Atomare Kriegsgefahr: Politik am Rande des Abgrunds

Seite 2: Deutschland und die Bombe

1957 alarmierten 18 führende Atomwissenschaftler mit ihrem berühmten "Göttinger Manifest" die Öffentlichkeit über die Gefahren eines Atomkrieges und warnten vor den Plänen der damaligen Adenauer-Regierung, die Bundeswehr mit Atomwaffen aufzurüsten. Bereits 1955 hatten die USA - unter strengster Geheimhaltung - damit begonnen, atomare Kurzstrecken-Raketen in der Bundesrepublik zu stationieren.

Daraufhin entstand mit der Kampagne "Kampf dem Atomtod" ein Proteststurm gegen die atomare Aufrüstung. 1958 stimmte die CDU/CSU-Mehrheit des Bundestages für die atomare Bewaffnung der Bundeswehr. 1960 begannen dann die jährlich stattfindenden "Ostermärsche der Atomwaffengegner".

In diesem Jahr forderte der Führungsstab der Bundeswehr die Verfügungsgewalt über die in Deutschland stationierten Atomwaffen und 1962 eigene deutsche Atomwaffen. Diese abenteuerlichen Pläne konnten schließlich- auch aufgrund der jahrelangen Proteste der Friedens- und Antikriegsbewegung- verhindert werden.

Die ca. 7.000 taktischen Atomwaffen, die in den 1960er Jahren in Westdeutschland stationiert waren und die im Ernstfall auf dem Gebiet der DDR oder der BRD zum Einsatz gekommen wären, wurden, ebenso wie die Pershing-II-Mittelstrecken-Raketen, bis zum Ende des "Kalten Krieges" von den USA abgezogen.

Demonstration gegen die nukleare Teilhabe am Fliegerhorst Büchel (August 2008): Bild: Buroll / Public Domain

Übrig geblieben sind bis dato die auf dem Bundeswehr-Luftwaffenstützpunkt in Büchel stationierten US-Atombomben.

Die "nukleare Teilhabe" Deutschlands

Heute verfügen die neun Atommächte, neben Russland und den USA sind das China, Frankreich, Großbritannien, Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea, über rund 13.000 nukleare Sprengköpfe. Trotz einiger Reduzierungen, z.B. durch den New-Start-Vertrag 2010, befinden sich laut Sipri immer noch mehr als 90 Prozent aller Nuklearwaffen im Besitz der beiden größten Atommächte. Russland verfügt demnach über knapp 6.000 und die USA ca. 5.500 Atomsprengköpfe.

Claus Schreer schreibt:

Nukleare Teilhabe bezeichnet die technische und politische Beteiligung von Nato-Staaten an der Atomkriegsstrategie der USA. Im Rahmen der Nuklearen Teilhabe haben die USA in vier europäischen Nato-Staaten ca. 150 taktische Atomwaffen- frei fallende Atombomben vom Typ B61- stationiert.

Neben Deutschland sind das Belgien, Italien, die Niederlande und die Türkei. Die USA liefern also die Atomwaffen, während die Stationierungsländer die Stützpunkte, die Trägerflugzeuge und die Piloten zur Verfügung stellen, die im Kriegsfall die Atomwaffen ins Ziel fliegen und abwerfen. Offiziell wird das als "Technische Teilhabe" bezeichnet.

In Deutschland sind schätzungsweise 20 US-Atombomben auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in der Eifel stationiert. Die Bundesregierung verweigert dazu jede konkrete Aussage.

Zuständig für den Einsatz der Atombomben ist das "Taktische Luftwaffengeschwader 33" der Bundeswehr. Gemeinsam mit den anderen europäischen Ländern, in denen US-Atomwaffen stationiert sind, üben die Piloten der Bundeswehr in der Nato-Übung "Steadfast Noon" regelmäßig den Abwurf der Atombomben.

Die Nukleare Teilhabe verstößt gegen den Atomwaffensperrvertrag, den Deutschland 1976 unterzeichnet hat. Darin haben sich alle Nicht-Atomwaffenstaaten verpflichtet, "Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen.

Claus Schreer, Juli 2020

Ebenso wie die anderen oben genannten Staaten ist Deutschland Mitglied der "Nuklearen Planungsgruppe" (NPG) der Nato. Diese ist aber kein Entscheidungsgremium für einen möglichen Einsatz der Atomwaffen. Die Entscheidung über einen Einsatz der Atomwaffen liegt aber allein in der Hand der Nato-Atommächte USA, Frankreich und Großbritannien.

Die neue Allzweckbombe B61-12

Entgegen dem Mehrheitswillen der Bevölkerung und trotz eines parteiübergreifenden Beschlusses des Bundestages im Jahr 2010 hält die Bundesregierung weiterhin an der Stationierung der US-Atombomben in Deutschland fest und lässt Piloten der Bundeswehr regelmäßig den Atomwaffeneinsatz für den Ernstfall trainieren. Mit ihrer Zustimmung werden jetzt die in Büchel stationierten US-Atombomben "modernisiert".

B-61.Bomben. Bild: U.S. Department of Defense

Claus Schreer schätzt ein:

Was harmlos klingt, ist der Ersatz der derzeitigen frei fallenden Bomben (B61) durch eine völlig neue Bombenversion mit erweiterten Einsatzfähigkeiten.

Die neue B61-12 ist eine "Allround"-Atombombe, eine zielgenaue, elektronisch gesteuerte und gelenkte Atomwaffe mit variabler Sprengkraft, vergrößerter Reichweite und der Fähigkeit, tief verbunkerte Ziele zu zerstören.

Die B61-12 ist die erste Nuklearbombe, die mit einem derartigen Steuerungssystem ausgestattet ist. Durch die variable Sprengkraft, in der Größenordnung von sog. Mini-Nukes bis zur Sprengkraft der Hiroshimabombe, ergeben sich für die Kriegsplaner erweiterte operative Möglichkeiten für den Einsatz dieser Atomwaffen. Mit diesen neuen Waffen- darauf spekulieren die Atomkriegsstrategen- ließe sich der Einsatz von Atomwaffen auf Europa begrenzen.

Claus Schreer, Juli 2020

Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer kündigte im April 2020 an, neue Kampfflugzeuge anzuschaffen, um die veraltete Tornado-Flotte der Bundeswehr zu ersetzen.