Atomare Kriegsgefahr: Politik am Rande des Abgrunds
Seite 5: Einige Schlussfolgerungen und Ergänzungen
1. Aus den aufgeführten Beiträgen dürfte klar geworden sein, dass wir uns im Unterschied zu der Zeit nach dem Ende des (ersten) Kalten Krieges 1991 spätestens seit Beginn der Ukraine-Konflikts 2014 wieder in einer sehr gefährlichen Konfrontation mit Russland befinden. Der seit Februar 2022 tobende Ukraine-Krieges könnte im weiteren Verlauf bis zu einem finalen Atomkrieg eskalieren.
2. In ihrem Gespräch haben der US-Journalist Robert Scheer und der Atomwaffenexperte Ted Postol die unmittelbare Zerstörungsgewalt von Atomwaffen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung gestellt, aber die Gesundheitsfolgen des Einsatzes von Atomwaffen und die möglichen mittel- und langfristigen ökologischen Folgen eines Atomkrieges werden nicht behandelt. Deshalb folgen hier noch einige Hinweise dazu.
3. Über die Gesundheitsfolgen des Einsatzes von Atomwaffen informieren die Arbeiten von Prof. Masao Tomonaga, der die Gesundheitsdaten von Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki bis in die jüngste Zeit untersucht hat.
4. Eine in der Fachzeitschrift AGU Advances veröffentlichte neue Studie beschreibt die möglichen ökologischen Folgen eines Atomkriegs, wobei die Atomwaffen versehentlich, z. B. aufgrund eines Computerfehlers, oder absichtlich eingesetzt worden sind. Dabei werden regionale Konflikt bis zum nuklearen Schlagabtausch zwischen Russland und den USA mit einer Computersimulation untersucht.
5. In allen Szenarien dieser Studie würden Feuerstürme aus einem Atomkrieg riesige Mengen Ruß in die obere Atmosphäre abgeben, die lange Zeit die Sonne verdunkeln und eine globale Abkühlung verursachen. Zu den Auswirkungen des nuklearen Abkühlungsereignisses ("Nuklearer Winter") gehören die Ausdehnung des Meereises in besiedelte Küstengebiete und die Dezimierung des Lebens im Meer.
In allen Szenarien kühlt sich der Ozean schnell ab, kehrt aber nicht in den Vorkriegszustand zurück, wenn sich der Rauch verzieht. Stattdessen braucht der Ozean viele Jahrzehnte, um wieder normal zu werden, und einige Teile des Ozeans würden wahrscheinlich für Hunderte von Jahren oder länger im neuen Zustand bleiben. Wenn das Abkühlungsereignis endet, bleibt das arktische Meereis in einem neuen Zustand, einer Art "nuklearer kleiner Eiszeit". Die marinen Ökosysteme wären sowohl durch die anfängliche Störung als auch durch den daraus resultierenden neuen Ozeanzustand stark gestört, was zu weltweiten Auswirkungen auf die Ökosystem führen würde, die Jahrzehnte bis Jahrhunderte andauern. Diese Studie unterstreicht nachdrücklich die Gefahren eines Atomkriegs und die langfristigen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt.
6. Da eine Eskalation des Ukraine-Krieges bis hin zu einem finalen Atomkrieg umso wahrscheinlicher wird, je länger dieser Krieg andauert, sollten die weltweite Friedensbewegung alles dafür tun, damit dieser Krieg möglichst bald beendet wird.
Anstatt der Weiterverfolgung einer Politik des "Brinkmanship" gibt es vernünftige Vorschläge für eine Lösungsperspektive des Ukraine-Krieges, die kürzlich vorgelegt wurden und für die es sich in Deutschland und anderswo im Rahmen der Friedensbewegung einzusetzen lohnt.
Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin – Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkrieges und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de