Arsen im Trinkwasser

Gefährlicher Kreislauf aufgedeckt

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Arsen, Gift für den Menschen, ist ein Energieträger für Bakterien. Angeregt durch intensiven Ackerbau und Viehzucht lösen die Mikroben Arsen aus dem Erdreich und machen das Grundwasser in vielen Regionen Asiens ungenießbar.

Arsenik beherrschte als tödliche Droge die griechische Welt des Altertums und erlebte seine zweite Blüte im Mittelalter. Geschmacklos und in Verbindung mit Pottasche wasserlöslich, lässt es sich akut tödlich oder in kleinen Dosen verabreichen. Heute kommt das Enzymgift sozusagen auf leisen Sohlen, nämlich unerkannt mit dem Trinkwasser.

In Bangladesch, so berichten Ronald S.Oremland von der Princeton Universität in New York und John F.Stolz von der McGill Universität in Montreal in Science konsumieren mehr als 30 Millionen Menschen Grundwasser mit unzulässig hohen Arsenkonzentrationen. Auch anderswo wird Arsen zunehmend ins Wasser gespült. "Eine Zeitbombe, die das drohende Problem der Wassernot qualitativ verschärft."

Arsen ist janusköpfig. Nützlich in der Medizin: vor einem Jahrhundert war Salversan das erste Arzneimittel gegen die Syphilis. Heute noch wird Arsen zur Bekämpfung mancher Krebsarten angewandt. Nützlich in der Landwirtschaft: Organische Arsenverbindungen wie Roxarsone finden unverändert in der Schweine- und Geflügelzucht Verwendung. 50 Tonnen und mehr werden jährlich in den USA verbraucht. Bis zum Verbot 1980 wurden zudem arsenhaltige Pestizide, jährlich etwa 10.000 Tonnen, ausgestreut. Viele Farbstoffe und Imprägniermittel enthalten Arsenverbindungen, die das Element ebenso ins Grundwasser laufen lassen wie die Gülle von Schweinen und Geflügel. Die andere Seite des Arsens ist sein Funktion als Energieträger, der vielen Bakterien zum Wachstum verhilft und möglicherweise schon vor 3,5 Milliarden Jahren in der sauerstoffarmen Zeit Leben überhaupt ermöglichte.

Arsen ist in der Erdkruste selten (0,0001 Prozent), allerdings weit verbreitet und häufig mit Kupfer, Blei und Gold vergesellschaftet. Eine der chemischen Besonderheiten sind die vier Oxydationsstufen. Ferner kommen methylierte organische Arsenverbindungen vor, die als Abbauprodukte bakterieller Prozesse entstehen, sei es im Biotop, sei es über die Ausscheidung mit dem Urin. Anaerobe und aerobe Bakterien, die von den Forschern als DARPs (Dissimilatory Arsenate-Reducin Prokaryotes) bezeichnet werden, sind nicht nur auf Arsen spezialisiert, sondern veratmen auch Schwefel und damit Nitrate und Nitrite. Im Unterschied zu den Schwefelverbindungen, bleibt das toxische Potential des Arsens allerdings über viele Abbaustufen erhalten.

Natürliche Bedingungen zum Studium der DARPs (Dissimilatory Arsenate-Reducin Prokaryotes) bietet der Mono Lake in der Sierra Kaliforniens (Satellitenaufnahme Credit Science)

Die Vielfalt der Bakterien, die Arsen als Energieträger benutzen, könnten für die Beharrlichkeit eines Gens aus der frühen Zeit unseres Planeten sprechen. Die damaligen primitiven mikrobiellen Ökosysteme verfügten zwar über flüssiges Wasser, litten aber am Sauerstoffmangel. Arsen und Schwefel boten die Kraft, zu wachsen und sich zu vermehren. Der Mono Lake in Kalifornien, ein 1-3 Millionen Jahre alter Binnensee, der alkalisch und salzhaltig ist, bietet den Forschern das natürliche Umfeld, die Mikroben zu untersuchen.

"Der Mensch," sagt Ronald S.Oremland, "könnte die treibende Kraft sein. Die intensivierte Landwirtschaft geht mit dem Graben von Brunnen einher, womit das Grundwasser absinkt. Oxidantien wie Ozon und Nitrate stimulieren die Oxydation von Arsen(III). Dieser Prozess lässt die Biomasse anwachsen und schafft sauerstoffarme Bedingungen. Zusätzliche Überladungen durch Tierzucht und Pestizide fördern das Wachstum der DARPs und damit die weitere Auslösung von Arsen aus den Mineralien. Als Folge steigt die Arsenkonzentration im Grundwasser allmählich an."

Arsen als mikrobieller Energieträger ist in chemische Reaktionen eingebunden, die ihrerseits Arsen aus fester Matrix in Lösung bringen (Credit Science)

Liegt es daran, dass Geologen und Mikrobiologen systematisch danach suchen, oder sind veränderte klimatische Bedingungen der Grund dafür, dass die Zahl der Mikroben, die Arsenverbindungen oxydieren oder reduzieren, ständig zunimmt?

Die Erfahrungen aus Bangladesch und anderen Regionen, in denen der Bevölkerungszuwachs den Nahrungsmittelbedarf erhöht, sprechen für den Menschen als wahren Urheber. Wir müssen darauf drängen, dass die Entwicklungsländer nicht die Fehler der Industrienationen wiederholen,

so John F.Stolz. Ist der Kreislauf erst einmal erkannt, kann Abhilfe geschaffen werden. Wie schwierig die neue Erkenntnis im Detail wird, zeigt eine kanadische Studie. Vom wetterfest imprägnierten Holz, das seit Jahren für die phantasievollen Bauten auf Spielplätzen benutzt wird, tropft Arsen nach jedem Regenguss ab: in die Hände der Kinder und in den Boden.