Atomkraft: Geld für RWE und Vattenfall
Die Energie und Klimawochenschau: Von kleinen Geschenken für die Atomindustrie, einem Störfall in einem belgischen AKW, steigenden Ölpreisen und gebrochenen Wahlversprechen
Nun sollen die AKW-Betreiber tatsächlich, wie sich bereits abgezeichnet hat, einen finanziellen Ausgleich für die Stilllegung der Atomkraftwerke bekommen. Das Bundesumweltministerium hat einen entsprechenden Gesetzentwurf vorbereitet, wie unter anderem das Handelsblatt berichtet. Demnach ist die Rede von "einem niedrigen einstelligen Milliardenbetrag".
Andere Zeitungen schreiben von rund einer Milliarde Euro. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2016 RWE und Vattenfall eine Entschädigung zugesprochen, wie seinerzeit vermeldet.
Das Gericht hatte in seinem Urteil zwar den 2011 beschlossenen Ausstieg als mit dem Grundgesetz vereinbar bezeichnet, kritisierte aber, dass RWE und Vattenfall einen Teil der 2002 mit dem ursprünglichen Ausstiegsgesetz zugestandenen Reststrommengen nicht mehr vollständig nutzen können. Darin wurde ein Bruch des Vertrauensschutzes gesehen.
"Folge der Politik der schwarz-gelben Bundesregierung unter Angela Merkel"
Jochen Stay von der Kampagnenorganisation .ausgestrahlt ist zwar froh, dass die Betreiber nicht die geforderten 19 Milliarden Euro bekommen werden, verweist aber darauf, dass die erneuten Zahlungen eine Folge der Politik der schwarz-gelben Bundesregierung unter Angela Merkel ist. Hätte diese nicht 2010 den Ausstieg aus dem Jahre 2012 kassiert, nur um einige Monate später eine erneute Kehrtwende zu machen, dann - so ist sich Stay sicher - gäbe es jetzt nicht das kleine Extra für die Konzerne.
Die genaue Summe soll 2023 berechnet werden, wenn das letzte AKW stillgelegt und somit klar ist, wie viel Strom nicht produziert wurde. Berechnungsgrundlage soll der durchschnittliche Börsenstrompreis zwischen 2011 und 2022 sein, wovon die Produktionskosten abgezogen werden. Anders als die Betreiber von Kohle- und Gaskraftwerken erhalten die AKW-Betreiber somit für ein bestimmtes Kontingent sozusagen eine Abnahmegarantie.
Außerdem stellt die Regelung sicher, dass der Verbraucher auf jeden Fall zahlt: Entweder eine hohe Umlage für die erneuerbaren Energieträger, wenn der Börsenstrompreis weiter so niedrig wie bisher bleibt, oder aber über den Bundeshaushalt, wenn der Börsenstrompreis in den nächsten Jahren steigen sollte. Das würde dann die EEG-Umlage senken, aber gleichzeitig die Ausgleichszahlung an RWE und Vattenfall verteuern.
So sieht der Eigentumsschutz des Bundesverfassungsgerichts aus. Die Sozialbindung scheint hingegen irgendwie in Vergessenheit geraten zu sein. ("(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Artikel 14 (2) GG)
11.000 Risse im Reaktordruckbehälter
Derweil berichtet die Nachrichtenagentur dpa, dass es im belgischen AKW Doel mal wieder einen Zwischenfall gegeben hat, der zum Runterfahren des Reaktors 1 führte. Demnach hat es ein Leck im Notkühlkreislauf gegeben.
Der Reaktor bleibe jetzt bis zum 1. Oktober abgeschaltet, da am 29. Mai ohnehin ein größere, seit langem geplante Revision beginnen soll. Betreiber Electrabel spricht daher auf seiner deutschsprachigen Webseite etwas euphemistisch von einem geplanten Stopp.
Doel 1 läuft laut Wikipedia seit August 1974, also seit knapp 44 Jahren. Sieben weitere Jahre sind noch geplant. Im acht Jahre jüngeren Nachbarreaktor Doel 3 waren, wie mehrfach berichtet, tausende Haarrrisse im Reaktordruckbehälter gefunden worden, ohne dass die Anlage bisher stillgelegt worden sei. Zurzeit befindet sie sich in Revision, speist also keinen Strom ins Netz ein.
Die Wormser Zeitung zitierte letzte Woche den rheinland-pfälzischen Umweltstaatssekretär Thomas Griese von den Grünen. Nach dessen Angaben wurden 2012 in Doel 3 7.000 Risse gezählt, doch inzwischen sei deren Anzahl auf rund 11.000 gestiegen. Außerdem seien die Risse inzwischen bis zu 17 Zentimeter lang. Vor sechs Jahren habe die maximale Länge noch sechs Zentimeter betragen. Am Reaktor Tihange 2 in der Nähe von Aachen gebe es eine ganz ähnliche Entwicklung.
Wie das Luxemburgische Tagblatt schreibt, sind die hiesigen Zuwendungen für die Atomkonzerne noch eher klein im Gegensatz zu dem, was in Frankreich üblich sei. Dort habe die Regierung den Reaktorbauer Areva mit fünf Milliarden vor der Pleite gerettet und dem Stromkonzern EDF weitere zehn Milliarden verdeckt zukommen lassen.
Bundesregierung bremst Erneuerbare
Derweil sorgt auch ein weiterer Gesetzentwurf der Bundesregierung für Unmut bei Umweltschützern. Die Berliner Koalitionäre hatten im Winter in ihrem Vertrag noch versprochen, in den kommenden beiden Jahren je 4.000 Megawatt (MW) Wind- und Solarleistung extra ausschreiben zu wollen.
Das wäre nicht nur wichtig, um vielleicht doch noch den Klimaschutzzielen für 2020 ein wenig näher zu kommen. Insbesondere in der Windenergie könnte so eine Absatzflaute vermieden werden, die durch die Umstellung auf Ausschreibungen drohen könnte.
In einem nun vom CDU-geführten Bundeswirtschaftsministerium vorgelegten Referentenentwurf für ein überarbeitetes Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist davon jedoch keine Spur zu finden. Es sieht ganz so aus, als wolle die Bundesregierung an den viel zu niedrigen Ausbauzahlen festhalten, wie sie schon bisher im EEG fixiert sind.
Das - aus der Sicht des Klimaschutzes ohnehin zu bescheidene - Ziel, bis 2030 65 Prozent des Stroms mit erneuerbaren Energieträgern zur Verfügung zu stellen, wird mit den aktuellen Vorgaben für die Ausschreibungen nicht einzuhalten sein. 2017 hatten Sonne, Wind & Co. bereits einen Anteil von 38 Prozent an der Nettostromproduktion.
Das hört sich eigentlich nicht schlecht an, betrifft aber nur den Verbrauch der elektrischen Energie. Am Gesamtenergieverbrauch haben die Erneuerbaren dagegen nur einen Anteil von rund 15 Prozent, wie die energiepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Julia Verlinden, deutlich macht. Das sei deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Die Bundesregierung habe in der Energiepolitik einen gefährlichen Bremserkurs eingeschlagen.
Lorenz Gösta Beutin, Sprecher für Energie- und Klimapolitik der Linksfraktion, erinnert die Koalitionäre an ihre Wahlkampfversprechen.
"Wird der Koalitionsvertraeg unter dem scheinheiligen Vorwand fehlender Netze nur wenige Wochen nach Unterzeichnung jetzt hinterlistig von der Union gebrochen, dann sieht die Zukunft der Energiewende in Deutschland kohlenschwarz aus", so der im Herbst erstmalig in den Bundestag eingezogene schleswig-holsteinische Abgeordnet.
Den fehlenden Netzausbau lässt Beutin nicht als Ausrede gelten. Nicht die Erneuerbaren seien das Problem, sondern zu viel Kohle- und Atomstrom sorge für Netzengpässe.
Ölpreis steigt weiter
Unterdessen scheinen in Bayern einige verstanden zu haben, dass die starke Behinderung der Windenergie vielleicht doch nicht so schlau ist. Die Augsburger Allgemeine meint, dass sich an Donau und Isar eine Wende in Sachen Windkraftausbau anbahne.
Während 2017 in Bayern nur noch vier Anlagen errichtet wurden, habe CSU-Wirtschaftsminister Fran Josef Pschierer in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mehr Unterstützung für den Ausbau im Süden gefordert. Bei den Ausschreibungen müsse ein Mindestanteil auf den Süden entfallen.
Bewegung scheint auch in den Ölpreis zu kommen. Bereits seit Mai 2017 steigt er beharrlich und erreicht inzwischen Werte, wie zuletzt im Herbst 2014. Aktuell kostet ein Fass (Barrel) des US-Standards WTI 67,45 US-Dollar. Für die europäische Standardsorte Brent müssen 73,38 US-Dollar pro Barrel gezahlt werden.
Die Plattform Oilprice schreibt, dass viele Händler auf weiter steigende Preise setzen. Inzwischen würden bereits massenweise Optionen für Brent mit einem Barrelpreis von 80 US-Dollar gehandelt.
Bei diesen Preisen werden auch allerlei besonders zerstörerische Abbauformen wieder lukrativ, wie Bohrinseln in der Arktis oder die kanadischen Teersande. Die dortigen Unternehmen haben allerdings wegen fehlender Pipelines große Schwierigkeiten, ihren Export zu steigern; Keystone XL, die Öl in die US pumpen soll, ist noch immer hoch umstritten.
Erst Mitte April hatten US-amerikanische Landbesitzer in Nebraska einen juristischen Erfolg erzielt. Der dort zuständige Staatsanwalt hat im Zulassungsverfahren eine Reihe von Fehlern ausgemacht und ist der Ansicht, dass es vor Gericht aufgehoben werden muss.
Auf der Route, mit der das aus den Teersanden synthetisierte Öl zur Verschiffung in Kanadas Westen gepumpt werden soll, sieht es nicht viel besser aus. Dort hat das Bauunternehmen im April nahezu alle Arbeiten an der Pipeline eingestellt.
Der Grund ist offenbar der Widerstand von Umweltgruppen, der Provinz British Columbia, die unter anderem durchquert werden soll, und der betroffenen First Nations. So nennen sich in Kanada die indianischen Ureinwohner. Deren Hartnäckigkeit hat nun zu einem wichtigen Etappensieg geführt.