Atomausstieg: Rechtsauffassung veraltet?

Seite 3: Brennelemente für Risiko-Reaktoren

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Am vergangenen Samstag protestierten nach Polizeiangaben rund 3500 Menschen in Aachen gegen das belgische AKW Tihange, schreibt der in der westdeutschen Grenzregion beiderseits der Mosel erscheinende Wochenspiegel.

Die alte Kaiserstadt ist nur knapp 65 Kilometer von den drei Reaktoren des südwestlich von Liége (Lüttich) stehenden AKW entfernt. Einer der Reaktoren hat in den letzten Jahren wiederholt wegen zahlreicher Haarrisse im Druckbehälter Schlagzeilen gemacht.

Auf der Abschlusskundgebung der Aachener Fahrraddemonstration sprach auch der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Laut Wochenspiegel hat er dabei sein Unverständnis für Lieferungen von Brennelementen nach Tihange geäußert, die die Bundesregierung zugelassen habe. "Um solche Lieferungen zu verhindern, müsse wenn nötig das Atomgesetz geändert werden", gibt das Blatt seinen Standpunkt wieder.

AKW Tihange. Bild: Hullie/CC BY-SA-3.0

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte in einem ähnlichen Zusammenhang bereits Ende März in einer Pressemitteilung erklärt, dass die Schließung der hiesigen Uranfabriken der einzige Weg sei, diese Ausfuhren zu unterbinden.

Das Atomgesetz und das Europarecht bieten keine Handhabe, die Lieferung von Brennelementen ins Ausland zu unterbinden, solange die Kernbrennstoffe dort nicht missbräuchlich verwendet werden, etwa als Waffen oder zu terroristischen Zwecken. Es kommt vor, dass die Rechtslage nicht alles zulässt, was man politisch für wünschenswert und richtig hält.

Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Ihr Ministerium hat daher kürzlich ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses soll klären, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen eine Stilllegung der Urananreicherung und der Brennelementeproduktion in Deutschland möglich wäre. Die Landesumweltminister hätten das Bundesumweltministerium damit beauftragt.

Für die Ausfuhrgenehmigung der Brennelemente sei das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuständig. Im vergangenen Jahr sei der Lieferung von 68 Elementen nach Tihange und von 152 zum ebenfalls belgischen AKW Doel stattgegeben worden, so das Ministerium. Bis Ende März hatte das BAFA den Export von 108 Brennelementen für die Blöcke Doel 1-3 genehmigt.

Hubertus Zdebel von der Linksfraktion im Bundestag mag sich mit der Position der Umweltministerin nicht zufrieden geben. Seiner Ansicht nach hätte das BAFA durchaus die Möglichkeit, die Genehmigung zu versagen. Dabei beruft er sich auf ein von den Internationalen Ärzten zur Verhütung des Atomkriegs/Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten.

"Die Bundesregierung kann und muss endlich handeln und die Ausfuhrgenehmigungen für den Uranbrennstoff künftig untersagen", so der Bundestagsabgeordnete, der Sprecher seiner Fraktion für den Atomausstieg ist. Dem Umweltministerium wirft er Doppelzüngigkeit vor. Tihange sei ein maroder Risiko-Reaktor. Einerseits würde vor den Risiken dieser im Grenzgebiet stehenden Anlagen gewarnt, andererseits diese mit Brennstoff aus den Uranfabriken in Gronau und Lingen beliefert. Barbara Hendricks verstecke sich hinter einer überholten Rechtsauffassung.