätzen” - eine Strategie, die aus den späten siebziger und frühen achtziger Jahren stammt - als deren kommerzielles Gegenstück. Auf diesen sogenannten Marktplätzen werden im Allgemeinen zur Reaktivierung leerstehender Industriezentren und zur Wiederherstellung eines optischen Gefühls für den Ort gemischte Konsumprogramme mit einem Gefühl der lokalen Identität kombiniert.

Diese Art von Strategie umfasst typischerweise die Sanierung von ehemaligen Fabrikhallen, Gleisanlagen und Hafengebieten sowie innerstädtische Bauprojekte. Was all diese Projekte antreibt, ist eine Kombination aus Unterhaltung, Restaurants und Einzelhandel, die eine synergetische Dreiheit aus miteinander verbundenen Konsummustern schaffen. Anstelle charakteristische Identitäten darzustellen, haben diese Strategien der Markenbildung in der überwältigenden Mehrheit zu einer Homogenisierung der Orte mit einer fortgesetzten Widerholung von Standardinstrumentarien tendiert. Bei dem Versuch, einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, ist es den Akteuren der Städte nur selten gelungen, die Unverwechselbarkeit ihrer Stadt zu erfassen, was dann zu einem Image führt, das dem anderer Städte ähnlich ist.

Hollywood Highland, Los Angeles, Photography: Ben Uyeda

Der spekulative Charakter dieser Investitionen in die Förderung des Ortes hat zu einer Logik des unternehmerischen Konservativismus geführt, der die Wiederholung von erprobten Formeln zur Folge hat. In dem Versuch, ihr Image zu verbessern, beauftragen die lokalen Interessengruppen zumeist ganz einfach Architekten mit einem “bekannten Namen”, durch deren Ruf einerseits das finanzielle Risiko minimiert wird und trotzdem die internationale Anerkennung angekurbelt wird - was letztlich zu einem Imperativ der Uniformität führt. Offensichtlich führt der fortgesetzte Einsatz von Stararchitekten zu einer Architektur, die für die Investoren zwar weniger riskant ist, die aber auch zunehmend weniger ein Gefühl für den Ort hervorruft. Während die Superstars unter den Architekten der städtischen Landschaft ihren eigenen Stempel aufdrücken, ähneln auch sie immer mehr Lizenzunternehmen, die standardisierte Umgebungen schaffen, während sie von einem Ort zum anderen ziehen. Die Gleichsetzung von Branding mit führenden Markenarchitekten wird von vielen Städten auf der ganzen Welt widergespiegelt - die alle bei der Schaffung, dessen, was heute als die “globale Stadt” definiert wird, zunehmend den gleichen Rezepten folgen.

Architektur als Baustein für die Identität eines globalen Unternehmens und eines Orts

Die Frage stellt sich also, wie man heute neue kulturelle Werte aushandeln kann, die nicht nur die Verschiedenartigkeit der Orte respektieren, sondern die darüber hinaus auch eine Architektur fördern, die das Branding mit den weiteren, allumfassenden Zielen der Stadtentwicklung in Einklang bringt? Es ist eine Tatsache, dass jeder Standort, der im globalen Dorf sichtbar bleiben will, eine einzigartige Position und eine Vielfalt von Erfahrungen bieten muss, die diesen Ort von allen anderen unterscheiden. Während allerdings klar ist, dass die Stadtentwicklung aus einem globalen Bewusstsein heraus Form annehmen muss, wird auch überaus deutlich, dass der bloße Import von Formeln, Erzählungen und Signaturen als Mittel zur Differenzierung nicht mehr ausreichend ist. In den meisten Fällen haben diese Strategien zu einer Ansammlung von Disneyland-ähnlichen Ersatzorten geführt, in denen Bedeutung und Form zunehmend von einander getrennt sind.

Was wir aus früheren Projekten zur Stadterneuerung lernen können, ist, dass die Entwicklung einer globalen Kultur, obgleich sie sozial und wirtschaftlich spannende Aussichten bietet, auch zu neuen Dilemmas und Herausforderungen führt. Und trotzdem müssen genau innerhalb dieser Dualität der lokalen und der globalen Dimension der Orte neue Richtlinien zur Markenbildung für Städte festgelegt und definiert werden.

Nike World, Collage: Anna Klingmann

Gerade weil internationale Konzerne bei der Umstrukturierung von Orten mehr und mehr an Macht gewinnen, werden sie auch immer stärker mit der sozialen Verantwortung für die Schaffung eines Nutzens für die Öffentlichkeit konfrontiert, um ein gegenseitiges Gefühl der Identifizierung innerhalb lokalisierter Gemeinden zu ermöglichen. In einem Zeitalter der globalen Kluft über das wahrgenommene Image der Unternehmen als rücksichtslose Ausbeuter kann die Markenarchitektur heute nicht mehr auf einen bloßen Ausdruck der Marktmacht reduziert werden. Sie muss darüber hinaus auch aus dem zunehmenden Bedürfnis der internationalen Konzerne, kulturelle und politische Werte zu vermitteln, Kapital schlagen. Unternehmensarchitektur muss heute durch einen Ausgleich zwischen kommerziellen und sozialen Zielen ihre Rolle als Ikone der Sichtbarkeit überwinden und zu einem multidimensionalen Ausdruck ethischer und regionaler Werte werden. Deshalb besteht eine der größten Herausforderungen heute darin, Szenarios zu schaffen, mit denen kommerzielle Ambitionen effektiv unterstützt werden, während gleichzeitig die von ortsbezogenen öffentlichen, kulturellen und politischen Institutionen verbessert werden.

Zweifelsohne verfügen Konzerne heute über die erforderlichen Ressourcen, die notwendig sind, um Architektur strategisch als Marke für das wirtschaftliche und kulturelle Wachstum von lokalen Gemeinden einzusetzen. Allerdings muss in diesem Prozess untersucht werden, wie die Architektur konstruktiv eingesetzt werden kann, um sensible Verbindungen und Identitäten herzustellen, mit denen das sozioökonomische Potential von Städten oder Regionen über das reine Unternehmensmarketing hinaus verbessert wird. Die Herausforderung liegt in der Fähigkeit der Architektur, ein Baustein für eine Unternehmens- und für eine Ortsidentität zu werden. Im Hinblick auf das Marketing würde das bedeuten, dass die Erwartungen und Anforderungen des Konzerns erfolgreich mit der ökonomischen und kulturellen Potentials einer Gemeinde verschmolzen werden müssen.

Letztendlich bleibt es auch fraglich, ob eine nachhaltige Identität allein durch die Umsetzung symbolischer Markenprojekte erreicht werden kann, da diese Projekte im allgemeinen introvertierte Einheiten sind, die Ränder und Abgrenzungen entwickeln und den größeren lokalen Kontext nicht wirklich berücksichtigen. Dies wird in der Tat zu einer Frage von Objekt versus Kontext, der Privilegierung der architektonischen Marke gegenüber der Entwicklung einer umfassenderen städtischen Marke.

Die meisten der derzeitig realisierten Markenlandschaften berücksichtigen den lokalen Kontext nicht als lohnende Ressource der Inspiration. Ich meine das nicht im postmodernen Sinn klischeehafter lokaler Formen, sondern eher im Sinn einer DNA, des sozialen und ökonomischen Potentials eines Ortes als Quelle einer dauerhaften Transformation. Deshalb besteht eine der größten Herausforderungen darin, Branding als Mittel zur Herstellung einer nachhaltigen Differenzierung einzusetzen, die sich auf dem Potential des betreffenden Ortes selbst gründet. Bis zu einem gewissen Grad verlangt diese Strategie eine Umkehr von einem streng marktorientierten Verständnis von Branding hin zu einem selbstorientierten Ansatz. Damit ist keine Selbstbezüglichkeit gemeint, sondern die Entwicklung einer neuen Markenarchitektur von innen nach außen und nicht, wie in der gegenwärtigen Praxis diktiert, von außen nach innen. Nur dann, wenn die Prinzipien des Brandings erfolgreich mit lokalen Praktiken verbunden werden, die die Menschen dazu auffordern, einen Beitrag zur Herausbildung der Identität ihrer Stadt zu leisten, können Städte langfristig einen einzigartigen Erlebniswert ihrer öffentlichen Räume schaffen. Hierbei muss es sich um einen integrativen Transformationsprozess handeln, der das schlafende oder explizite Potential von bestimmten Orten, Dienstleistungen und sozialen Beziehungen zwischen den Menschen freilegt, das letztendlich einen Standort von einem anderen unterscheidet. Nur dann kann Branding die Schaffung einer einzigartigen Identität erreichen, die zutiefst spezifisch für einen bestimmten Ort ist.

Architektur als Marke muss mehr sein als nur ein Markenprodukt

Schlussendlich geht es bei dieser ganzen Diskussion um die Frage der Authentizität und der Nachhaltigkeit in der Architektur. Während Erlebnisse immer mehr zur Ware werden und die globale Landschaft zunehmend durch die gleichen Dogmas und Rezepte homogenisiert wird, liegt es in der Verantwortung der einzelnen Städte, neue Potentiale zu erkennen, um authentische Transformationen schaffen. Angesichts eines zunehmenden globalen Bewusstseins hängen die städtischen Entwicklungen davon ab, dass überraschende und charakteristische Erlebnisse geschaffen werden, die in den typischen Motivationen einer Stadt und ihrer einzelnen Gemeinden verwurzelt sind. Gerade in einer Ökonomie, die von Schnelllebigkeit, Kopien und Bildern dominiert ist, besteht die Chance und meines Erachtens auch die Notwendigkeit, Branding gezielt als Kommunikationsstrategie einsetzten, um wieder eine Architektur zu schaffen, die nicht nur kurzfristige Veränderungen und Aufmerksamkeit generiert, sondern eine authentische Identität, welche sich auf lokale Praktiken, Weisheiten, und Haltungen gründet.

Es kann also bei der Architektur, ganz im Gegensatz zu Produkten, nicht um die Erstellung von temporären Identitäten gehen, um die Schaffung von kurzlebigen Trends oder um kurzfristig gedachte Abbilder. Wenn man Architektur als Mittel zur Markenbildung „von innen nach außen“ betrachtet, erfolgt deren Bewertung nach ihrem jeweiligen Beitrag zu den menschlichen Bedürfnissen und Ambitionen, zu sozialen Anliegen und zum wirtschaftlichen Wohlergehen. Es handelt sich hierbei um eine Denkrichtung, die eine Maximierung des wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ökologischen Potenzials anstrebt, indem sie gezielt die Möglichkeiten einer Kultur vor Ort nutzt - ganz im Gegensatz zu gängigen Entwicklungsprojekten, die ein Branding verfolgen, das bewusst den Ort negiert, um das Renommee einer imaginären „globalen“ Stadt zu simulieren.

Architektur als Marke muss somit mehr sein als nur ein Markenprodukt, mehr, als eine bloße Implementierung klischeehafter Bildwelten, schon allein, weil Architektur eine viel höhere Verweildauer hat. So muss es vielmehr darum gehen, das Potential der Architektur als Marke als einen zeitüberdauernden Kommunikationsprozess, als Mittel zur Bildung einer nachhaltigen Identität, zu begreifen, welches sich durch profunde Öffentlichkeit auszeichnet und unseren Lebensraum mehr als jede andere Produkt in unvermittelter Weise definiert.

Anna Klingmann leitet das Büro KL!NGMANN Architecture Brand Development