Auch Bodentruppen der Bundeswehr wollen größere Helikopter-Drohnen

Aufklärungsdrohne Mikado (AirRobot AR-100B) auf der CeBIT 2006. Bild: padeluun

Die Marine in Frankreich und Deutschland entscheidet sich für den österreichischen "CAMCOPTER S-100", die Bundespolizei erprobt den ähnlichen "NEO-S300" aus der Schweiz

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Der Anteil militärischer Drohnen kleiner und mittlerer Bauweise wächst rasant. Letztes Jahr verfügte allein das Heer über 331 Flugroboter, 70 davon waren in Afghanistan unterwegs. Jetzt soll das Repertoire durch Helikopter-Drohnen ergänzt werden, die rund 40 Kilogramm schwer sind und mehrere Stunden in der Luft bleiben. Der "Spiegel" berichtet von einem endgültigen Kauf der "CAMCOPTER S-100" durch die Marine im August. Größter Profiteur im deutschen Drohnengeschäft ist aber die bayerische Firma EMT.

Mit 128 in Deutschland stationierten "MIKADO" sind die sogenannten "Quadrokopter" das am meisten verbreitete Modell bei der Bundeswehr. Sie werden von Infanterietruppen unter anderem in Städten eingesetzt, kann aber eher als fliegende Kamera mit einer maximalen Flughöhe von 100 Metern bezeichnet werden. Unter "MIKADO" werden sowohl der AR-100 der Firma AirRobot als auch der Fancopter der Firma EMT in Penzberg geführt. Ihr Stückpreis liegt fast im sechsstelligen Bereich. Insgesamt will das Heer fast 300 "MIKADO" beschaffen.

Weitaus größer und nicht von Rotoren angetrieben ist das System ALADIN ("Abbildende Luftgestützte Aufklärungsdrohne im Nächstbereich"), das ebenfalls vom Rüstungskonzern EMT gefertigt wird. Sie ist in etwas geringerer Stückzahl als die "MIKADO" vorhanden, letztes Jahr waren in Deutschland 115 Stück stationiert. Der "Elektrosegler mit Klapppropeller" kann sich bis zu 15 Kilometer entfernen und programmgesteuert fliegen. Das Gerät ist groß genug, um Infrarot- und Wärmebildkameras zu tragen, Aufnahmen werden in Echtzeit übertragen. Die "ALADIN" gehören zur Ausstattung des Spähwagen "Fennek". Auch ihr Bestand soll beinahe verdoppelt werden.

Immer mehr Abstürze von "LUNA"-Drohnen

Das derzeit kostspieligste System im Segment der "Nahfeldaufklärung" ist die LUNA ("Luftgestützte Unbemannte Nahaufklärungs-Ausstattung"). Der "Motorsegler mit Verbrennungsmotor" hat einen Einsatzradius von rund 40 Kilometern und wird von der Bundeswehr seit 13 Jahren in Kriegsgebieten mitgeführt. Bei einem Gesamtgewicht bis zu 40 Kilogramm kann das Gerät miniaturisierte Aufklärungs- und Überwachungstechnik befördern. Auch die "LUNA" wird von EMT in Penzberg gebaut, ihr Stückpreis dürfte etwa bei zwei Millionen Euro liegen.

LUNA der deutschen Bundeswehr auf einenMast montiert. Bild: Owly K. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Bis 2009 erhielt EMT zusammen mit der Deutschen Flugsicherung und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt 3,6 Millionen Euro, um ein automatisiertes Ausweichverfahren für die LUNA zu entwickeln. Seit 2011 werden von der Bundeswehr saudi-arabische Soldaten an exportierten "LUNA" geschult (Deutsches Militär unterstützt hochgerüsteten Grenzschutz in Saudi-Arabien).

Letztes Jahr waren in Deutschland 51 "LUNA" stationiert, vor drei Jahren waren 27 Systeme in Afghanistan eingesetzt. In einer Antwort auf eine Anfrage des Abgeordneten Paul Schäfer von letzter Woche bestätigt das Verteidigungsministerium nun 52 havarierte "LUNA"-Drohnen, letztes Jahr war noch von acht die Rede. 26 Abstürze seien demnach "technisch begründet", neun erfolgten "umweltbedingt". Vermutlich sind Witterungsbedingungen gemeint. 11 Abstürze seien auf Bedienungsfehler zurückzuführen, bei weiteren sechs ist die Ursache unbekannt.

Als weitere kleinere Drohne gilt die KZO ("Kleinfluggerät zur Zielortung") der Firma Rheinmetall Defence. Sie dient der Artillerie des Heeres für georeferenzierte Aufklärungsdaten und hochauflösende Bilder mit Infrarotkameras. Die KZO kann bis zu 5 Stunden in der Luft bleiben und dabei 4 Kilometer hoch fliegen. Sechs KZO wurden als Komplettsysteme beschafft und bestehen jeweils aus zehn Fluggeräten, zwei Bodenkontrollstationen sowie Start-, Werkstatt-, Antennen- und Bergefahrzeugen. Das lässt sich die Bundeswehr etwas kosten: Bislang wurden über 140 Millionen für die KZO investiert.

"CAMCOPTER" wird vom deutschen Rüstungskonzern Diehl BGT Defence vermarktet

Nach einem Spiegel-Bericht steht nun der Kauf von Helikopter-Drohnen durch die Marine kurz vor dem Abschluss. Es handelt sich dabei um den CAMCOPTER S-100 der Firma Schiebel aus Österreich. Derartige Drehflügler werden gewöhnlich als "Vertical Takeoff and Landing" (VTOL) bezeichnet.

Schiebel Camcopter S-100 auf der ILA 2006. Bild: Stahlkocher. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Die "CAMCOPTER S-100"sollen auf Korvetten stationiert werden, ihr Kaufpreis liegt bei insgesamt 30 Millionen Euro. Vermutlich schließt dies die erforderlichen Bodenkontrollstationen ein. Das sogenannte "Mini-UAV" wird in Deutschland vom Rüstungskonzern Diehl BGT Defence in Lizenz vermarktet. Beteiligt ist auch die Firma M4Com, die auf geodätische Software spezialisiert ist und mit entsprechenden Produkten auch die NATO beliefert.

Drohnen wie die israelische "Heron" oder die US-amerikanischen "Predator" und "Reaper" können von deutschen Schiffen nicht starten und landen. Möglich wäre dies allenfalls von einem Flugzeugträger, wie es die US-Marine jüngst erfolgreich mit einer Tarnkappendrohne demonstriert hatte. Die deutsche Marine muss deshalb statt der "Starrflügler" auf Helikopter-Drohnen setzen. Bislang werden dort nur sechs Drohnen der Typen "ALADIN" und "MIKADO" geflogen, ihre maximale Reichweite liegt bei rund zehn Kilometern.

Die Marine hatte die "CAMCOPTER-S100" bereits 2008 erfolgreich auf Korvetten getestet. Diese "Integrationsstudie" ließ sich das Verteidigungsministerium damals 1,7 Millionen Euro kosten. Durchgeführt wurde sie vom Hoflieferanten IABG Industrieanlagen GmbH, die kürzlich mit einer Untersuchung der erwarteten Kosten für die Spionagedrohne "Euro Hawk" beauftragt wurde.

Bundespolizei kooperiert ebenfalls mit EMT

2011 hatte auch die französische Marine begonnen, den "CAMCOPTER S-100" zu fliegen. Die Flugroboter wurden auf der neuen Korvette "L’Adroit" erprobt und mittlerweile endgültig beschafft, eingesetzt werden sie unter anderem im Indischen Ozean und in Asien. Ihre Fähigkeit wird beschrieben mit der "Vorbeugung gegen illegale Praktiken auf See", darunter "Terrorismus, Drogenhandel, illegale Fischerei und illegale Migration".

Obwohl die Bundespolizei angeblich keine Beschaffung größerer Drohnen plant, führt sie seit 2011 ebenfalls Tests mit Helikopter-Drohnen durch (Drohnen bald auch für Inlandsgeheimdienst und Bundeskriminalamt?). Zum Einsatz kam allerdings eine Drohne des Schiebel-Konkurrenten Swiss UAV AG. Deren "NEO-S300" ist in etwa baugleich mit dem "CAMCOPTER S-100" und kann ebenfalls mehrere Stunden in der Luft bleiben. Wie bei der Marine wurden auf der Ostsee Starts und Landungen von einem Schiff der polizeilichen Küstenwache geübt.

Der NEO S-300 der Swiss UAV. Bild: Waerfelu. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

In Deutschland verfügt die Firma EMT über eine Lizenz für den "NEO-S300" und vertreibt das Gerät unter dem Namen MUSECO. EMT wirbt damit, die VTOL-Drohnen könnten "Wärmebild- IR Videokameras oder digitale Standbildkameras mit hoher Auflösung" tragen. Jetzt plant die Bundespolizei weitere Tests auf der Nordsee.

Helikopter-Drohnen sollen Konvois in Kriegsgebieten begleiten

Der geplante Kauf der "CAMCOPTER-S100" durch die Marine war bereits in einem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (TAB) des Bundestages angekündigt worden. Der Mehrwert der unbemannten Mini-Hubschrauber liege demnach in der "Abbildenden Aufklärung" in der Nähe von Kriegsschiffen. Weitere Einsatzgebiete wären die "Minensuche", "Aufklärung von Objekten im Hafenbereich" oder sonstige "Aufnahmen von Daten zur Lageerkennung". Einen besonders guten Ruf hat der "CAMCOPTER" derzeit aber nicht: Offensichtlich haben Aufständische kürzlich eine derartige Drohne abgeschossen (Rätselhafter Absturz einer Drohne in Somalia).

Auch das Heer beabsichtigt die Anschaffung von Helikopter-Drohnen. Letztes Jahr hatte die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage erklärt, dass von den Bodentruppen womöglich zehn VTOL-Drohnen anvisiert würden.

In der TAB-Studie "Stand und Perspektiven der militärischen Nutzung unbemannter Systeme" heißt es dazu, die Systeme könnten beispielsweise neben einem Konvoi fliegen. Ihr Vorteil liege darin, dass sie dessen "Marschgeschwindigkeit" nicht einschränken. Die Steuerung könnte über eine mobile Bodenkontrollstation erfolgen, die selbst im Konvoi mitfährt.